Thomas Schäfer

Konditionierung

Gluck, gluck.
Es schmeckt so gut.
Gluck, gluck.
Jetzt geht's mir schon besser.
Komisch, wie meine Hand völlig selbstständig dorthin greift. Ich sollte das echt nicht machen. Schon lange nicht mehr. Ist das der Pavlovsche-Effekt?
Es war zuviel des Guten die letzte Zeit. Ich weiß das. Wirklich.
Gluck, gluck.
Schluck, schluck.
Ach scheiß drauf, ich kann ja morgen aufhören, oder übermorgen, oder nie, scheiß drauf.
Es hilft beim Denken. Denk' ich.
Hab' ich heute was gegessen? Keine Ahnung. Hunger hab' ich jedenfalls keinen.
Gluck, gluck.
Schluck, schluck.
Hab' ich heute was Sinnvolles gemacht? Keine Ahnung. Wen interessiert's?!
Gluck, gluck.
Alle. Egal. Hab' ja genug da. Hab' gut vorgesorgt. Bin ja ein schlaues Bürschchen.
Zack, zisch, gluck, gluck.
Herrlich, wie leicht man selbst dafür sorgen kann, dass es einem gut geht.
Gluck, gluck.
Wieso ist diese verdammte Flasche schon wieder alle?
Und wieso ist es hier so arschkalt? Ich hab' den kack Lüfter doch schon den ganzen Tag an. Auf Stufe Drei. Und das ist echt 'ne heiße Stufe. Da hält man's mit der Hand kaum zehn Sekunden vor'm Gebläse aus. Nur die ganz Harten schaffen das. Au. Scheisse. Was bin ich doch für ein jämmerlicher Waschlappen.
Zack, zisch, gluck, gluck.
So, jetzt aber. Au. Mist. Verdammig nochmal. Scheiß Lüfter. Dir zeig' ich's. Du Wichs-Lüfter.
Ah, so is besser. Hätt'ste wohl nicht gedacht, dass ich dich gegen die Wand trete? Tjo. Außerdem versteh' ich das Gesabbel im Fernsehen jetzt besser. Was für Idioten.
Ich glaub', ich habe doch was gegessen heute. Was war das nur? 'Ne Erdnuss oder so, egal.
Gluck, gluck.
Ah. Gut.
Man, jetzt is' aber gut hier mit der Kälte. Wieso ist der verdammte Lüfter nicht an? Und wo treibt der sich überhaupt rum?
Oh. Mist.
Das is' jetzt echt dumm.
Naja, hab' ja noch Klamotten. Stinken zwar, aber was soll's. Passen gut zu mir.
Gluck, gluck.
Super. Nu' is der Tabak auch noch alle. Scheiße.
Gluck, gluck.
Naja, ein gut gefüllter Ascher und 'ne Schere ersetzen den Tabakhändler.
Aua. Och nee. Man, wo krieg' ich jetzt bitteschön 'n Pflaster her?
Zack, zisch, gluck, gluck.
Man, tut das weh. Hmm, schmeckt garnicht mal so scheiße. Und Alk is' auch drin. Was bin ich doch für ein cleveres Bürschchen.
Saug, Saug.
Ürgs.
Gluck, gluck.
Viel besser.
Was sind'n das für Wolken? Wieso sind hier scheiß Wolken im Raum?
Und warum is' es auf einmal so bullig heiß?
Zack, zisch, gluck, gluck.
So warm sind die Klamotten doch nu' echt nich'. Man, is' das 'ne scheiß Hitze.
Gluck, gluck.
Ah, milder Saft, der du mir die innere Hitze nimmst. Danke.
Was flackert'n da? Sieht schön aus. Richtig himmlisch. Wunderschön.
Gluck, gluck.
Schade um den Lüfter. War eigentlich ein gutes Teil. Is' sein Meisterstück jetzt. Bestimmt Stufe Zehn. Also den möcht ich sehn, der da seine Hand reinhält.
Zack, zisch, gluck, gluck.
Mist, ausgerechnet jetzt hab' ich keinen Fotoapparat da. Das glaubt mir doch kein Schwein.
"Sieh mal dort, das ist der Typ, der kein Feuerzeug braucht. Der zündet sich seine Zigaretten mit der Hand an", würden sie noch Tage später über mich sagen, wenn ich über die Straße ginge.
Gluck, gluck.
Das knistert auch so lustig. Aber die Hand sieht jetzt langsam echt nicht mehr gut aus. Warum tut'n das nich' weh?
Zack, zisch, gluck, gluck.
Jetzt könnt's aber langsam mal regnen hier. Wolken sind ja genug da.
Gluck, gluck.

Oh. Schade. Jetzt fangen ihre Bilder an zu brennen. Das macht mich irgendwie traurig. Ob ihre Tränen den Brand löschen könnten?

Gluck, gluck.
Ich lösch' meinen Brand selber.
Gluck, gluck.
Was'n das für'n Gesicht da in den Wolken?
Gluck, gluck.
Zischhhhh...

"Hallo", sagt auf einmal das Gesicht.
"Wer bist'n du?, zwäng' ich raus.
"Ich bin's, Gott."
"Achso. Hallo Gott", begrüß' ich meinen alten Kumpel. "Wie geht's dir so?"
"Du machst mich traurig."
"Wieso? Hast du etwa nicht gesehen, was ich Tolles kann? Ich brauch' nie mehr ein Feuerzeug!"
"Da hast du allerdings Recht! Ist dir klar, wo du bist?"
"Nö. Aber kann ja nicht das Schlechteste sein. Du bist ja auch hier."
"Du begreifst auch wirklich garnichts. Du bist bei mir! Wieder."
"Aha", denke ich, was immer er mir damit sagen will.
"Kennst du irgendwen, der jemals mit mir sprach?", fährt er fort.
"Nö", antworte ich ehrlich.
"Macht dich das nicht stutzig?"
"Irgendwie schon. Jetzt wo du es sagst", beginne ich zu ahnen.
"Ich werde dich zurückschicken. Du bekommst eine weitere Chance."
"Danke Gott. Das ist echt nett von dir!"
"Jaja. Ich schicke dich in das Jahr 1997. Dort wirst du ein wunderschönes Mädchen kennenlernen. Sie wird dir ihre Liebe gestehen."
"Super", jubele ich.
"Nein. Nicht super. Schlecht! Du wirst sie zum Teufel schicken! Jag sie fort! Das ist mein Rat an dich. Mit ihm habe ich nämlich eine Wette laufen. Wir spielen Best of Five. Er liegt Zwei zu Null vorne."
"Aha", seine Absichten erscheinen mir doch etwas seltsam.
"Hör zu, es geht dabei nicht um mich. Wir haben Millionen Wetten am Laufen. Die eine macht es nicht fett. Mach es für dich. Du warst mal ein netter Kerl. Ich gebe dir die Möglichkeit, einen Fehler rückgängig zu machen. Wenn du meinen Rat nicht befolgst, sehen wir uns sehr schnell wieder."

"Ich habe mich in dich verliebt", sagt der blonde Engel.
Unsere Hände berühren sich, und ich spüre das Feuer.
Ich bin einfach unbelehrbar.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Ein tiefes Blau - Berlin von Heiger Ostertag



Während eines Berlinaufenthalts lockt eine schöne Unbekannte den Schriftsteller Alexander Veldo in die Räume einer Vernissage. Dort wird er mit einem Bild konfrontiert, das ihn völlig in den Bann schlägt. Am nächsten Morgen ist das Gemälde verschwunden. Die Suche nach dem Bild führt Veldo tief in die faszinierende und vielfältige Welt der Kunst. Im Kunstmilieu selbst begegnen ihm Anne, Julia und Antonie, drei sehr eigenwillige Frauen, mit denen bald ein verwirrendes Beziehungsspiel beginnt. Im Hintergrund des Geschehens agiert der Händler Panduli, der Veldo für seine zwielichtigen Kunstgeschäfte zu nutzen sucht. Veldo macht sich in seinem Auftrag mit Julia auf die Suche nach dem verlorenen Bild. Auf der Reise intensiviert sich das kunstvolle Spiel ihrer Verbindung. Doch bald zerstören Pandulis dunkle Geschäfte die Idylle. Julia verlässt ihn und Veldo lebt kurz mit Anne und dann mit Antonie zusammen. Eine unbestimmte Drohung lastet über den Beziehungen, vor der Veldo nach Ägypten flieht. Vergeblich, denn während einer Schiffsfahrt auf dem Nil treten ihm erneut Anne, Antonie und Julia entgegen und Veldo verliert sich mit ihnen in einer surrealen, Angst erfüllten Traumwelt, aus der er nur mit Mühen entkommt. Schließlich kehrt er mit Anne nach Deutschland zurück, aber ihre Beziehung scheitert erneut. Monate vergehen, die er mit der Verarbeitung und der Niederschrift seiner seltsamen Erlebnisse verbringt. Und eines Tages macht Veldo eine eigenartige Entdeckung.

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