Giuseppe Rinaldi

Alptraum

 
Eine Gestalt steht zitternd in einer Ecke, es ist ein Mann. Nur mit einem Schlafanzug bekleidet und mit nackten Füßen steht er da, die Arme um seinen Körper gelegt und guckt ängstlich nach allen Seiten. Er weiß nicht, wie er hier her gekommen ist, es sieht aus wie ein altes Schloss, viele lange dunkle Gänge, breite geschwungen Treppen und überall große Türen.
Da, schon wieder sieht er einen dunklen Schatten den Gang lang huschen und eiskalte Luft weht ihm ins Gesicht.
Sein Zittern verstärkt sich, er zittert nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Er weiß, das er abends in sein Bett gegangen ist und ein wenig gelesen hat, dann hat er das Licht ausgemacht und ist eingeschlafen.
Mitten in der Nacht ist er aufgewacht und war hier an diesem Ort.
Er muss was unternehmen, kann hier nicht stehen bleiben, das weiß er. Vorsichtig, um kein Geräusch zu machen, geht er den Gang entlang. 
Zwischendurch kneift er sich und es tut weh. Also schlafe ich nicht, denkt er bei sich. Ein fernes Weinen dringt durch die Gänge, ab und zu ist auch ein tiefes Lachen zu hören. Wo bin ich, denkt er und guckt sich vorsichtig um, soviel Angst habe ich ja lange nicht mehr gehabt. Auf einmal tippt ihm jemand auf die Schulter, er schrickt zusammen, ihm wird eiskalt und seine Knie werden butterweich. Scheiße, jetzt passiert es, denkt er bei sich und dreht sich langsam um. Vor ihm steht noch ein Mann, im Schlafanzug und auch barfuss, er zittert genauso wie er selber. „Sag mal, bist du echt ?“: fragt er leise. „Ja, klar und wie, sieht du nicht, wie ich zittere ?“: antwortet er.
„Gut“, sagt der andere, „hast du eine Ahnung, wo wir hier sind und was das alles soll ?“. „Nein, habe ich nicht, bin bloß abends ins Bett gegangen, eingeschlafen und schon war ich hier“. „Ich auch“ rief der zweite Mann. Plötzlich drang ein Schrei durch die Luft und darauf folgte ein tiefes Knurren. Der Schrei ging in ein Röcheln über und verstummte, nur ein leises Schmatzen war noch zu hören. „Jetzt sind wir am Arsch“ flüsterte der eine Mann, „ich hau ab von hier“, er drehte sich um und rannte den langen Gang zurück. Da öffnet sich am Ende des Ganges im Fußboden eine Tür, der Mann sah sie, schrie vor Schreck, versuchte stehen zu bleiben, schaffte es nicht und rutschte hinein. Mit einem Knall schloss sich die Falltür wieder und es war Ruhe.
Na prima, abhauen geht also nicht, dachte er bei sich und setzte sich auf den Boden.
Ich bleib hier sitzen, wenn mich jemand holen will, dann soll er zu mir kommen, und er schloss seine Augen.
Noch mehr zitternd zog er seine Beine hoch, umfasste mit den Armen seine Knie, legte seinen Kopf dazwischen und versuchte an was schönes zu denken.
Ach ja…das wäre schön, in ihren Armen zu liegen, sie zu streicheln und zu verwöhnen, dachte er bei sich, aber ob ich noch dazu komme ?
Er spürte, wie kalte Luft an seinen Beinen vorbei strich, seine Angst verstärkte sich, aber er öffnete seine Augen nicht, sondern dachte weiter an sie. Hoffentlich komme ich hier raus und ich schwöre, das ich es ihr sage, wie sehr ich sie vermisse, wie sehr ich mich nach ihr sehne, wie sehr ich sie liebe, mir ist dann scheißegal, was danach ist, ich möchte mit ihr zusammen sein, ich will sie nie mehr gehen lassen, bitte, bitte, mach, dass das hier aufhört….BITTE !!
Voller Verzweiflung fing er an zu weinen, sein Körper bebte und er kroch immer mehr in sich zusammen.
Ein lautes Geheul ertönte, er zuckte zusammen und öffnet vor Schreck seine Augen.
Was ist los, wie ist das möglich, wundert er sich und blickte sich um. Er war in seinem Bett, es ist heller Tag und durch das Fenster drang Sirenengeheul. Er guckt auf seinen Wecker, es war sieben Uhr und er stellt fest, das er feuchte Wangen hat und mit angezogenen Beinen im Bett sitzt.
Ein Traum, es war nur ein Traum, obwohl…zögert er und guckt sich seine Fußsohlen an, die waren dreckig, richtig schwarz. Mein Gott, was war das für ein Traum, seufzte er, aber ich hab mir ja was geschworen, und er griff zum Telefon.
Er wählte ihre Nummer, wischt sich dabei die restlichen Tränen aus dem Gesicht, atmet tief durch, als auf der anderen Seite des Telefons ein Klingeln ertönt und fing an zu lächeln, als er ihre Stimme hörte : “Hallo und guten Morgen Du, wie kommt es, das Du schon so früh anrufst, hast wohl schlecht geträumt ?“

Er antwortet : „Ich muss dir was beichten“ und er redet drauflos.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Giuseppe Rinaldi).
Der Beitrag wurde von Giuseppe Rinaldi auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.09.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Giuseppe Rinaldi als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Ein Kobold zu Weihnachten von Franz Spengler



Vier weihnachtliche Kurzgeschichten, teils heiter, teils nachdenklich, können auch übers Jahr gelesen werden.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Skurriles" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Giuseppe Rinaldi

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Ein normaler Morgen von Giuseppe Rinaldi (Drama)
Bayr. Konjunktiv & Grammatik von Paul Rudolf Uhl (Skurriles)
Ein Tag wie jeder andere... von Rüdiger Nazar (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen