Meike Schrut

Wenn man Notizen aufbereitet....

Normalerweise sollte man Tagebucheintragungen nicht "aufbereiten" oder verändern oder gar verfälschen. Ich habe aber feststellen dürfen, die Notizen,die ich in den Tagen vor Geburt meines Sohnes (1992), im Krankenhaus und kurze Zeit danach schrieb: das alles las sich zum Beispiel für meinen Vater nicht spannend genug?!
Mein Vater war einst für mich der strengste Kritiker überhaupt. Möglicherweise nahm mir das zwischendurch die Lust am Schreiben von Gedichten und Geschichten. Es gab da schon einmal einen Kritiker, den ich nun gar nicht ernst nehmen konnte, auch wenn er dereinst der Leiter des Kulturzentrums in Greifswald war. Ein Zentrum oder wenigstens das Büro eines Chefs stellt man sich auch nicht schäbig vor: Bausubstanz des Hauses war teilweise hinüber,ein Wunder,dass es nach der Wende einigermaßen hergerichtet werden konnte.."Die Gebrüder Grimm haben bessere Märchen geschrieben..." Klar und nun? Ich fing irgendwann an mit der Schreiberei,eben nicht,um andere Leute gleich zu beeindrucken, tastete mich langsam vorwärts und erntete sogar Heiterkeit für Geschriebenes, was mich verwunderte.(Was genau dieses Lustige war:Sorry! Evtl.das Gruselige, welches im Französischen gut gelesen wurde? Später fehlte mir aber das entsprechende Programm,um es weiter schreiben zu können.)
Lese ich nun wieder stückchenweise in den Tagebuchnotizen der Jahre 1984 bis 1990, fällt mir natürlich auf: wenig Politik bei. Es steckt höchstens zwischen den Zeilen. Ich wundere mich heute zum Beispiel, warum mir 1988 ein Schulkamerad eine Postkarte aus Köln senden konnte, ich getraute mich nämlich noch nicht, derartige Reisen zu unternehmen. Russland (damals ja noch SU), Bulgarien, Estland, mit den Eltern Skiegebiet Riesengebirge in der damaligen CSSR.(Motto:"Sprich nicht so laut,man soll nicht hören, dass wir Deutsche sind!" Kinder verstehen das nicht, aber es prägt sich ein..): das waren so Reiseziele. Skie? Wenn man als Kind immer die selben Hänge hinunterfährt, kann auch das ab irgendwann langweilig werden. Bei den Großeltern in Tangermünde (wo man unbegrenzt Westfernsehen sehen durfte, ich sah auch keine Überwachungswagen, achtete damals nicht auf so etwas) wurde es dagegen nie langweilig: ich stand spät auf,half der lieben Omi ab und zu im Haushalt, fuhr meinen Onkel im Rollstuhl spazieren (auch in Nähe Friedhof,glaube ich), sonst aber hing ich meinen Träumen und Gedanken nach,las,puzzelte,hörte Musik und las in einem alten Kinderbuch die Geschichte über die bösen Buben.
Meine Oma arbeitete mal in der Schokoladenfabrik,Opa,wie erwähnt,auch bei der Deutschen Reichsbahn als Schlosser.Ich liebte diese beiden Verwandten über alle Maßen,hoffe, sie haben das immer mitbekommen. Zeigte ich jemandem meine Zuneigung, so war das nämlich nie besonders stürmisch, ab 13.Lebensjahr war ich ein in mich gekehrtes Wesen, aus bestimmten Gründen..
Oma war so die lebhaftere von den beiden, Opi der Stillere, der sich auch oft in der sehr aufgeräumten Werkstatt "verkroch", auf dem Arm hielt er seinen Liebling: es war ein kleiner Pudel, der giftig auf Kinder los ging, man hatte ihn mal fallen gelassen, danach wuchs er nie mehr und der Hund merkte sich das..Mein Vati sogar beneidete ihn wegen dieser Ordnung. Als Kind sammelte ich alle möglichen Schrauben und Muttern ein,gab sie meinem Vati,den ich auch sehr liebte, in der Meinung, damit helfen zu können.(man vergleiche das aber bitte nicht mit der Filmfigur Spider, als junge Frau oder jetzt suche ich da nicht mehr!) Meine Mutti? Ja,die war immer da, wenn ich von der Schule nach Hause kam oder später von der Arbeit. Zwar bemühte ich mich ab irgendwann um eine eigene Wohnung, aber bekam (natürlich?) keine, es war nicht dringend! Ich sammelte die Wohnberechtigungsscheine, für die man bezahlen durfte, heute sehe ich höchstens noch auf das Datum..Genau am 10.8.1989 schrieb ich in mein Tagebuch etwas von einer Darmgrippe, die meine Mutti wohl hätte, sie vertrug seltsamerweise nicht alle Lebensmittel.Wir nahmen das wohl alle auf die leichte Schulter? Aber es sollte keine Darmgrippe sein,es wurde der Beginn von Darmkrebs, der 1994, kurz nach Weihnachten zum zu frühen Tod meiner Mutti führte. Aber der Tod kommt eigentlich immer zu früh, so - glaube ich - sagte schon das englische Medium Paul Meek? -, von daher kann man ewig trauern, aber irgendwann muß das eigene Leben weitergehen.
Die damalige DDR und eben besonders die Schulzeit: war mehr als nur Herumrennen (Schulzeit gemeint:während der Ausbildung zum Eisenbahner an der Berufsschule in Stralsund, heute ist da die Groneschule) in einem Lehrgang mit Gasmaske usw., das war in der Ferienzeit (Klasse 1 bis 10) Aufenthalt im Kinderferienlager.(hab nie mitbekommen, das mal Geldnot bestand, also muß auch das sehr günstig gewesen sein!)  Für DDR Fans besteht sie eben weiter im Herzen und sehr verwunderlich:Produkte,die sich den Anschein geben, nach den DDR Rezepten entstanden zu sein, wie Soljanka zum Beispiel: die finden wohl auch Absatz?
In diesem Zusammenhang amüsierte mich kürzlich die "Rückkehr des DDR Softeises", im Kapitalismus wird eben all das genutzt, was dazu dient, Profit zu machen, der wäre wohl dumm, wenn er als Unternehmer nicht so dächte? Die Pionier"uniform"
nun, auch das war den Kritikern,Nörglern ein "Tatsch" zuviel, aber wenn man weiß,wer da nörgelt, dann kann man getrost auch diese Kritik vergessen, ich vergesse das, weil ich weiß, was es Gutes und Schlechtes zu meiner Zeit gab. Gelogen und betrogen wurde eben zu allen Zeiten, auch damals,als Kinder eine ganz andere Uniform trugen, die der Hitlerjugend!
  Ich aß schon als Kind keine Schulspeise aus der Kantine (wenn es  so genannt wurde!), ich eilte nach Hause, wo Mutti mit dem Essen wartete, schmeckte auch immer!
Meine einstige alte Heimat hatte ihren Reiz und der besteht ja fort! Ich gestehe: ich kenne natürlich auch nicht jeden Winkel . Potsdam Babelsberg war eher so "aus Versehen", Treffpunkt all jener junger Leute,die evtl.Talent entwickeln,Schauspieler werden könnten.Ich habe nicht nur schlechte Augen, schaffte es auch nicht rechtzeitig, Kontaktlinsen in die Augen hinein zu fummeln, sondern wohl auch kein Talent.Ehrgeizig wie ein anderer Kandidat, der bereits das 7.Mal vorsprach, besaß ich auch nicht. Dieses fehlende Talent hinderte mich aber Jahre später (und eben lange nach der Wende) nicht daran, mich als Statist für den Film "die Grenze" zu melden, aus Neugierde, wie das so abläuft bei Dreharbeiten. Und: es wurde ein unvergeßliches Ereignis, jedenfalls für mich.Warum der Film "die Grenze" nicht all zu oft gesendet wird? Nun,man mag sich da gern den Inhalt bei Wikipedia durchlesen..Nur dies für Filmfans:der Bösendarsteller auch bekannt geworden als Harry Meyen, wie ich finde, Fehlbesetzung wegen des Alters, aber ich habe das ja nicht zu entscheiden.Die Darsteller der Bösen prägten sich für mich ebenso, wenn nicht noch stärker ein als die ewig Positiven! Herrn Thomas Kretschmann konnte ich leider nicht von Nahem sehen...
Der verpatzte Auftritt als Kandidat für die Film - oder Theaterhochschule spielte sich ab, als ich etwas Urlaub von der DR nahm. Kehrte zwar darauf ernüchtert in den erlernten Beruf zurück, aber nahm mir vor zu schreiben, immer weiter. Und, siehe da, jemandem gefielen meine Ausschnitte eines Drehbuchs doch ganz gut?!
Die Wende brachte Positives und Negatives für mich.Positiv war: am ILS studierte ich eben weil es Wende war und negativ wurde es ein Weilchen später (schleichend eben,nicht ruckartig wie in anderen Betrieben), als mein Job als Dispatcherin weggefallen war.
Was war doch gleich meine erste Aufgabe als Reinigungskraft? "Fegen Sie doch bitte die Spinnenweben bei den Herrenklos weg.." Tatsache! Und ähnliche Ungereimtheiten, die mich stutzig werden ließen. Das besonders Eklige und Widerwärtige lasse ich hier wegen des guten Geschmacks weg, aber prägte sich alles ein und in den Infos, die das Archiv bekommen soll, wird auch das nicht beschönigt.
Ich nahm mir in den Jahren von Beginn 1994 bis Ende November 1997 fest vor, nur für mich und mein Kind da zu sein. Ja, ich wandte selbst da Tricks und Kniffe an, es ging ja ums einfache Überleben, da es meiner Mutter immer schlechter ging und mein Vati sich voll um sie kümmern mußte, bis zu ihrem Tod, sie starb in unserer Wohnung, sicher hieß es auch da: austherapiert?! Mit dem nun nicht mehr so geliebten Expartner zog ich erneut zusammen, was sich immer mehr als Fehler herausstellte, also war dann ab 17.2.2003 endgültig Schluß für mich und das verstand hoffentlich auch mein geliebter Vater, der mich 2003 noch in meiner ersten Stralsunder Wohnung besuchte, Anfang 2004 ging leider auch er. Poetisch ausgedrückt: er geht  über die Wiesen des Osiris oder: er ging ins Licht? Das Wort Tod oder jemand stirbt: das mag ich beides nicht. Ich bewunderte als Kind auch schon die Art und Weise,wie die alten Ägypter das mit dem Tod handhabten: sie gingen einfach davon aus, das das Leben dort im Jenseits weiter gehen würde. In irgendeiner Art und Weise wird das sicher stimmen, auch wenn sogenannte Wissenschaftler da was abstreiten oder alles besser wissen müssen. Schlimm, wenn man nicht alles erklären kann, nicht wahr? Zu meinen Freunden , die sich mit dem Thema auch etwas befassen, pflege ich zu sagen:"Tod? Das wird das letzte große Geheimnis sein, auch für mich..Angst? Nein, wieso denn, vor dem Unbekannten sollte man keine Angst haben und sie auch nicht entwickeln denn sonst könnte man nie richtig leben!" Ich bitte also auch jeden Leser:genieße das Leben so, als wäre jeder Tag der letzte in diesem Leben!
Für wen ich nun alte Tagebuchnotizen überarbeite? Für das Tagebucharchiv, dort möchte man sicher keine vollständigen Namen lesen. Viel von dem, was ich erlebte, auch zwischen 2002  und 2016 liest sich dort evtl.unglaubhaft, aber sei es drum: soviel Phantasie hab ich nicht, das Leben ist da ein besserer Drehbuchautor als ich! Ein Satz sticht mir vom 23.9.1989 noch ins Auge:"Du bist nicht die einzige Fehlbesetzung in dieser Zeit!" Helga Hahnemann hatte da ihren Auftritt, war der 100.Kessel Buntes und diese Frau konnte sich mehr erlauben, als so üblich war, eben eine großartige Künstlerin gewesen....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.08.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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