Charles G. Dannecker

Besuch bei Gott

Besuch bei Gott

 

Es sollte ein Überraschungsbesuch werden. Sehr viele Jahre hab ich ihn nicht mehr besucht. Heute war so ein  Tag, wo eine innere Stimme zu mir sagte, mach dich auf den Weg.

Es war kein typischer griechischer Sonnentag, sondern ein Himmel der mit schneeweißen Schäfchenwolken bedeckt war und es war zu vermuten, dass baldiger Regen eintritt.

Diese melancholische Stimmung unterstütze mein Vorhaben. Irgendwie war ich sehr aufgeregt. Ich verspürte eine  ungewohnte Unruhe in mir und viele Fragen überkamen mich, die wie ein Hagelgewitter auf mich einschlugen.

 

Vor fast genau 58 Jahren zerbrach das bis dahin sehr enge Band, welches ich zu Gott hatte. 

Quietschende Reifen, ein lauter Knall, zerberstendes Glas, verbiegendes Metall. Aus.

Zwei Wochen später, aus dem Koma erwacht, war nichts mehr wie vorher. Die Welt hat sich in dieser Zeit weitergedreht, aber meine Erinnerungen sind verloren gegangen. Zwei Wochen meines Lebens sind tot gelebt. 

Ich war knapp 13 Jahre alt und ging auf ein theologisches Seminar mit dem Ziel, ein Diener Gottes zu werden.

Dieser fürchterliche Unfall hat das Leben von drei Menschen ausgelöscht. Vielleicht 10 Striche auf dem Ziffernblatt, der Sekundenzeiger: tic, tic, tic, tic, tic, tic, tic, tic, tic, tic. Herzen hörten auf zu schlagen.

Zwei dieser Herzen gehörten meinen beiden noch sehr jungen Eltern und meinem lieben Freund Roland.

Meine kindliche Seele hatte sich eingemauert. Eine uneinnehmbare Mauer sollte sie in Zukunft schützen. Nie mehr solch unsagbare Schmerzen erleiden müssen.

Gespräche mit Gott scheiterten. Mir vertraute Pfarrer versagten. Es waren nur einstudierte Sätze mit den sie mich beeinflussten die mir sagen sollten, dass Gott nur gut ist und dass das eben eine Prüfung meines Lebens sei. Einmal fragte ich den Pfarrer Herrn Kah: Wie ist es möglich, dass ich, der seit fast 6 Jahren ein GOTTGERECHTES LEBEN führt, der maßen bestraft wird? Der jeden morgen um 5 Uhr in der Kapelle den ersten Gottesdienst des Tages mit vorbereitet. Der ministriert? Der einmal selbst Pfarrer werden sollte? Die Antworten erzeugten in mir solch eine große Wut, dass ich es kaum noch aushalten konnte. Da war nichts mehr. Die Verbindung war komplett abgebrochen, wie die abgerissene Schnur an einem Luftballon.

Auch sporadische Besuche in Gotteshäusern änderten nichts. 

Ich hatte mir damals so sehr gewünscht, dass Gott den kleinen, verzweifelten und einsamen Jungen in den Arm nimmt und ihm Kraft gibt den nächsten Morgen zu überstehen.

Aber egal wie oft ich es versuchte, es war zwecklos.

Langsam entwickelte sich in meinem Denken eine gnadenlose Ablehnung der Kirche. 

In den folgenden Jahren meines erwachsen werden beobachtete ich die Kirche sehr genau. Ich war entsetzt über die vielen Missbrauchsfälle. Über die ständig beschönigenden Worte des Papstes. Ein Bombardement der Lügen umgibt deren Heiligenschein. Das Zölibat. Obwohl jeder weiß, dass alle Pfarrer sexuelle Kontakte haben. 

Die Scheinheiligkeit, wenn die Bischöfe an den besonders HEILIGEN TAGEN ihre Predigten verkünden. Diese triefen vor Belehrungen, Worte als Manipulation eingesetzt um die Gläubigen schön klein zu halten. 

Weiter zurückgehend in die Zeit, wo die Kardinäle Kriege finanzierten, Andersdenkenden das Leben auslöschten. Im besonderen wurden 

so viele Frauen umgebracht. Verbrannt, ausgeschlöscht.

Natürlich gäbe es noch sehr viel darüber zu sagen. 

 

Nun zurück zu meinem morgendlichen Besuch bei Gott.

Trotz der vielen Fragen in meinem Kopf, machte ich mich auf die Reise zu einem  Kloster in der Nähe.

Eine sehr steile Straße führte nach oben zu einem imposanten Gebäude. Fast konnte man meinen, dass die Steigung zum Kloster beabsichtigt ist. Oben angekommen wartete  bereits eine große Menschmenge auf den Einlass in die Klosterkirche. 

Auf den Informationstafeln wurden die Besichtigungszeiten den 10 Geboten gleich deklariert. Gläubige kommen aus dem Kloster und  dann darf die nächste Gruppe hinein. Alles streng organisiert. Als wir nach einer 30 minütigen Wartezeit endlich hinein dürfen, wird meine Frau am Arm festgehalten und es wird ihr der Einlass untersagt, weil sie eine Hose und keinen Rock anhat. Da war er wieder, der Zorn in mir. Eine ca. 85 jährige Frau in total schwarz mit einem fast bösen Blick, maßregelte meine Frau. Ich fragte sie: Meinst du nicht, dass Gott seinen Blick auf unsere Seelen richtet und nicht auf eine Hose? 

Es ist Gottes Wunsch und Gesetz, sagte sie und es war schon immer so und so soll es bleiben. Also, gehen sie jetzt. Autsch, das wars…..

 

Wieder einmal war das nichts mit dem Besuch bei Gott.

 

 

© Charles G. Dannecker

Bild zu Besuch bei Gott

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