Christina Gerlach-Schweitzer

Der Pinguin

„Ich möchte laufen können wie ein Gepard, springen, wie ein Känguru, brüllen wie ein Löwe, nachts möchte ich so gut sehen können wie eine Eule und ich will so groß sein, wie eine Giraffe. Ach, wäre ich auch noch edel und schlau und gefürchtet und alles“, jammerte der kleine Pinguin. Er war untröstlich darüber, dass er so gar nichts konnte, dann  war er etwas weniger traurig, dann ging er fischen.
Lustlos schnappte er zunächst mal hier und mal da nach kleinen Fischen, langweilte sich ein wenig und fischte wieder ein bisschen. Plötzlich ein Riesenfisch! Direkt vor ihm! Zack hat er ihn im Schnabel. Der größte Fisch, den er ja gefangen hatte, der größte Fisch, den er je gesehen hatte! Der Pinguin jubelte, soweit ihm das mit vollem Schnabel möglich war, seine  Augen leuchteten, und funkelten vor Freude. Er war der größte Fischfänger aller Pinguinzeiten. Oh, der kleine Pinguin war so schrecklich stolz auf sich und er hielt den dicken Fisch, der in Todesangst um sich schlug, ganz fest.

Da hielt der Pinguin inne. Er betrachtete sich den Fisch noch einmal ganz genau, freute sich an ihm, bewunderte ihn und hatte Mitleid mit ihm. Zögernd öffnete er seinen Schnabel eine Spalt weit, sah den Fisch davonflirren und fühlte sich stolzer und glücklicher, als er sich jemals in seinem Leben gefühlt hatte.
Er wusste genau, dass niemand, gar niemand, je verstehen würde, warum ein Pinguin dem größten und dicksten Fisch, den er je gesehen hatte die Freiheit schenkt und er wusste auch, dass heute einer der glücklichsten Tage seine Lebens ist. In diesem Moment der Großzügigkeit war der kleine Pinguin  herrlicher als ein Gepard, besser als ein Känguru, stolzer als ein Löwe, hellsichtiger als eine Eule und größer als eine Giraffe.

 

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