Elle Kay
Das Leben des Herrn W. (3): Der Fünf-Sterne-Koch
Es
ist früh am Abend, W. kommt nach einem überhaupt nicht anstrengenden
Arbeitstag heim, wo seine Freundin K. auf ihn wartet. K. hat sich den
ganzen Tag die Füße wund gelaufen und wichtige Sachen erledigt. Sie ist
müde und wartet auf ihren Freund, welcher ihr am mogen sagte: "Ich
führe dich heute Abend zum Essen aus.". Doch der gelassene W. denk
nicht im Traum daran. Stattdessen schlägt er einen Spaziergang vor, zum
Aldi am anderen Ende der Stadt, denn dort könne er am günstigsten
einkaufen und K. ein wahres Festmahl zubereiten. Widerwillig nimmt K.
den weiten Fußweg auf sich um biem tragen und ausuchen zu helfen, denn
mit der Tram zu fahren, das ist doch nun wirklich viel zu teuer, sagt W.
Nach anderthalb Stunden Gewaltmarsch und peniblen Einkaufens bei Aldi sind W. und K.
wieder auf der vierten Etage angekommen und betreten die Küche. Nun
macht W. sich daran, meditativ und gelassen wie immer, das Essen
zuzubereiten.
Im 3/4Takt schneidet er die Auberginen in
mikroskopisch kleine Stückchen, kocht das Wasser im Wasserkocher vor
und gibt beide Zutaten in einen Topf, stellt dies auf den Herd und
pürriert die Auberginen mit dem Pürrierstab. Er kocht die
feinpürrierten Auberginen 4 Stunden lang, gießt die ausgekochte
Flüssigkeit ab und probiert, bis die Auberginen nach Spülwasser
schmecken. K. beobachtet das Ganze und runzelt die Stirn, W. verbietet
ihr zu intervenieren und ihm zu helfen. Nun möchte er die
geschmacksneutralen, ekligen Auberginen, die der Diarrhoe eines
Kleinkindes optisch ähneln, verfeinern. Dazu hat er die Idee: Er möchte
sie mit Kartoffelpürree aus der Tüte mischen und dies als Auflauf
zubereiten. Ohne Käse versteht sich, das ist erstens viel zu teuer und
zweitens muss K. seines Erachtens auf ihre Linie achten und Käse ist
viel zu kalorienreich! Er setzt das Pürree an. Er schneidet meditativ
die Tüte auf und gibt ihren Inhalt in eine Schüssel, faltet das leere
Plastik in zwei, in vier, in acht, ... bis es sich schlussendlich nicht
mehr falten lässt und legt es sorgfältig in den gelben Sack. Nun giest
er 2/3l Wasser aus Leitung zu dem Inhalt. Eigentlich müsste das noch
mit 1/3l Milch aufgegossen werden, aber W. meint, Milch sei viel zu
teuer und man würde den Unterschied nicht schmecken, also ersetzt er
Milch durch Olivenöl. Er rührt und rührt, gibt das Auberginendiarrhoe
hinzu und rührt noch mehr. Nach einer halben Stunde meditativen Rührens
gibt er den entstandenen Brei in die Auflaufform und stellt es für eine
Stunde in den Ofen. Jetzt ist er glücklich. Natürlich hat er auch
diesmal sein dem naturalistisches Prinzip nicht vernachlässigt: Alles
wurde ganz ohne Gewürz zubereitet.
Als das Essen fertig ist, lobt
sich der selbsternannte Gourmet-Koch W. bis zum geht nicht mehr und
richtet den gebackenen, hellbraunen Brei an. Dazu reicht er K. ein
Stück Toilettenpapier und sagt: "Servietten sind viel zu teuer! Man
kann Klopapier wunderbar bei Tisch verwenden."
Nach einem
Tischgebet, welches 10 Minuten gedauert hat, können sie nun endlich
essen. Das Essen schmeckt wie erwartet: nach einem ausgekochten
Putzlappen. K. geht sich übergeben und Herr W. ist wieder einmal sehr
zufrieden. Er hat auch heute seiner Meinung nach eine gute Tat
vollbracht: Ein Festmahl für seine Freundin gekocht. "Natürlich wird es
ihr geschmeckt haben", denkt er, egal was sie sagt. "Ihr Vomissement
sagt nichts über die Qualität des Essen aus. Im Gegenteil, sie hat
vielleicht endlich begriffen, dass sie mehr auf ihre Linie achten
müsste..."
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.02.2008.
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