Rainer Tiemann

Sein letzter Brief

Als ich daheim in einem Fotoalbum blätterte, das vor allem Bilder meines letzten runden Geburtstags enthielt, war natürlich auch Manfred zu sehen, der zunächst als Werbepsychologe ein sehr geschätzter Kollege und später mein Freund war. Jeder im Konzern arbeitete gern mit ihm zusammen.

Eines Tages hatte er sich jedoch entschieden, unseren Arbeitgeber zu verlassen, um dann mehrere Jahre für ein Marktforschungs-Institut in Heidelberg zu arbeiten, was viele von uns bedauerten. Dabei nahm er auch die wöchentlichen Fahrten von Düsseldorf nach Heidelberg und zurück gern in Kauf, was schließlich auch seine Frau und sein Sohn, der Medizin studierte, goutierten. In Heidelberg lebte er während der Woche in einem kleinen, aber feinen Apartment.

Wir waren so verblieben, dass wir uns regelmäßig ein- oder zweimal jährlich bei gutem Wetter auf der Düsseldorfer Königsallee treffen sollten, um immer direkt im Gesräch zu bleiben. Von sozialen Medien, wie facebook oder WhatsApp hielt er nicht viel. Auch Telefonate fand er wenig zielführend. Jedes Wochenende war eh für seine Familie reserviert.

An einem schönen April-Tag ergriff ich telefonisch die Initiative, um mit ihm an der Düsseldorfer "Kö" einen Termin zu vereinbaren. Direkt hatte ich seine reizende Frau am Apparat, mit der ich einige Worte wechselte, um danach mit Manfred den Termin zu fixieren. Doch dann der große Schock - Manfred lebte nicht mehr! Er war, als starker Raucher, kurz vor Weihnachten letzten Jahres an Lungenkrebs gestorben und im engsten Familienkreis beigesetzt worden.

Außer "Herzliches Beileid" fiel mir in dem Moment nicht mehr viel ein. So tief hatte mich diese Nachricht getroffen.

Dann erinnerte ich mich, dass ich noch einen schönen Brief von ihm besaß, den er mir nach der Hochzeit meiner Tochter geschrieben hatte, die er seit langem gut kannte. Ich las Manfreds letzten Brief, der vielleicht aufzeigt, wie sehr wir uns verbunden waren.

Viele seiner Gedanken lasse ich bewusst fort, denke jedoch, dass der Tenor seiner Gedanken gut aufzeigt, wie human und liebevoll er mit Menschen und Freunden umging:

Lieber Freund,

ich möchte mich für die schönen Stunden mit dir auf der "Kö" noch einmal herzlich bedanken. Du bist ein charmanter, eloquenter und amüsanter Unterhalter. Und du siehst noch immer prima aus.

Das verdankst du sicher auch der Zuneigung und emotionalen Pflege deiner beiden schönen Frauen. Eine davon hat dich jetzt sogar in die feinen Kreise der Yachtbesitzer gebracht, wow!

Das Beste für Väter (und Mütter) ist ja, wenn die Kinder wohlgeraten, erfolgreich und tüchtig sind. Und wenn sie dann noch - wie deine Tochter - hinreißend aussehen und einen tollen Mann finden, dann hast du quasi einen Sechser im Lebenslotto gewonnen.

Einen herzlichen Gruß auch an deine liebe Frau,

dein Manfred


Nachdem ich seinen Brief mehrfach gelesen hatte, wurde mir erneut bewusst, wie wertvoll der Mensch war, der mich eine wichtige, interessante Zeit meines Lebens begleitet hatte.

RT 2021

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.07.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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