Karl-Heinz Fricke

Meine Bergmannsjahre (zwölfter Teil)

Die technischen Berichte über die Bergarbeit sind nun beendet, aber einige humoristische Ereignise möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten, denn trotz aller Gefahren und schwerer Arbeit gab es immer wieder Momente, die zeigen, dass Bergleute auch Humor haben. Einige Begebenheiten hatte ich bereits in Gedichten beschrieben, aber in Geschichten kommen doch mehr Einzelheiten zu Wort, die nicht dem Reimzwang unterworfen sind.

An einem Sonnabend, an dem wir normalerweise nur bis zum Mittag arbeiteten, wurde ich gefragt, ob ich daran interessiert sei, am Nachmittag auf dem Werkshofeine Extraarbeit zu verrichten. Das meinte auch extra Verdienst, und ich sagte nicht nein.

Platziert zwischen den Zimmern der Verwaltung und der terrassenartigen Aufbereitung mit den vielen Fenstern, ragte ein Überbleibsel des Krieges wie eine Litfaßsäule in den Himmel. Ältere Leser werden sich sicher an die Einmannbunker erinnern, die man als Splitterschutz vor Fliegerbomben errichtete. Der Verwaltung war das ein Dorn im Auge. Der Bunker sollte von der Bildfläche verschwinden, und man traute mir jungem Hauer zu, ihn ohne großen Schaden zu verursachen, zu sprengen.

Es war ein schöner Frühlingstag, der Werkshof lag in völliger Stille, denn die Bergbeamten waren auch nach Haus gegangen, aber ganz allein waren mein Helfer und ich nicht, denn ein Steiger musste uns natürlich beaufsichtigen, was er anfangs von seinem Bürofenster aus tat. Das störte uns jedoch nicht. Während mein Helfer das Gezähe für die Bohrung heranschaffte, untersuchte ich die Struktur des Betonbunkers. Die Wand war etwa 15 cm dick, und ich begann einen Kranz von10 cm tiefen Löchern in den Beton nahe des Bodens zu bohren. Eine viertel Donarit Patrone in jedem Loch, und gut mit Lehm verschmiert, sollte bewirken, dass der Bunker nur in sich zusammenfiel. Der Steiger musste gesehen haben, dass ich die Patronen zerschnitt, denn er stand plötzlich vor uns. Wir nannten ihn ‘Schweinekopf’, weil er immer ein rotes Gesicht hatte, und die Nasenlöcher aus seiner Knollennase wie beim Schwein sein Aussehen bestimmten. Sofort begann mit seiner Kritik. Ich könne nicht wissen, daß festes Gestein leichter zu sprengen sei als Beton- und Mauerwerk. Und er befahl mir, in jedes der etwa 8 Löcher je eine volle Patrone zu stecken und mit Lehm zu verschmieren. Ich gab zu bedenken, dass die Büroräume und die vielen Fenster der Aufbereitung beträchtlichen Schaden nehmen könnten. Lässig winkte er ab und bemerkte, er würde es verantworten. Ich sagte kein Wort, sah aber in Gedanken schon die Bescherung, die ich ihm wünschte. Befehl ist Befehl. Ich entfernte den Lehm und besetzte die Löcher neu. Allerdings war Schweinekopf noch einmal zurückgekommen, um mir einen neuen Auftrag zu erteilen. Er musste wohl Bedenken bekommen haben. Um einen Splitterflug zu verhindern, verlangte er, dass wir Pfähle um den Bunker stellen und mit Stahlbändern befestigen sollten. Schließlich war auch das befohlene Werk vollbracht und aus sicherer Entfernung löste ich die Sprengung aus. Ein gewaltiger Knall zerriß die Stille des Nachmittags. Neugierig um die Ecke schauend stellten wir fest, dass vom Bunker nichts mehr zu sehen war, aber die Pfähle lagen zersplittert und verstreut auf dem Werkshof herum. Ein Pfahl, wie ein besonderer Gruß, hatte des Steigers Bürofenster samt Rahmen durchschlagen und lehnte an seinem Schreibtisch. Ein Goslarer Glaser verdiente sehr gut daran, die meisten Fenster der Aufbereitung zu reparieren. Während wir, wohl mit etwas Schadenfreude, die Katastrophe betrachteten, trat plötzlich unser Ratgeber hinzu. Er hatte jedenfalls den Mut, an den Tatort zurückzukehren. Ich wusste gar nicht, dass er religiös war. Er sagte nur: "Ach mein Gott" und ging schweigend davon.

Karl-Heinz Fricke  21.9.2010

 

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