Angie Pfeiffer

Erdbeermund - Ein ganz besonderes Tango

„Meinst du wirklich, dass es eine so gute Idee war?“
Verdrossen schaue ich meine Freundin an, die im Gegensatz zu mir strahlt.
„Stell dich bloß nicht so an. Es ist doch einfach genial hier! Schau dir mal die Typen an! Sind sie nicht himmlisch“, sie seufzt entzückt, was mich dazu bringt, die Augen zu verdrehen. Sie hat halt einen merkwürdigen Geschmack, was Männer anbetrifft. Nun, jetzt bin ich einmal hier und kann sie nicht einfach sitzen lassen. Ich schaue einmal mehr frustriert um mich. ‚Wieso bin ich nur auf die dämliche Idee gekommen, sie in dieses Lokal zu begleiten’, hadere ich weiter mit mir.

In der dämmerigen Kaschemme wird ausschließlich Tango gespielt und das von einer schmierig aussehenden Live Band. Ich komme mir vor, als würde ich mich in den Roaring Twentis befinden, bloß dass ich mich so gar nicht wild fühle, sondern eher gelangweilt. Hinzu kommt, dass die Typen hier mich allesamt an schmierige Gigolos erinnern, die es eigentlich nur in uralten Filmen gibt.
Meine Freundin stößt mir den Ellenbogen in die Rippen.
„Schau bloß mal was da für ein fan-tas- tischer Kerl hereinkommt.“ Sie sieht aus, als würde sie gleich hyperventilieren. „Der ist ziemlich oft hier. Du ahnst nicht, wen er schon alles abgeschleppt hat“, ein theatralischer Seufzer folgt. „Bloß mich schaut er nicht an ...“ Sie saugt wie wild an dem Strohhalm, der in ihrem Cocktail steckt.
Ich gucke mir den Fantastischen an. Zugegeben, er sieht nicht schlecht aus, hat etwas – na ja – animalisches an sich, das mich unruhig macht. Ich zucke betont gleichgültig mit den Schultern. „Ja, wenn man auf solche Typen steht.“
Während des nächsten Musikstücks tanzt er mit einer Person, die unmöglich gefärbte Haare hat. Diesen Rotton gibt es eigentlich gar nicht. Zudem ist die Frau schrecklich gekleidet, die großen Brüste fallen ihr fast aus dem Dekolleté. Ich erwische ich mich immer öfter dabei, wie ich den Typen beobachte und merke, dass er den Augenkontakt mit mir sucht, obwohl er seine Partnerin gekonnt über das Parkett schiebt.
‚Er kann super tanzen, bewegt sich wirklich gut zur Musik. Ob er auch gut im Bett ist?’ Ich rufe mich zur Ordnung und bemühe mich ihn nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, in dem ich mich demonstrativ umdrehe.
 Wieder bekomme ich einen Rippenstoß, dieses Mal noch fester. „Oh! Mein! Gott! Er guckt in unsere Richtung, die ganze Zeit schon. Jesus, jetzt kommt er auf uns zu. Bestimmt will er mich zum Tanzen auffordern“, stammelt meine Freundin und wird knallrot.
Neugierig drehe ich mich um.

„Tanz mit mir!“ Er lächelt, sanft und doch herausfordernd. Er weiß ganz genau was er will, nimmt meine Hand, zieht mich in seinen Arm. Er braucht dazu nur eine einzige kleine Bewegung.
Ich fühle mich plötzlich ganz eigenartig, irgendwie willenlos und schmiege mich an ihn. Er lässt mir kaum Zeit um Luft zu holen. Seine Hand liegt auf meinem verlängerten Rücken, streichelt mich sanft, führt mich zu den Klängen der Musik. 
Eigentlich mag ich den Tango nicht besonders, aber jetzt nimmt er mich gefangen. Ich lasse mich auf die Musik ein – und auf ihn. Unsere Hüften kreisen, bewegen sich im Takt. Becken berühren sich, reiben aneinander. Ich spüre seine Finger durch den Stoff meines Kleides, sie verbrennen mich fast. Die Hitze überträgt sich auf meine Lenden und ich reibe mich weiter an ihm, fühle seine Härte. Das Musikstück ist zu Ende, doch er lässt mich nicht los, führt mich in den nächsten Tanz, presst mich noch enger an sich. Ich folge allen seinen Bewegungen.
Unvermittelt bleibt er stehen, nimmt meine Hand. Ich fühle mich wie in Trance. Gemeinsam verlassen wir den Saal, suchen im stillen Einvernehmen einen ruhigen Platz. Ich zittere vor Ungeduld, lehne mich schließlich gegen eine Hauswand, kann nicht länger warten. Zu viel Stoff zwischen uns. Er schiebt die Seide meines Rockes hoch, seine Hände zittern fiebrig. Ich spüre seine drängende, harte Lust, stöhne: „Tanz mit mir!“
Seine Hände halten mich, während meine Beine ihn umklammern. Ich hebe den Schoß, kreise, gebe den Takt vor. Die Lust kribbelt unerträglich, brodelt, ergießt sich. Der Himmel explodiert.
Ich lehne mich an ihn, lecke Salz von seiner Brust. Er umfängt mich mit seinen Armen, hüllt mich einen Augenblick ein mit seiner Wärme. Doch ich weiß genau, dass dies nur ein Tanz war, der sich nicht widerholen wird.

Und eigentlich mag ich den Tango gar nicht ...

© by Angie

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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