Rudolf Kowalleck

Das erste Date

Selbst wenn man hervorragend auf ein erstes Treffen vorbereitet ist, kann es leider zu unvorhersehbaren Ereignissen kommen, die das bisher mühsam Erreichte wieder zunichtemachen. Lesen Sie den Bericht eines meiner Patienten:

Mangelnde Attraktivität können Männer durch zwei Dinge ausgleichen: Humor oder ein dickes Bankkonto. Allerdings sinkt meiner Erfahrung nach die Wichtigkeit des Aussehens proportional zur Höhe des Guthabens. Leider bin ich nicht besonders reich, aber Humor besitze ich. Wie sollte ich mich sonst jeden Morgen vorm Spiegel rasieren?

Zu witzig ist zu sein, ist aber auch nicht immer gut. Das wurde mir leider bei meinem ersten Rendezvous mit Novembermond vor Augen geführt, der Dane, die laut der Computerauswertung von Niveau-Partner zu mir passen sollte.

Wir verabredeten uns über unsere Pseudonyme. Als ich meinen ersann, lag gerade eine halbleere Tüte mit Gummibärchen neben mir auf dem Schreibtisch. Deshalb nannte ich mich Goldbär.

Wir verabredeten ein Treffen auf neutralem Boden und einigten uns auf die Einnahme einer Mahlzeit beim Griechen. Das Preis-Leistungsverhältnis dort war hervorragend. Meine Brieftasche und ich waren froh, dass Novembermond zugestimmt hatte.  

Ganz old School sollte unser Erkennungszeichen eine weiße Rose sein. Meine stammte allerdings nicht aus Athen, sondern vom Discounter.

Ich hatte mich gut vorbereitet und in einem Ratgeber gelesen, ein erstes Date wie ein Bewerbungsgespräch zu betrachten. Also vorher duschen, rasieren, die Fingernägel schneiden und, ganz wichtig, eine frische Unterhose anziehen. Schon meine Oma hatte mir das eingebläut. »Wenn du mal ins Krankenhaus kommst, musst du dich wenigstens nicht schämen.«

Ich wusste zwar nicht, warum ich ausgerechnet beim ersten Treffen mit einer Frau im Krankenhaus landen sollte, aber okay, sicher war sicher.

Mit auf Hochglanz polierten Schuhen und zu meiner Jeans farblich passende Socken – auf sowas achten laut Oma Frauen aus gutem Hause – machte ich mich auf den Weg.

Als ich die Wohnungstüre abschloss, überlegte ich, ob ich unterwegs noch schnell Kondome besorgen sollte. »Nein, wie sähe das denn aus?«, fragte das Gute in mir.«

»Sie wird dich dafür loben«, widersprach die dunkle Seite.  Sie wird sagen: Oh, Sie sind aber wirklich gut vorbereitet.

»Du bist kein Junge für die erste Nacht«, erinnerte mich die gute Seite in mir. »Willst du wirklich eine Partnerin, die gleich bei ersten Date mit dir in die Kiste springt?«

»Ja, das willst du«, meinte die dunkle Seite. Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört. Mein Verstand mischte sich dann auch noch ein. Beim Griechen wird sehr viel mit Knoblauch gekocht. Das weiß jeder, und wer mehr vorhat, speist besser woanders.

Novembermond war auf die Minute pünktlich. Sie sah wirklich niedlich aus mit ihrer Zahnlücke, besonders, wenn sie lächelte. Ihrer Stimme nach hätte ich mir sie auch als Fernsehmoderatorin vorstellen können.

»Die raucht und säuft«, meinte die dunkle Seite. »Oder vielleicht ist sie in Wahrheit ein Kerl. So eine dunkle Stimme hat keine Frau der Welt.«

»Du halt dien Maul«, blaffte die gute Seite in mir. Ich wunderte mich über ihren rauen Tonfall.

 Fernsehmoderatorin oder Nachrichtensprecherin war sie nicht. Sie sagte, sie arbeite in einem Fachgeschäft für Orthopädiebedarf. Später sicher später mal ganz praktisch, dachte ich.

Ich wollte gerade erzählen, was ich beruflich mache, da kam der Kellner mit den Speisekarten.

Nebenbei zur Info. Um eventuelle Vorurteile auszuschließen, wurden die berufliche Tätigkeit der Teilnehmenden bei der Computerauswertung nicht berücksichtigt.

Wir brauchten noch etwas Zeit, um unsere Bestellung auszusuchen. Der Kellner trollte sich.

Jemand hielt mir einen Blumenstrauß unter die Nase.

»Du wolle Rose kaufe?«

»Blind oder was?«

Ich zeigte auf die beiden Rosen, die vor uns auf dem Tisch lagen. Der Rosenverkäufer öffnete sein Jackett. »Du wolle original Rolex kaufe?«

»Nein, danke. Ich besitze bereits eine Armbanduhr. Die stammt zwar nur aus einem Kaufhaus, ist aber trotzdem zehnmal mehr wert, als deine albernen Plagiate made in China.«

Er schaute zu Novembermond, beugte sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: »Du wolle Kondome kaufe?« Er grinste mich an.

»Nein, verdammt!«

Die Verkaufskanone blickte ziemlich pikiert. »Dann wird langweilige Abend«, meinte er und ließ uns endlich in Ruhe.

Ich wollte Novembermond gerade meinen richtigen Namen verraten, als der Kellner wieder an unseren Tisch trat. »Haben sich die Herrschaften mittlerweile entschieden?«

»Nein, noch nicht. Wir wurden leider gestört.«

»Darf ich dann schon mal die Getränkewünsche notieren?“

»Ich nehme ein Alster«, bestellte Novembermond. Also, diese Stimme. Ach was, verscheuchte ich die in mir aufkommenden Gedanken, wohl wissend, wer sie nur geschickt haben konnte und entschied mich für ein alkoholfreies Bier. Immerhin musste ich noch fahren. Der Kellner bedankte sich und zog ab. Endlich konnte ich berichten, dass ich als…

Jemand legte eine kleine Karte auf den Tisch. Bin gehörlos. Bitte um eine kleine Spende, stand darauf geschrieben. Gut gelaunt und großzügig wie ich nun mal bin, legte ich zwanzig Cent auf den Tisch. Der Gehörlose verzog sein Gesicht.

»Was?«, fragte ich. »Da steht doch extra „kleine Spende“ oder nicht?«

Ach so, ja. Gehörlos. Ich schrieb es ihm auf eine Papierserviette. Missmutig zog er einen Tisch weiter.

»Also, wo waren wir stehengeblieben?«

»Wissen die Herrschaften jetzt, was Sie zu speisen gedenken?«, fragte der Kellner und servierte die Getränke. Ich atmete durch. Also gut.

»Die Dame zuerst.«

»Ich nehme die Kreta-Platte, aber ohne Zwiebeln und Tsatsiki.«

Ohne Tsatsiki? hallte es in mir nach. Sie mochte also kein Knoblauch. Ich blickte mich nach dem Rosenverkäufer um, aber der hatte das Lokal leider schon verlassen.

»Sehr wohl«, sagte der Kellner. »Und der Herr?«

»Ich nehme einen Herkules-Teller, auch ohne Tsatsiki, mit Pommes und Metaxa-Soße.«

»Metaxa-Soße nur auf Fleisch oder auch auf die Pommes?«

»Nur aufs Fleisch, aber beim Salat keinen gemischten Salat, nur Krautsalat. Ist das möglich?«

»Kein Problem«, meinte der Kellner, schnappte sich die Speisekarten und entfernte sich. Endlich konnten wir in Ruhe weiterplaudern. Dachte ich zumindest.

»Extrablatt. Scholz fehlt beim Gedächtnistraining. Er hat vergessen, wo das stattfinden sollte. Extrablatt!« Der Zeitungsverkäufer kam zu uns an den Tisch.

»Möchten Sie die Extra-Ausgabe?«

»NEIN!!!«

»Ich bin nicht taub, der Herr.«

Der Kellner ließ vor Schreck ein Tablett mit Geschirr auf den Boden krachen. Der Gehörlose stand mit dem Rücken zu ihm und zuckte zusammen.

»Moment!«, rief ich und konnte ihn gerade noch am Ausgang abfangen. »Sofort meine Kohle zurück, Freundchen. Aber dalli!“ Ein dicker Mann tauchte neben uns auf. »Haben Sie dem Betrüger etwa auch was gegeben?«

Der Gehörlose wollte fliehen. Ich hielt ihm am Pullover fest. Es kam zu einer Rangelei. Er schlug mir mit der Faust die Nase platt. Ich fiel zu Boden. Der Gauner konnte sich losreißen und fliehen. Mit meinen zwanzig Cent und der Kohle, die er dem Dicken aus der Tasche geluchst hatte!

Im Augenwinkel sah ich nur noch, „Novembermond“ mit schnellen kleinen Schritten davonlaufen.

Seitdem ich die Notaufnahme im Krankenhaus verlassen durfte, habe ich nichts mehr von ihr gehört. Auch die Dame von der Partnervermittlung wusste nicht, warum sie sich abgemeldet hatte.

Zumindest hatte ich wenigstens eine saubere Unterhose an. Danke Oma.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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