Timon Kromer

Hotel Window

Da war nichts. Einfach nichts. Wie konnte das sein?

Sie drehte sich um. Wände. Objekte. Etwas.

Es war jetzt ungefähr ein Uhr. Nachts.

Einen Scheinwerfer müsste man doch sehen können, ein Geräusch aus der Dunkelheit, eine Fledermaus!

Doch nein, das Einzige was sie sah war die Reflexion ihrer Zimmertür in der kalten Scheibe. Jetzt ein Regen...

Brachte nichts weiter hinauszuschauen, also stand sie auf.

5 Schritte vor, ein Blick, wieder zwei Schritte. Ihr Zimmer war immer noch da, überhaupt nicht leer, doch ohne Bewegung.

Wollte sie schlafen? Nein, keine Lust.

Sie setzte sich wieder ans Fenster und lauschte dem nichts und blickte auf die Dunkelheit.

Wo war der Mond, wenn man ihn braucht?

Dann Schritte im Flur. Sie sprang auf, rannte zur Tür und...

Im Flur nur das Licht des Notausganges.

Hinter jeder Tür ein Zimmer, fein geordnet ohne etwas, wo war sie?

Sie schloss wieder ihre Zimmertür. Von außen. Dann öffnete sie sie. Sie betrat ein Zimmer, identisch mit ihrem, doch nicht dasselbe. Hatte sie sich in der Tür geirrt?

Dann wieder die Schritte auf dem Flur. Diesmal blieb sie im Zimmer. Sie lehnte sich an die Tür und glitt langsam zu Boden. Sie lauschte.

Ein Summen. Elektronik?

Sie stand wieder auf und legte sich Gesicht voran auf ihr Bett.

Sie hörte Stimmen; Um sie herum, überall. Hunderte sprachen in tausenden Sprachen, doch sobald sie hochschreckte waren sie verstummt.

Sie liefen vor ihr Weg. Die Tür hinaus, den Gang entlang die Treppe runter.

Doch die Tür war zu, der Gang war still und die Treppe dunkel.

Fenster also wieder. Niemand. Nichts.

Sie öffnete es und steckte ihren Kopf hinaus. Nirgendwo ein Lichtschimmer, in allen anderen Zimmern nur Dunkelheit. Auch kein Wind; Es hatte kein Wetter.

Wo war sie, dass sie hier war?

Wo war sie, dass sie dort war wo niemand war?

Nein, die Dunkelheit machte ihr keine Angst. Es war nachts, wo sind alle?

Sie stand wieder auf, ging aus ihrem Zimmer und klopfte an allen Türen.

Kurz dachte sie, dass sie durch ein Schlüsselloch Licht gesehen hatte, doch da war nichts. Und niemand antwortete.

Auch im Treppenhaus begrüßte sie nur dieselbe Dunkelheit.

Regung im Aufzugsschacht. Der Aufzug hielt hier, öffnete sich nicht und niemand stieg aus.

Sie legte sich hin. Ein Fuß auf der Treppe, ihr Kopf unter der Lampe.

Der Mond möge noch scheinen, doch wo ist der Beweis dafür? Ist er nicht auch nur diese Lampe? Ist der Mond nicht auch nur der Notausgang?

Ein Feuerlöscher neben dem Aufzug. "Inhalt: 6 Liter Löschschaum". Als wollte er sich lustig machen über sie mit dieser ordinären, doch so unwichtigen Information.

Wäre sie ein Kind, würde sie jetzt mit ihren Autos spielen. Einmal den Flur entlang, mit lauten Geräuschen, bis hinten zur zweiten Treppe. Und dann?

Dann nochmal. Denn was sonst?

Sie stand wieder auf; Blickte sich um. Und wartete.

...

...

...

Kein Spielzeugauto hier, kein Aufzug, keine Lampe, kein Löscher.

Sie hielt sich die Hände vor die Augen und lief zurück. Ob es ihr Zimmer war interessierte sie nicht.

Als sich der Schlüssel nicht drehte klopfte sie. Laut. Dann schlug sie mit flacher Hand gegen die Tür. Dann Tritte.

Die Tür gab nicht nach.

Schließlich drehte sich doch der Schlüssel, und sie fiel Arme voran auf den grauen Teppichboden. Im Zimmer war es ruhig. Ein sauber gemachtes Bett stand neben dem schwarzen Fenster. Oh wie sie es hasste!

Sie sprang aufs Bett. Sie warf alle Kissen herunter und zerriss den Bezug. Sie öffnete die Matratze und warf die Federn wild durch den Raum. Endlich! Etwas! Viel! Bewegung! Jetzt könnte sie schlafen.

Doch nein, durch ihr Fenster kam noch zu viel Dunkelheit herein. Es musste weg. Sie musste es aus der Wand reißen. Nieder mit dem nichts, nieder mit der Dunkelheit! Lasst es Scherben regnen!

Ihr Fuß blutete. Mehrmals trat sie gegen das Fenster, bis es nachgab. Da war er, der Scherbenregen. Auf der gesamten Fensterbank glitzerte es. Endlich Licht!

Oh was war das für ein Gefühl. Sie wollte heute nicht schlafen, denn schlafen würde den Morgen bringen und was sie interessierte war das jetzt! Solange die Dunkelheit dort draußen noch so blendend hässlich war! Weg mit ihr! Weg mit dem nichts! Es muss mehr!

Sie nahm eine Hand voll Scherben und warf sie durch den Raum. Das Bild an ihrer Wand warf sie zu Boden. Gegen den nun aus der Wand stehenden Nagel hämmerte sie den kleinen Spiegel. Blutig waren ihre Hände, aber recht so! So musste das sein! Alles war besser als nichts!

Sie schleuderte die Tür gegen die Wand und sprang fast nach draußen. Ihre Nachbarstür wurde von ihr nicht verschont, mehrmals stieß sie mit dem Feuerlöscher dagegen. Auch das Notausgangsschild konnte damit von der Decke geholt werden.

Doch der Gang war lang. Es gab nicht genug um ihn zu füllen.

Sie aktivierte den Feuerlöscher...

Am anderen Ende des Ganges fand sie ihr nächstes Hassobjekt. Mehrmals schlug sie gegen die Aufzugstüren, die sich auch schließlich öffneten und ihr einen Blick in den kalten dunklen, schier unendlichen Aufzugsschacht baten. Sie stoppte.

Dort unten war... Nichts. Wie sollte sie es schaffen? Stille, ein Surren. Schritte, überall. Personen die redeten und lachten und lebten, überall und immer! Bitte! NEEEEEEIIIIIIIIN!

Ein Tropfen Blut flog seinen Weg in die Dunkelheit. Sie ließ den Feuerlöscher fallen. Unendlich lange fiel er und machte doch nie ein Geräusch. Wo war sie? Hatte die Dunkelheit gewonnen? Das nichts, war es alles? Hätte es nicht draußen bleiben können, warum war es hier drinnen? Kein Geräusch, kein Spielzeug, keine Fledermaus, nur Scherben. Auch kein Licht mehr. Sie saß sich hin, ihre Beine im Schacht. Und wartete.

...

Ihre Hand schmerzte, eine Scherbe steckte noch in ihrem Fuß. Sie ließ sich auf ihren Rücken fallen.

Sie beobachtete die Decke. Ein verlassenes Spinnennetz. Nichts. Sie konnte nicht. Die letzte Verteidigerin des Lichtes war geschlagen. Es war Viertel vor zwei.

Ob sie diese Nacht geschlafen hatte wusste man nicht, von der Stelle bewegt hatte sie sich auf jeden Fall die ganze Nacht nicht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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