Peter Kröger

Rosa

 

 

 

Gott hab ihn selig, den alten Matt, dachte ich manchmal. Dabei hatte ich ihn nie gesehen.

 

Was ich von Matt wusste, wusste ich von Tante Rosa. Als Zaungast des Lebens sah er sich, und Rosa gefiel dieses Bild. Sie wollte Matt und diesen Zaungast, und Matt sagte nicht nein.

„Stell dir vor, Freddie,“ sagte sie eines Tages, als ich sie im Heim besuchte, viele Jahre nach Matts Tod, „er hatte ein Geheimnis.“

„ Ein Geheimnis?“, fragte ich ungläubig, „Er?“

„Warum nicht? Jeder hat ein Geheimnis. Er war kein unbeschriebenes Blatt.“

„Und?“

„Kinder. Er hatte Kinder. Vier.“

„Vier Kinder? Grundgütiger Gott. Davon war nie die Rede.“

„Ich sage ja: Ein Geheimnis.“

„Nicht schlecht. Wie hast du es erfahren?“

„Klara sagte es mir.“

„Klara aus Kiel? Du hast von ihr erzählt. Deine Freundin aus alten Tagen. Wie kommt es, dass – Ist sie - ?“

 

Ich war völlig aus dem Häuschen.

 

„Also, Freddie, Matt hatte vier Kinder, reicht dir das nicht?“

„Was ist mit Klara? Wollte Matt nicht …?“

„Doch. Matt wollte. Aber Klara wollte nicht.“

„Und Matt?“

„Durfte sie machen. Ich meine, die Kinder. Sonst nichts.“

„Sie wollte sie ..“

„Für sich allein. Nur für sich allein.“

„Sie wurde deine Freundin.“

„Matt hat es arrangiert. Um seine Kinder heranwachsen zu sehen. Sie haben sich übrigens prächtig entwickelt. Du kennst sie aus meinen Erzählungen. Damals war ich selbst ahnungslos. Da staunst du, was?“

 

Ich gehöre nicht zu den grüblerischen Menschen, aber diese Geschichte gab mir zu denken. Verrückt, dachte ich, völlig verrückt. Vier Kinder. Matt hatte Pech gehabt. Oder Glück. Ganz wie man wollte.

 

„Ich will nicht nerven,“ sagte ich nach einer Weile, „aber was bewegt eine Frau wie Klara - ''

„ … sie starb letzten Monat ...“

„Wirklich? Das tut mir leid. Also warum verlangt sie von Matt, ich meine …. warum will sie ...“

„Darauf gibt es zwei mögliche Antworten.“

„Zwei gleich? Nicht möglich.“

Tante Rosa lächelte verschmitzt.

„Willst du sie hören? Erste Möglichkeit: Klara schwieg sich darüber aus. Es blieb ihr Geheimnis.“

 

„Und die zweite?“

Ich klang verärgert, und um die Wahrheit zu sagen: ich war es.

Tante Rosa blieb unbeeindruckt.

 

„Die zweite Möglichkeit: Sie hat es mir gesagt. Dann bleibt es mein Geheimnis.“

 

Entgeistert nahm ich sie ins Visier und bemerkte ihre schönen, alten Augen. Sie tätschelte meine Wange und sah aus dem Fenster. Bevor ich die Tür hinter mir schloss, schaute ich zurück.

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