Thomas-Otto Heiden

Freitags ist der beste Tag zum Sterben...





(Eine Ticks-Geschichte)

 

Freitags ist der beste Tag zum Sterben wenn man ab dann Urlaub hat

 

Alles war vorbereitet. Der Kuchen war gebacken die Sahne geschlagen. Die Kühlbox dafür, stand auch schon bereit. Der Picknickkorb gefüllt mit bunten Papptellern, Bechern, Plastikbesteck und Servietten die sogar aus Stoff waren stand auch bereit. Jetzt musste sie alles nur noch sicher erst ins Auto, und dann ins Büro bringen. Doch das sollte kein Problem darstellen. Dachte sie zumindest. Nachdem sie die Notizen auf ihrem Spickzettel noch einmal Punkt für Punkt durch gegangen war, und hinter alles einen Haken machen konnte, machte sie sich langsam auf den Weg zum Aufzug, der sie in die Tiefgarage bringen sollte. Den Hausflur schon zur Hälfte durchquert, da drehte sie plötzlich wieder um. Rannte wie in Panik zurück zu ihrer Wohnungstür. Hastig schloss sie die Türe zu ihrer Wohnung auf, die sie kurz zuvor, vier Mal auf und zu geschlossen hatte, um sich sicher zu sein, dass sie auch wirklich zu ist. Bevor sie sich auf den Weg zum Aufzug gemacht hatte. Dann trat sie ein. Ihre Augen mussten sich erst an den dunklen Flur, in den sie nun trat, gewöhnen. Denn das Licht im Treppenhaus war dummerweise gerade aus gegangen. Etwas unsanft ließ sie die Kühlbox in dem Kuchen und Sahne waren, und den Picknickkorb auf das Sofa im Flur ihrer Wohnung purzeln. Doch da hatte sie jetzt keinen Sinn für. Das Handy aus der Manteltasche geholt diente ihr als Lichtquelle. Ihr Weg den sie nun machte, führte sie durch ihre ganze Wohnung. Durch jedes einzelne Zimmer. Und sie hatte, wenn man mal das Bad und die Küche raus nahm, nur zwei davon. Und obwohl sie schon viel zu spät dran war, ließ sie sich die Zeit, die sie meinte zu brauchen. Nun kontrollierte sie jede Lampe, jedes elektrische Gerät, und alles andere das Strom benötigte danach, ob es auch wirklich ausgeschaltet, und der Stecker ausgestöpselt war. Dann schaute sie noch im Sicherungskasten nach, ob auch die Sicherungen aus wären. Sie konnte hinter alles einen Haken machen. Alle Wasserhähne waren auch zu, und der Hauptwasserhahn auch. Die Stöpsel steckten alle im Abfluss. Zu guter Letzt, kontrollierte sie noch die Fenster. Sie waren alle zu! Die Fenstergriffe abgeschlossen, und die Jalousien unten. Sie war erleichter. Hastig verließ sie nun zum zweiten Mal die Wohnung. Doch als sie schon im Aufzug stand, und sich die Türen gerade zu schließen begannen, steckte sie schnell einen Fuß zwischen die Türen. Die Türen öffneten sich wieder. Wie von Sinnen, mit all ihrem Zeug das sie bei sich trug, rannte sie zurück zu ihrer Wohnung. Und das Spiel ging von vorne los. Das machte sie noch vier Mal, bevor sie schließlich mit dem Aufzug die Tiefgarage erreicht hatte. Als sie dann im Auto saß, sah sie auf der Uhr im Armaturenbret, dass sie nun wirklich viel zu spät dran war. Jetzt konnte sie nur noch hoffen dass sie gut durch den Verkehr kommen würde. Sie kreuzte die Finger und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Dann fuhr sie los. Regen prasselte aufs Autodach und die Scheibe, als sie die Tiefgarage verließ. Da wär sie fast wieder umgedreht. Sie haste es bei Regen Auto fahren zu müssen. Doch sie sprach sich selber Mut zu. „Du schaffst das Steffi“ „Du schaffst das.“ Sie widerholte es immer wieder, und ohne es richtig gemerkt zu haben, stand sie plötzlich vor dem Bürohaus in dem sie arbeitete. Sie war erleichtert. Oben im Büro standen die Kollegen an den Fenstern und schauten nach unten auf den Parkplatz. Sie kommt Leute! Stellt euch auf. Rief einer. Steffi bekam davon nichts mit. Denn immer wenn sie das Auto abgeschlossen hatte und los gegangen war, ging sie auf halber Strecke wieder zurück. Kontrollierte noch einmal ob das Auto auch wirklich zu sei. Dann endlich betrat sie das Bürohaus. Die Kollegen oben standen jetzt schon zehn Minuten wie die Statuen da. Doch sie kannten das. Sie wussten dass Steffi einen Tick hat. So nannten sie es jedenfalls. Als Steffi endlich ins Büro trat, riefen alle, „ÜBERRASCHUNG“. Fast hätte Steffi die Kühlbox und den Picknickkorb fallen lassen, so erschrak sie sich, denn sie haste Überraschungen. Die passten nicht in ihr Lebenskonzept. Die ganze Anspannung fiel nun langsam von ihr ab. Jetzt war und fühlte sie sich wieder einiger Maßen Sicher. Im Kreise ihrer Kollegen feierte sie wären der Arbeit ihren dreißigsten Geburtstag. Es waren sehr schöne Stunden. Der mitgebrachte Kuchen mit Sahne, den hatte sie am Abend zuvor selber gebacken hatte, kam gut an. Natürlich war es eine Fertigbackmischung. Da konnte nämlich nichts schief gehen. Außer vielleicht, das er im Ofen verbrannte. Die Sahne morgens aufgeschlagen, natürlich mit Sahnesteif. Zur Sicherheit. Ihre Sorge war jetzt nur, das nicht genug da war für alle. Doch es reichte für alle. Das Geschenk das die Kollegen für sie gekauft hatten, „Ein Terminplaner“. freute sie sehr. Damit konnte sie sich so richtig austoben. Für jeden einzelnen Tag im neuen Jahr, gab es eine ganze Seite. Und das Jahr hatte ja gerade erst angefangen, Ihr Geburtstag am zweiten Januar. Der Feierabend kam, die Party war vorbei und auch der letzte Arbeitstag bevor Steffi ihren Urlaub antrat, ging damit vorbei. Doch je näher der Feierabend kam, desto nervöser wurde sie. Sie hatte große Mühe damit, es vor den Kollegen zu verbergen. Schließlich verließen alle das Büro, wollten sie doch zusammen noch in ein Restaurant. Nur Steffi wollte nicht so Recht. Sie ging ja nie raus zum Essen. Jede Menge Einwände mit denen sie ankam, wurden von ihren Kollegen höflich aus der Welt geschafft. Schließlich willigte sie ein. Dann saßen sie in einem italienischen Restaurant. Noch einmal wurde Happy Birthday gesungen und dann gab´s Applaus und es wurde mit alkoholfreiem Sekt angestoßen. Dann wurde gegessen. Im Hintergrund des Raums, stand auf einer kleinen Bühne, ein Klavier, jemand spielte darauf, und es erklang der Gesang einer Frau. Doch Steffie saß mit dem Rücken zu ihr, und konnte sie deswegen erst einmal nicht sehen. Erst als sie das Restaurant am späten Abend verließ, sah sie, „Sie“ Nach drei Stunden war der Abend vorbei. Jetzt fuhr jeder nach Hause. Auch Steffi. Eine halbe Stunde später stand sie auf ihrem Stellplatz in der Tiefgarage ihres Wohnhauses. Es war ein Frauenparkplatz. Und das war gut so. Dort musste sie sich erst einmal sammeln. Direkt vor, und zugleich über ihrem Auto, flackerte eine Neonröhre. Das Geräusch das sie dabei machte, war sogar durch die geschlossenen Fenster und die Autotüren zu hören, und es machte sie kirre. Am liebsten hätte sie die Röhre jetzt sofort ausgetauscht. Doch wie? Warum passier so etwas immer nur mir, fragte sie sich. Warum nur? Gerade als sie austgestiegen war, ging vor ihr, das große Garagentor auf. Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Sprang zurück ins Auto, und dann zog sie die Sonnenblende runter, denn sie wollte nicht gesehen werden. Weil, sie fürchtete sich vor dem der da kam. War sie doch alleine in der Tiefgarage. Die Neonröhre über ihrem Auto zudem  kaputt. Gab es ja kein Licht. Sie fürchtete sich selbst dann wenn sie, genau wie „Sie“ im selben Haus lebten. Was hatte sie auch mit ihnen zu schaffen? Nichts! Und so sollte es auch bleiben. Jetzt muss ich warten bis der auch noch mit dem Aufzug hoch gefahren ist, ging es ihr durch den Kopf. Das gefiel ihr überhaupt nicht. Nicht weit von ihr parkte das Auto. Kurz nachdem eine Autotür zugeschlagen wurde, hörte sie Schritte. Sie klangen wie die von den Schuhen einer Frau. Steffi wurde nun erst Recht misstrauisch. Denn das Auto das sie gesehen hatte, gehörte einem Mann der auch im Haus wohnte. Soviel wusste sie, das hatte sie, trotz der Scheinwerfer die sie geblendet haben, erkennen können. Dann endlich sah sie die Person. Es war tatsächlich eine Frau. Eine große schlanke Frau in Abendkleid mit hochhackigen Schuhen. Ihre langen blonden bis über die Schultern gehenden Haare schwangen bei jedem Schritt auf und ab. Dann strich sich die Frau mit den Fingern durch die Haare und zog sie sich vom Kopf, Blieb dann abrupt stehen, zog schließlich auch noch ihre Schuhe aus, und ging Barfuß weiter. Steffi sah mit Erstaunen das es doch der Mann war dem das Auto gehörte. Der ist ne Transe, schwirrte es in ihrem Kopf umher. Den Mund weit offen konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Der ist ne Transe, wiederholte sie. Diesmal laut. Wer hätte das gedacht? Die flackernde Neonröhre über ihr, hatte mittlerweile ganz den Geist aufgegeben. Das Garagentor war auch schon wieder zu. So lag ihr Parkplatz nun in völlige Dunkelheit gehüllt. Wäre das Tor noch offen gewesen, hätte wenigstens etwas Licht von den Laternen draußen, rein gekommen können. Doch das Tor war zu. Das passte ihr überhaupt nicht. Es war schließlich ein Frauenparkplatz. Der muss hell sein! Schrie sie. Ihre Hand schlug auf das Lenkrad, Hell rief sie. Hell muss mein Parkplatz sein. Hell verdammt noch einmal. Der Mann in Frauenkleidern war längst in Richtung Treppenhaus abgebogen. Die Tür dorthin wurde geöffnet, und für einen kurzen Moment drang etwas Licht in die Garage. Steffis Blick fiel jetzt in den Rückspiegel. Sie sah sich an, sah ihre braunen lockigen Haare. Die Nickelbrille auf ihrer Stubsnase mit den Sommersprossen. Die vollen roten Lippen. Sie schaute sich alles genau an und fragte sich dann selbst, „Wer bist du?“ „Wer zum Teufel bist du, Steffi Kissel?“ Sie hatte keine Antwort parat. Denn das stand nicht in ihrem Planer. Gut da stand ihr Name und ihre Adresse drin. Ihr Geburtsdatum, ihre Telefonnummer und Mailadresse. Aber das war´s auch schon. Doch wer war sie! Sie wusste keine Antwort. Hastig sprang sie aus ihrem Auto. Schloss es ab. Und ohne die Kühlbox und den Picknickkorb aus dem Kofferraum geholt zu haben, rannte sie wie von Sinnen zum Aufzug. Mehrfach drückte sie hintereinader wie von Sinnen auf den Knopf. Dann noch einmal, und noch einmal. Schließlich entschied sie sich dazu, die Treppe zu nehmen. Noch nie hatte sie zuvor die Treppe genommen. Noch nie! Eiligst rannte sie die Stufen hoch in die erste Etage. Dann durch den Hausflur. Ein Hauch von Chanel Nr.5 lag in der Luft. Dann stand sie auch schon vor ihrer Wohnungstür. Sie schloss sie auf, ging rein und schlug hinter sich die Türe mit einem lauten Knall zu. Auch das hatte sie noch nie in ihrem Leben gemacht. Sie wollte ja nicht noch mehr Auffallen, als sie es eh schon tat. Jetzt stand sie in ihrer völlig dunklen Wohnung. Den Lichtschalter suchend, tastete sie die Wand ab. Als sie ihn gefunden hatte und er nicht funktionierte schrie sie ein lautes „SCHEISSE“ heraus. Dann liefen ihr Tränen die Wangen hinunter und sie begann hemmungslos zu weinen, ehe sie an der Wand hinter ihr, runter rutschte, und den Boden erreicht hatte. Ihr war völlig entfallen dass der Schalter nicht funktioniert. Kein Schalter in ihrer Wohnung würde funktionieren. Das wurde ihr da schmerzhaft bewusst. Das Handy in die Hand genommen und eingeschaltet, öffnete sie den Sicherungskasten der gleich über ihr war, nachdem sie aufgestanden war. Klick, - Klick, - Klick, machte es. Eine um die andere Sicherung, wurde eingeschaltet solange bis sie alle oben waren. Danach ging sie durch jedes Zimmer und machte die Lichter an. Stöpselte überall die Stecker in die Steckdosen, schaltete das Radio an, den Fernseher, den PC. Noch immer liefen ihr Tränen die Wangen runter, als sie sich in Mitten des Raumes auf den Boden setzte. Doch kaum das sie gesessen hatte, sprang sie wieder hoch. Drückte auf die Schalter für die Jalousien, und riss alle Fenster auf, damit frische Luft in die Wohnung strömen konnte. Sie war es so satt. Viel zu lange hatte sie sich selbst eingeschränkt, hatte sich versteckt vor der Welt und dem Leben. Die Januarluft die nun in die Wohnung strömte, war recht kühl, und es war ja auch schon sehr spät gewesen. Aber das war ihr egal. Sie saugte sie in sich hinein, als wäre es das letzte Mal in ihrem Leben, da sie einen tiefen Atemzug tat, um ihre Lungen noch einmal mit Leben zu füllen. Dann trat sie raus auf den Balkon. Hinter ihr im Wohnzimmer zeigte der Fernseher Werbung die mit einem Gitarrensolo begann. Sie Streckte die Arme hoch in Richtung des Himmels, und gerade als sie einen gellenden Schrei los lassen wollte, sah sie das keine Wolke heute den Sternenhimmel verdeckte und der Mond sich in voller Größe zeigte. Sie hatte es noch nie so bewusst gesehen. „Noch nie!“ Aber jetzt. Heute an ihrem Geburtstag, da sah sie es. „Ja!“ Sie sah es! Dann sprach sie plötzlich jemand behutsam von der Seite an. Und genau in diesem Moment roch sie auch wieder das Parfüm, das sie erst in der Tiefgarage und dann im Hausflur wahrgenommen hatte. Geht es dir gut? Sie richtete ihren Blick nach rechts von wo die Stimme kam, und sah neben sich auf dem Nachbarbalkon, „Die Frau“ aus der Garage, die eigentlich ein Mann war. Noch immer trug er/sie das lange Abendkleid. Im Mondlicht glitzerte es als hätte es alle Sterne eingefangen. Einen großen Cognacschwenker in der einen, und eine Zigarette in der anderen Hand stand sie/er da. Während sie/er an der Zigarette zog und den Rauch tief einatmete, wurde der Cognacschwenker schwungvoll aber mit Bedacht, im Kreis geschwenkt. Dann blies er/sie den Rauch raus in die klare kalte Januarnacht, und nahm einen großen Schluck vom Cognac. Steffi sah ihn über den Brillenrand mit ihren braunen Augen an. Da hörte sie die Frage erneut. „Geht es dir gut?“ Ja, Danke. Es geht mir gut. Sehr gut sogar. Erstaunlich gut. Ja! Es geht mir gut. Stotterte sie. Das Lächeln das sie dann sah, streichelte ihre Seele. Das ist gut, dass es dir gut geht, ich hab mir nämlich schon Sorgen gemacht. Übrigens, ich heiße Kai. Kai Bell. Aber mein Künstlername ist, Madame Mary. Ich bin ein Travestiekünstler und Sänger zugleich. Ein Travestiekünstler, hörte sie sich selbst sagen. Ich dachte du bi… Sie beendete abrupt ihren Satz, zuckte dabei zusammen, Dann fragte sie, „Hab ich das jetzt laut gesagt?“ Ja! Das hast du. Aber keine Angst, es stört mich nicht. Das bin ich schon gewohnt. Nein?- Nein, - Nein, - Nein. Sooo hab ich das nicht gemeint, ich meine, ich wollte doch….Stammelte Steffi. Dann reichte ihr Kai, alias Madame Mary, den Cognacschwenker rüber. Hier trink das, das beruhigt dich ein wenig. Steffi griff nach dem Glas und leerte es mit einem Zug. He langsam, nicht so hastig, kam es vom Nachbarbalkon. Doch da war es schon zu spät. Der Cognac fuhr ihr sofort in den Kopf und sie musste sich setzen. Jetzt schaute sie wieder nach oben in den Sternenhimmel, sah, das funkelten, und den Mond der schon ein ganzes Stück weiter gewandert war. Zum aller ersten Mal saß sie auf einem ihrer Sonnenstühle auf dem Balkon. Und dabei schien die Sonne nicht einmal, denn es war ja finstere Nacht. Was war nur mit ihr geschehen? Sie wusste es nicht. Sehr lange noch erzählten die beiden von der einen Seite zur anderen, Kai, alias Madame Mary, war indes nur kurz rein gegangen um sich einen Morgenmantel überzustreifen. Ihr ganzes Leben erzählten sie sich gegenseitig. Bis sie schließlich beschlossen, dass es Zeit ist schlafen zu gehen. Vorher verabredeten sie sich aber noch für den Abend. Steffis erster Weg war das Badezimmer. Noch immer brannten in jedem Zimmer die Lichter! Und noch immer waren das Radio, der Fernseher und der PC an. Vor dem Waschbecken stehend, öffnete sie den Spiegelschrank. Ohne jedoch, vorher in den Spiegel geschaut zu haben. Ohne vorher den Spiegel abgewischt oder nach Spritzern gesucht zu haben, die vom Zähne putzen oder der Zahnseide sein könnten. Sie nahm das Glas mit den gesammelten Schlaftabletten heraus. Schaute es kurz an, öffnete es, und dann, ohne jede weitere Verzögerung schüttete sie den gesamten Inhalt ins Klo, und drückte auf den Knopf für die Spülung. Jetzt gab es kein „Zurück“ mehr. Ihr Schicksal war damit besiegelt. In einem Strudel aus Wasser, und dem Schaum vom ins WC-Becken gehängten WC-Stein, verschwanden die Pillen in der Kanalisation. Danach ging sie auf direktem Weg zu Bett. Ohne sich gewaschen oder die Zähne geputzt zu haben. Makeup benutzte sie eh nicht, so war auch das erledigt. Sie ließ alle Lampen an, das Radio, den Fernseher, und  sogar den PC. Wo sie sich doch sonst so vor Vieren und Trojanern fürchtete. Sie ließ sogar die Balkontür offen. Sollen die Tauben doch rein kommen wenn sie wollen. Ein Nest haben sie ja auch schon gebaut auf meinem Balkon. Was auch der Grund war, weshalb sie den Balkon nicht nutzten wollte. Sie mochte die Ratten der Lüfte nicht. Doch auf einmal war es ihr egal. Schnell schlief sie ein. Träume, wie „Sie“, sie noch nie in ihrem Leben hatte, streichelten die ganze Nacht ihr Gemüht. Sie fühlte sich endlich frei, war, ihre Ticks los wie es schien. Am Morgen als sie erwachte, schien die Sonne warm auf ihr Gesicht da die Jalousien noch immer oben waren. Die Balkontür im Wohnzimmer stand noch immer weit offen, und kühle Morgenluft zog hinein. Luft, die sie solange schon zum Atmen gebraucht hatte, und sich doch immer verweigerte. Der Kaffee den sie auf dem Balkon trank, fast direkt neben dem Taubennest in dem drei Eier lagen, und die Sonne im Gesicht gaben ihr den nötigen Schwung für den neuen Tag. Ihren ersten Urlaubstag. Sie dachte an Kai und die Verabredung am Abend. Dachte an die Feier mit ihren Kollegen, und ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht. Sie machte sich etwas zurecht, und verließ die Wohnung. Als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, zuckte sie kurz zusammen. Dann ging sie los in Richtung des Aufzugs, den sie dann aber links liegen ließ. Sie entschloss sich für das Treppenhaus. In der Tiefgarage angekommen, sah sie, dass die Neonröhre wieder zu flackern begonnen hatte, doch es störte sie nicht im Geringsten. Frauenparkplatz hin oder her. Sie konnte es nicht ändern. Es war halt so wie es war. Dann sah sie, dass, das Auto von Kai nicht auf seinem Stellplatz stand. Wo er wohl ist fragte sie sich. Kai,- ging es ihr durch den Kopf. „Madame Mary“. Wieder huschte ihr ein Lächeln übers Gesicht. Sie kannte „Dame Edna“ „Lilo Wanders“ und Mary&Gordy, aber Madame Mary kannte sie noch nicht. „Bis jetzt. “Die Kühlbox und den Picknickkorb aus dem Kofferraum geholt, schlenderte sie zurück zu ihrer Wohnung. Oben angekommen packte sie alles aus und weg. Machte sich einen Kaffee nahm sich ein Milchhörnchen aus der Tüte die im Brotkasten lag, und setzte sich auf den Balkon. Jetzt saß auch eine Taube im Nest. Unentwegt gurrte sie. Ihr Kopf bewegte sich dabei vor und zurück. Du brühtest wohl deine  Eier aus? Hast bestimmt Hunger. Hier, kannst was von meinem Hörnchen haben. Sie warf der Taube ein kleines Stück vom Hörnchen ins Nest, und sah ihr dabei zu, wie sie es Stück für Stück aufpickte. So verging langsam der erster Tag ihres Urlaubs. Abends ging sie mit Kai in ein Restaurant. Es war das Selbe, das sie mit ihren Kollegen am Abend zuvor besucht hatte. Jetzt fiel es ihr auch wieder ein. Etwas weiter hinten stand an diesem Abend ein Klavier auf einer kleinen Bühne. Neben dem Klavier eine wunderschöne Frau mit langen blonden Haaren und einem atemberaubenden Kleid das aussah, als wären Millionen kleine leuchtende Sterne darauf, die sang. War das Kai? Madame Mary? Der Kellner kam mit einer Rose in der Hand und einem Lächeln im Gesicht an den Tisch. Buonasera signorina, buon compleanno in ritardo, sagte er zu ihr, während er ihr die Rose dabei überreichte. Danach begrüßte er Kai. Guten Abend Herr Bell. Steffi wäre fast vom Stuhl gefallen hätte der Kellner nicht so schnell reagiert. Sofort verfielen alle in ein lautes Gelächter. Der Abend verging wie im Fluge, und als sie dann wieder zu Hause waren, trafen sie sich noch auf dem Balkon für einen kleinen Plausch, bevor sie schlafen gingen. Die Tauben schliefen auch schon in ihrem Nest. Nur kurz haben sie hoch geschaut, dann schliefen sie wieder ein. Noch viele Male haben die zwei seitdem Zeit miteinander verbracht. Die Taubenkinder waren längst ausgeflogen, als im Sommer des gleichen Jahres, der Kai, Steffi bat, seine Frau zu werden. Natürlich hat sie ja gesagt.

Seither leben sie zusammen, und alle die geglaubt hatten, dass Steffi eigentlich was anderes vor hatte, lagen nicht so falsch. Doch manchmal kommt es anders als gewollt und gedacht.

 

 

 

Nachwort

 

Kontrollzwänge sagt eigentlich schon alles, und wenn Menschen mit diesem Problem Leben müssen, ist es sehr schwer für sie, ein geregeltes Leben führen zu können. Meine Absicht war es in keinem Fall dieses Problem zu verniedlichen. Aber manchmal kann eine bestimmte Situation wie Absurd sie auch ist, und in die man von jetzt auf gleich gerät, einen abrupt von diesen Zwängen befreien. Wenn man es zulässt. In diesem Sinne, ich hoffe und wünsche mir für alle die in solch einer Situation stecken, dass sie die Kraft finden damit zu leben, oder sich sogar daraus zu befreien.

 

 

 

 

 

 

Thomas-Otto Heiden

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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