Iris Kölbl

Straßenrand

Wenn man nach Jahren auf sein Leben zurückschaut und feststellt, dass man in Wahrheit nichts geleistet hat was einen in den Gedanken Anderer verhaftet. Dieses Gefühl von einem unzureichenden Selbst, dass einen nachts wachhält. Die Gedanken kreisen stundenlang um belanglose Einbildungen. Es ist nicht die Realität, fühlt sich aber so an. Man kann lachen, Spaß haben und mit Freunden ausgehen aber, wenn man am Abend alleine im Zimmer sitzt und einen dieser Schwall voller Empfindslosigkeit erschlägt, ist es so als würde man in einer leeren Hülle feststecken.

Dieses Gefühl erdrückt einen regelrecht und man glaubt zu ersticken. Plötzlich lässt der Druck nach und man findet sich selbst im Stillen sitzen und ins Nichts starren. Das Leben, welches man bisher gelebt hat ist nichts mehr Wert und man wäre am liebsten Tod. Doch der Mut um diesen Schritt zu gehen fehlt und man stellt sich Szenarien von Autounfällen, Auftragsmördern, Naturkatastrophen und Krankheiten vor, nur um nicht selbst schuld zu sein, wenn man sein Leben verliert. Es gab unzählige solcher Gedanken.

Dieser eine Baum auf der Heimfahrt, der so verlockend in der Kurve steht. Man müsste nur abgeschnallt sein und das Lenkrad gerade halten und es wäre vorbei. Schnell und einigermaßen schmerzlos. Doch im letzten Moment lenkt man ein und fährt ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren nach Hause. Man will nicht selbst schuld sein und überlegt jemanden zu beauftragen der den Mord wie einen Unfall aussehen lässt. Alles ist bis ins kleinste Detail geplant. Die Unfallstelle, der Tag, die Zeit, nur der Mörder fehlt. Die Idee wird verworfen und die Gedanken schlittern in immer unrealistische Todesszenarien. Eine Naturkatastrophe ist nicht möglich, dafür lebt man in einem zu sicheren Land und das erste Mal verflucht man genau das. Der Wunsch nach endloser Stille wird immer größer und man betet das erste Mal zu Gott. „Bitte schenke mir eine tödliche Krankheit.“ Etwas Geschmackloseres gibt es nicht. Andere leiden schmerzhafte Qualen und man selbst will sie haben. Diese Gedanken hören nicht auf und sie drehen sich immer wieder im Kopf bis man mit schrecklichen Kopfschmerzen endlich einschläft.

Der Hass auf einen selbst wird immer größer, so wie der Wunsch nach dem eigenen Tod. Eine Therapie war nie eine Option und so weiß niemand wie man sich fühlt. Wüssten sie es wäre das Leben auf eine andere Art vorbei. Der Job wäre weg, der Führerschein würde entzogen werden und man landet in der Psychiatrie. Mit Medikamenten betäubt zu werden um am Leben gehalten zu werden steht außer Frage. Eine Nahtoderfahrung könnte helfen. Man wird von seiner Familie und seinem Partner geliebt und dennoch will man nicht hier sein.

Man lebt, aber ist nicht präsent. Der Körper trägt den müden Geist durch die Welt und das einzige das bleibt, ist das sitzen am Straßenrand.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.08.2022. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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