Irene Rabenbauer

Aussie außer Rand und Band

Aussie außer Rand und Band

Ein wunderbarer Tag im August erwachte. Spontan entschieden mein Mann und ich mit unseren beiden Cavalieren einen Waldspaziergang entlang eines Wanderwegs rund um unseren Heimatort zu unternehmen. Unsere Cavalier-King-Charles-Spaniels, stets angeleint, hatten viel Freude, schnupperten nach Herzenslust und balgten sich übermütig im Haselbach. Unsere Runde führte uns waldauswärts zurück zu unserem Wohnort.

Kurz nachdem wir den Wald verlassen hatten, erspäte ich ein uns entgegenkommendes Mensch-Hund-Gespann. Schon von weitem erkannte ich den Australian Sheperd und seine dorfbekannte Halterin. Sofort begannen meine Alarmglocken zu läuten. Der Hund war zwar angeleint und alles war noch entspannt, aber da es schon des Öfteren zu unschönen Begegnungen mit der Dame und ihrem Hund kam, beschlossen mein Mann und ich an einer Weggabelung auszuweichen. Wir wollten in angemessenem Abstand abwarten, bis das Aussiegespann vorbei war. Direkt außer Sichtweite des Aussies zu gelangen war uns leider nicht mehr möglich, dazu war der Abstand schon zu gering und die nächste Baumgruppe zu weit entfernt.

Die Aussiehalterin hatte natürlich nicht begriffen, dass wir extra wegen ihr ausgewichen sind und schlenderte weiter gemächlich mit ihrem Hund dahin. Nach Erreichen der Wegbiegung hatte der Aussie also ausreichend Zeit, uns zu entdecken. Unverzüglich fing er an zu bellen und unsere beiden stimmten natürlich ein. Erst jetzt besann sich seine Halterin darauf, eine schnellere Gangart einzulegen und ihren Aussie aus der brenzligen Situation zu ziehen. Tatsächlich waren die beiden kurz hinter einer Baumreihe aus unserem Blickfeld verschwunden und ich atmete tief durch, denn eine größere Eskalation schien vermieden zu sein.

Plötzlich vernahm ich die grelle Schreistimme der Hundehalterin und schon sah ich den Aussie auf uns losstürmen. Einmal mehr hatte er sich losgerissen. Ratzfatz schoss er knurrend auf meinen Charly zu. Charly entwickelte seit einem unangenehmen Zusammentreffen mit einem freilaufenden Hund leider extreme Angst bei Hundebegegnungen und zog seither sowohl angeleinte als auch freilaufende Hunde magisch an. Es war wie im Menschenreich: Einmal Opfer, immer Opfer.

Verzweifelt versuchte ich mit Händen, Füßen und durch lautes Schreien den Aussie wegzuscheuchen, aber selbst meine fliegende Wasserflasche beeindruckte ihn nicht. Es begann ein für mich schier endloser Kampf. Hinter mir mein Charly, vor oder neben mir der aufgedrehte Aussie. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf. Einerseits wollte ich mich schützend vor meinen Charly stellen, andererseits gelang es mir nicht, den Aussie auch nur annähernd außerhalb der Reichweite meines Hundes zu halten.

Während mein Mann und ich damit beschäftigt waren, den fremden Hund von uns und unseren Hunden fernzuhalten, stand die Halterin wie versteinert oben am Wegesrand und hielt Maulaffen feil. Erbost schrie ich ihr zu, dass sie sich gefälligst bewegen solle, um ihren Hund zu holen. Sie warf mir einen fragenden Blick zu und entgegnete „Der macht ja nix!“. Unbestritten gelten diese vier Worte aus dem Mund eines Hundehalters als nette Umschreibung für „Der hört ja eh nicht auf mich!“, was wiederum bedeutet, der Hundehalter ist überfordert und sein Hund nicht abrufbar. Für mich waren die vier Worte in diesem Moment der blanke Hohn.

Nach einer gefühlt endlos langen Zeit setzte sie sich endlich in Bewegung. Ihre vergeblichen Versuche, ihren Hund zu bändigen, wurden begleitet von ihrem lauten Gezeter. Der schrille Ton ihrer Stimme klingt mir noch jetzt in den Ohren. Sie schrie und fuchtelte ratlos mit dem Armen, aber ihr Hund war weiterhin außer Rand und Band. Zwischendrin rief sie immer wieder „Der macht doch nix, der macht doch nix!!“. Aber ganz ehrlich, wenn ich das hätte wissen wollen, hätte ich die unfähige Hundehalterin danach gefragt.

Was tut man aber nun in dieser Situation? Ruhe bewahren, vom eigenen Hund ein „Sitz“ fordern, den eigenen Hund möglichst hinter sich positionieren, eine aufrechte Körperhaltung einnehmen, zum fremden Hund mit sicherem Gefühl Kontakt aufnehmen. Ja, in der Theorie hatte ich das so gelernt. Nein, in der Praxis, also in der aktuellen Situation, gelang es mir absolut nicht, diese Infos abzurufen, geschweige denn sie auch nur ansatzweise umzusetzen.

Mein Adrenalinspiegel stieg ins Unermessliche. Zur Angst um meinen Charly gesellte sich schließlich auch noch die Furcht, selbst zu stürzen und mich zu verletzen, denn ich spürte mittlerweile, wie sich Charlys Leine, der immer wieder hinter mir Schutz suchte, langsam um meine Beine schlang.

Nach geraumer Zeit gelang es meinem Mann, der zugegebenermaßen der Besonnenste in der Runde war, die Leine des Aussies zu greifen, ihn zu stoppen und somit die Situation zu deeskalieren. Ich hingegen war mittlerweile so aufgebracht über das Unvermögen der anderen Hundehalterin, dass ich mich nur schwer beherrschen konnte, um ihr nicht ordentlich die Leviten zu lesen.

„Du gehörst angezeigt!!“ konnte ich mir jedoch nicht verkneifen. Laut äußerte ich meinen Zorn, während wir den Rückweg antraten. Voller Wut schrie ich der Aussiehalterin noch zu, dass sie dringend den Hundeführerschein machen sollte. Spätestens an dieser Stelle hätte ich von der Aussiehalterin erwartet, dass sie ihr Fehlverhalten einsieht und sich entschuldigt. Doch weit gefehlt! Jetzt drehte sie erst richtig auf, sie gab pausenlos unverständliches Gestammel von sich. Obwohl wir uns mittlerweile von ihr weg bewegten in Richtung Dorf und sie nur noch schemenhaft von weitem erkennbar war, schrie sie unaufhörlich Zeter und Mordio. Wie weit ins Dorfinnere ihr Geplärr zu hören waren, vermag ich mir gar nicht vorzustellen.

Ende gut, alles gut, meine beiden geliebten Cavaliere blieben glücklicherweise körperlich unversehrt. Für die beiden ist das Vorkommnis eine schlechte Erfahrung mehr in ihrem ansonsten unbeschwerten Hundeleben. Mir wird der Vorfall jedoch wieder lange zu schaffen machen, die Angst um meine Hunde und unsere Unversehrtheit haben sich tief in meinem Gedächtnis verankert, zumal genau wegen dieser Dame und ihrem Aussie mein Mann während einer ähnlichen Situation gestürzt ist. Glücklicherweise blieb er dabei unverletzt. Von einer Anzeige hatte er damals abgesehen, zumal er auch allein mit unseren Hunden unterwegs war und keine Zeugen vorhanden waren. Es gibt leider keine Garantie dafür, dass es nicht zu Vorfällen kommt, wie wir ihn heute zum wiederholten Mal mit dem gleichen Hund erlebt haben. Mir ist das Verhalten der Hundehalterin unbegreiflich und ich finde es fatal und erschreckend, dass die Aussiehalterin nichts dazulernt.

© Text und Foto August 2023 Irene Rabenbauer

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.08.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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