Timon Kromer

Keine Sorge

Ich drücke den roten Knopf.

Es ist nicht so, als würde nichts passieren, es ist auch nicht so, als wüsste ich nicht, was passiert oder nicht passiert. Es ist eher so, als wenn ich sämtliche Informationen über die gesamte Situation besitze, doch nur in einer fremden Sprache denken kann. Ich weiß genau was passiert ist. Wer mich fragt wird trotzdem nichts wissen.

Dann drücke ich den gelben Knopf.

Es passiert nichts. Überhaupt nichts. Für eine Sekunde steht die Welt still. Ein Schauer fährt mir über den Rücken. Für eine Sekunde war die Welt tot. Und dann habe ich den Knopf losgelassen. Und dann ist mir ein Schauer über den Rücken gefahren. Es ist mehr als nichts passiert, indem überhaupt nichts passierte. Mich schüttelts noch einmal.

Als nächstes drücke ich den blauen Knopf.

Ich habe damit mein Ende besiegelt. Dieser Knopf hat mir eine Zukunft erstellt, die von jetzt an unausweichlich ist. Dadurch, dass ich diesen Knopf gedrückt habe, habe ich sämtliche Freiheiten meines Lebens verloren und den Determinismus zur einzig richtigen Weltphilosophie gemacht. Ab jetzt ist alles egal.

Grüner Knopf, offenbare mir dein Mysterium.

Ein Zauber befällt den Raum; Von fremder Macht und wahrlich wunderbar wirksam! Verständnis erfüllt mich, wie ein plötzlicher Regen ein dreckiges Fenster. „Aha“ sei meine Reaktion gewesen, als die Wirkung der Ursache sich als Konsequenzen der Folgen erwiesen. Wirklich wallende Wasser des Wissens! Nun ist die Zeit!

Ich drücke den lila Knopf.

Nichts passiert, da alles geändert wurde. Ich bin nun in einer fremden Welt, im fremden Körper. Mit fremden Erinnerungen an eine Welt, die ich nicht kenne, die mir nun aber bekannt vorkommt. Eine unbrechbare Illusion hat meinen Verstand eingenommen. Widerstand ist zwecklos. Dies ist nun meine Welt.

Ich lege den orangenen Schalter um.

in bdutndr Til mins Ghirns, mins Lbns, minr Wlt wurd zwischnzitlich ausgstzt. Doch was btrifft s mich? Ich lb noch, odr? Also hab ich mir ja kin Sorgn zu machn, odr? Bitt antwort. Odr? Bitt.  Bitt.   Bitt.    Hilf.

Ich aktivir dn wißn Schaltr.

Normalität kehrt ein. Die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte, doch immer hin ist sie wenigstens so wie sie ist. Verglichen mit allen Punkten haben wir nichts erreicht und sind von nichts abgekehrt. Hier könnte man leben. Für immer. Ein Aufenthalt wäre eine Unendlichkeit. Aus der Normalität kommt man nicht mehr raus. Es wäre ein Stopp.                Ein Ende des Fortschreitens. Die schlimmste erreichbare Stabilität.

Ich betätige den grauen Schalter.

Ich betätige den schwarzen Schalter.

Eine Maschinerie wurde in Gang gesetzt. Lautes Rattern. Überall durch den Raum ziehen sich dicke Seile. Aus einer Ecke steigt Dampf auf. Der Raum setzt sich in Bewegung. Kopf über geradeaus. Hüpfendes quer. Dem Pfad einer Biene folgend, brummt der Raum und dreht sich dabei um sich selbst. Dann ein lautetes Tuten und die Seilzüge stoppen und das Rattern stoppt und der Dampf stopft und quer hüpft nicht mehr und Kopf geradeaust nicht mehr und Biene                 stoppt. Die Maschine ist nicht mehr in Gang gesetzt.

Ich betätige den unsichtbaren Schalter.

Hä?

Ich betätige den sichtbaren Schalter.

Er erlaubt mir in meine Vergangenheit zurückzukehren und meinen Entscheidungen andere Konsequenzen folgen zu lassen. Alle Entscheidungen. Alles rückgängig. Alles anders. Ich könnte in einer Welt leben, die ich nie gekannt haben könnte. Ich könnte der Freiheit Meister werden oder sie zerschlagen. Ich könnte Größenwahn ausüben oder mich selbst unendlich klein machen. Oder

Ich betätige den grauen Schalter.

Es passiert alles genau so, wie ich es mir davor vorgestellt habe und nicht anders. Wie überraschend. Wie perfekt.

Ich betätige.

Der Raum löst sich auf. Kleine Flocken Raum zerbröseln zu immer kleineren Krümeln, die alle irgendwann in einem Lichtblitz vergehen. Ich werde geblendet und kann nichts mehr sehen. Aber warum auch? Die Gabe des Sehens hinderte mich doch auch nur am Ergreifen. Schalter haben gar keine Farbe. Wozu auch? Sie sollen geschalten, nicht gesehen werden. Und in einem Nicht-Raum braucht es auch keine Erkennung des Nicht-Raumes.

Ich.

Das Konzept löst sich auf. Sinn besteht auf der Basis einer logisch begründeten Rechtfertigung. Zeig mir die Logik und ihr Ziel. Da ich sie nicht sehe ist es sinnlos. Und alles Sinnlose ist gleich. Alles Sinnlose kann auch gleich alles nichts sein. Oder alles andere. Denn es gibt ja keinen Grund mehr zu unterscheiden in einer Welt ohne Sinn. Ich akzeptiere das Ende meines Konzeptes und bin erfreut, dass die Imperfektion selbst keine Grenze hat, dass ich auf meiner Suche nach Dem Besten nie erfahren musste, dass meine Reise vergeblich war; Das rot grün und grün blau und blau sichtbar war und es eigentlich nie Schalter gab. Ich existiere nur in der Vergangenheit. Dort existiere ich nur in einem Raum. Jetzt bin ich losgelöst. Lieber existiere ich nicht. Lieber existiere ich falsch. Lieber breche ich aus dem Schema. Keine Schalter mehr. Für dich mag es unzufriedenstellend sein, aber glaub mir, wenn ich dir sage, dass eine unergründete Welt das Schlimmste ist, was dir widerfahren könnte. Eine Welt, die noch keine Regeln kennt, in der die Anzahl möglicher Ausnahmen für fix-gedachte Regeln ins Unendliche steigt, ist nicht besser als eine leere Seite. Lass mich gehen. Drück einen Schalter und vergess‘ mich. Glaub mir, dieses Dokument ist schlimm. Depersonifiziere mich, denn ich werde jetzt gehen.

Ich drücke den roten Schalter.

Eine große Explosion.

 

Keine Sorge, keine Regeln.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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