Robert Berndt

Gefangen

Heutzutage sitzen viele Menschen in einem physischem Gefängnis. Eingesperrt in Mauern aus denen sie nicht ausbrechen können. In die sie sich selbst natürlich auch hineingebracht haben und vielleicht verdienen sie dieses, wer entscheidet schließlich schon über Strafe oder Gerechtigkeit? Über Gerechtigkeit? Einzig und allein sie selbst und wie ich glaube wissen die meisten von ihnen dass es gerecht ist. Über die Strafe, wie sie sie aussitzen und wie sie damit umgehen wissen wohl letztlich auch nur sie selbst bescheid, denn nur man selbst kann die Strafe für sich selbst einschätzen. Für den einen seien fünf Jahre nichts, für den anderen scheinen sie wie die Giftspritze.

Ich kann sie nachvollziehen. Mein Gefängnis nennt sich Zeit und meine Wärter hier nennen sich Gedanken. Sie sind es die mich hier festhalten, die mich nicht leben lassen wollen. Ich komme aus dem Denken nicht mehr heraus und kann nicht leben scheint es mir manchmal, weil ich es verlernt, sowie es schon Herman Hesse beschrieben hat.

Wie ich hier herein geraten bin kann ich nicht mehr sagen und ich versuche oft genug auszubrechen. Die Zeiten jedoch halten mich hier wie dickste Ketten, lassen sie mir doch gerade soviel Länge dass ich davon träumen könnte frei zu sein. Ein paar Gedanken zeigen mir jedoch meine Ketten und der Traum ist aus. Natürlich versuchte ich schon auszubrechen, aber es endete immer im selben Spiel. Ich versuche es immer noch des öfteren und sicher nicht minder oft als früher. Doch schaffe ich es nicht die Wärter zu überlisten, mein Gefängnis ist gebaut in höchster Sicherheit genau auf mich abgestimmt. Wie sieht mein Ausbruchsversuch aus? Zugegeben ich habe es noch nie weiter geschafft wie ich hier beschreiben will.

So gehe ich voll entschlossen wieder einmal auf das weit offen stehende Tor dort in der Ferne zu. Ein weiter Platz an dem an den Seiten die Wärter stehen um mich davon abzuhalten. Es kommt einer auf mich zu und sie wissen alle wie sie mich festhalten in meiner Verzweiflung.

“Warte doch! Was willst du denn von hier gehen? Du hast doch alles was du dir erträumst hier! Was wagst du diesen Schritt? Dort draussen erwartet dich das Grauen, Ungewissheit und Unbehaglichkeit. Du nennst es Freiheit? Bist du dir denn sicher was Freiheit heisst und kannst du denn überhaupt wissen dass sie dort draussen auf dich wartet?“

Unbeeindruckt gehe ich weiter, denn ich habe oft genug davon geträumt, sie gar schon erlebt, und weiss in diesem Moment noch besser bescheid als er mir zuflüstern kann.

“Aber warte! Siehe doch dort drüben. Dort steht deine Vergangenheit! Willst du sie denn zurücklassen hier an diesem Platz? Was würde sie nur ohne dich machen! Sie würde sterben wenn du dort hinaus gehst! Willst du das etwa?“

“Ach was interessieren mich alte Tage
erst sie brachten mich in diese Lage
beten um meine Gunst Stund um Stunden
gab ich sie ihnen, bleiben nur Wunden“

“Du willst wohl warten! Siehe doch dort, die Gegenwart. Immer hast du schon davon geträumt sie vollends zu geniessen. Du hast bis jetzt noch nicht gewagt sie dir einfach zu nehmen, aber wartet sie doch nur auf ein Zeichen von dir! Willst du die Gelegenheit denn auslassen? Sie steht dort, geh rüber und nehm’ sie dir, offen für dich, immer hat sie dich begehrt!“

“Ach, diese ist doch nur zu schön anzusehen
würd ich jetzt zu ihr rüber gehen
greif ich sie mir mit sanfter Zange
doch bleibt sie mir nicht allzu lange“

“Dann siehe noch dort hinüber. Dort ist die eine in der all deine Träume verborgen sind. Wie oft hast du schon von ihrer Pracht geträumt. Deine geliebte Zukunft! Allein sie ist es doch wegen der du noch den Weg weiterschreiten willst. Einzig sie erzähltest du oft nachts im Traum gibt dir in diesen Kraft. Bleib wegen ihr!“

“Ach, ich werd sie nie erreichen
gab sie mir so manche Liebeszeichen
doch wollt ich ihr meine Hand mal geben
war sie so kalt wie Winterregen“

Nach kurzem Zittern meines Körpers, dass der Wächter sehr wohl vernommen hat, richte ich mich wieder auf und erhebe meinen Kopf voller Stolz. Ich habe es wieder weiter geschafft als sie glaubten, bilde ich mir ein. Allzuoft habe ich es schon soweit geschafft und auf jedesmal wieder haben sie mir mehr Mut genommen als mir anzusehen war. Doch immer noch bin ich entschlossen weiterzugehen.

Dort am Tor haben sie jedoch die schlimmste Waffe bereitgestellt. Ein Spiegel steht dort. Dieser verdammte Spiegel! Ich darf meine Augen nicht verschliessen sonst werde ich blind in die Freiheit gehen. Von weitem sehe ich den Spiegel schon blitzen und als ich langsam näher komme sehe ich sie alle noch einmal stehen. Die allzu vermissende Vergangenheit, die begehrte Gegenwart und die erträumte Zukunft. Ich gehe weiter und als ich wiedereinmal zu nahe komme, sehe ich dort im Spiegel mich selbst. Ich betrachte mich genau und wieder erkenne ich dass ich noch nicht bereit bin und kehre um.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Robert Berndt).
Der Beitrag wurde von Robert Berndt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Robert Berndt als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Strophen und Marotten von Götz Grohmann



Dieser eigenwillige, humorvolle und originelle kleine Gedichtband stellt einen Querschnitt der Arbeiten von Götz Gohmann dar mit Gedichten für Kinder und Erwachsene zum lesen und zum singen. Die Lustigen Katzen, die auf der Ausstellung das Erscheinen der Besucher als Modenschau kommentieren, das Mäuschen vor dem leeren Schrank das singt: „Piep, piep der Speck ist weg“ oder die Nachtigall, die spielt Krähe spielt und von ihren schlimmen Beobachtungen aus der nächtlichen Großstadt erzählt, sie alle haben Ihre Marotten, die vielleicht auch manchem Leser nicht ganz unbekannt sind.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Robert Berndt

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Schlafes Bruder von Robert Berndt (Abschied)
Hochzeitstag von Martina Wiemers (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Einbrecher von Ingrid Drewing (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen