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Adrian Roum
Der Hase
Es war Sommer. Beim Spazieren begegnete ich einem
Häschen auf
dem Rasen. Jeder weiß, was für eine Freude so
ein Tier auf
freiem Fuß zu beobachten. Wieso denn? Weil er
leidenschaftslos und
unschuldig ist und aus Willen Gottes lebt. Und
plötzlich wird dir klar,
was für ein Biest ein Mensch ist, und
nicht die schlimmsten
Mörder, sondern besonders modische Frauen. Eine
Leere in sich.
Der Hase, der mich bemerkte, wollte sich niedlich
davonmachen, aber ich
sagte ihm: Halt, ich bin kein Wolf, ich werde dich
nicht auftafeln.
Erst später wurde mir klar, dass Menschen schlimmer
für ihn
sind als Wölfe, und er respektiert nur ihr verzerrtes
Gottesbild.
Der Hase erstarrte wie ein ausgestopftes Tier aus einem
biologischen
Museum, ohne einen einzigen Muskel zu bewegen.
— Ich wünsche dir wirklich nichts Böses. Ich liebe dich,
—
sagte ich leise.
Und plötzlich hörte ich seine
Stimme in mir:
— Ich muss vorsichtig sein.
Das überraschte
mich, aber ich fuhr schnell fort:
— Wie kannst du überleben?
— Ja, dir, einer sorglichen Person, ist es schwer zu verstehen.
Ich esse Gras und verstecke mich im Winter. Ich bin mit allem zufrieden.
— Warum denkst du, dass wir Menschen das nicht können?
—
Christus lehrte euch, um nichts zu kümmern, und er führte
Vögel und andere Tiere als Beispiel an. Ihr solltet von uns lernen.
— Kennst du Christus?
— Wie sonst, er ist mein Schöpfer.
— Und du liebst ihn?
— Ja. Mehr als mein
Leben.
— Obwohl er erlaubte, dich zu essen?
—
Wir, Tiere, opfern unser Fleisch für unaufgeklärte Menschen,
wie
Christus sein Fleisch für Christen opfert. Die Erleuchteten
brauchen
kein Fleisch zu essen, sie ernähren sich im Sakrament vom
göttlichen Fleisch Christi.
— Woher hast du eine solche
theologische Weisheit?
— Theologen sind bloß nur
Schwätzer, aber wir Tiere, die Gott
dem Schöpfer gehorsam sind,
theologisieren wie es gehört mit
unserem ganzen Leben. Deshalb brachte
uns Christus für Menschen als
ein Vorbild zum Nachahmen.
— Aber ihr stummen Tiere habt keine Seele, und ihr könnt Gott
nicht
verherrlichen?
— Wie stumm, wenn du mich hören
kannst? Ihr seid es, die denken,
dass wir unvernünftig seien, keine
Seele hätten, und deshalb
können Gott nicht preisen. Wie hat dann
Christus befohlen, dass auch
uns, Tieren, das Evangelium gepredigt
werden soll? „Verkündet das
Evangelium der ganzen
Schöpfung!“ — sagte Er. Und Hl. Franziskus
hat es
durchgezogen.
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:
— Wir
sind die stillen Lehrer der Menschen. Und sie merken es nicht. Viele
Heilige, die uns nachahmen, blieben auch ihr ganzes Leben lang stumm und
lebten so wie Tiere durch einen Tag aus, ohne sich um irgendetwas zu
kümmern, und ernährten sich allein mit Kräutern. Und
nach einer Pause:
— Die Verherrlichung Gottes liegt nicht nur im
äußeren Wort,
sondern vor allem im Heiligen Leben, und im Herzen
– schloß das
Häschen seine Predigt ab.
Dabei bewegte
er sich keinmal und blieb in einem erstarrten Zustand.
Ich dachte, dass
dies alles wahrscheinlich meine Gedanken waren und nicht
des seelenlosen
Hasen. Gedanken wie manche Reflexion über
die parallele Tierwelt. Und
ich machte eine leichte Bewegung in seine
Richtung. Wie er sprang sofort
zur Seite und im Zickzack, komisch funkelnd
mit seinem weißen
Hintern, rannte Richtung der Büsche, bis es
ganz verschwand. Ich brach
sogar ins Gewieher aus, denn so passten seine
amüsanten Fouetté
nicht zu der vorherigen nachdenklichen Theologie.
Aber dann schlug sofort
meine Stimmung um, und mir dämmerte, dass
die Tiere, in der Tat, heute
die einzigen Heiligen sind, die uns Trost spenden
können in dieser
antichristlichen Zeit.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.02.2024.
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