Thomas-Otto Heiden

Die Freiheit ruft leise seinen Namen




(Eine Agoraphobie Geschichte)



Die Freiheit ruft leise seinen Namen

 

Marcel saß wie in Trance vor seinem PC, und spielte sein Shooter-Spiel. „Land of Zombies!“ Nichts das um ihn herum geschah, nahm er wahr. Dafür hatte er keine Zeit. Sein Headset schirmte ihn zusätzlich ab. Zwei Liter Diät Cola, Zigaretten, und Knabberzeug standen bereit. Mehr brauchte es nicht. Plötzlich verspürte er den Drang aufs Klo zu müssen. Doch er hatte auch dafür keine Zeit, aber eine Lösung.
Unter dem Tisch stand eine Pinkelflasche. So eine, wie man sie im Krankenhaus nutzen muss, wenn man nicht aufstehen darf. Neben dem Schreibtisch, auf dem Boden, stapelten sich leere Pizzakartons zu Hauf. Etwas weiter daneben, leere XXL Cola-Flaschen, und leere Verpackungen seiner Leib und Magenspeise. Nicht zu vergessen, die ganzen Chips tüten, etc.
Durch die Rippen, der völlig verstaubten Jalousie am Fenster, dass von einem XXL Bildschirm fast gänzlich überdeckt wurde, drangen die ersten Lanzen der aufgehenden Sonne. Wieder hatte er die ganze Nacht gespielt. Seine Augen taten ihm weh. Zigarettenqualm-Schwaden und kleine Staubkörner die wie Diamanten glitzerten, tanzten im Scheine dieses wunderbaren, warmen Lichtes.
Doch Marcel konnte und wollte es nicht sehen. Wie gebannt schaute er auf den Bildschirm. Peng,- Peng,- Peng.
Das war es, was er über sein Headset hörte, und was ihn für alles andere Blind und Taub machte.
Peng,- Peng,- Peng. Ging es wieder, dem ein kurzes, „Ja du Sau!“ Jetzt hab ich dich, jetzt kriegst du was du verdient hast, folgte.
Nervös zuckten seine Augen hin und her. Die fettverschmierte Maus in seiner Hand, flog nur so über das Mauspad. Dann poppte ein kleines Fenster in der rechten Ecke des Bildschirms auf.
So ein Mist schrie Marcel . Warum zur Hölle jetzt? Dieser Arsch ruft immer zur falschen Zeit an. Doch ehrlich gesagt, die richtige Zeit dafür, die gab es eigentlich nie für Marcel.
Es war ein WhatsApp-Anruf von seinem Therapeuten Dr. Karl Nitsch. Marcel drückte ihn weg. „Jetzt nicht du Arsch, schrie er, ich knall gerade die Zombies ab“. „Nicht jetzt!“ Dann spielte er weiter.
Kannst dich ruhig verstecken du Dreckszombie, ich weiß wo du bist. Weiß, in welchem Loch du dich versteckt hast. Auf dem Bildschirm erschien ein Zombie der aus dem Untergrund hoch schaute, und als Marcel ihn gerade im Fadenkreutz hatte, poppte wieder das Fenster in der rechten oberen Ecke auf.
„Grrr…“ „Schon wieder?“ Wenn ich könnte wie ich wollte, würde ich dich jetzt… schrie er. Doch er drückte die Pausetaste.
Was geht Dr. Nitsch, alles senkrecht? Begrüßte er ihn.
Es geht um Sie Marcel! Wie sieht es aus? Geht es Ihnen gut, und können wir uns bald persönlich treffen? Sie hatten es mir bei unserem letzten Gespräch ja versprochen. Kam es von der anderen Seite.
Jaa, -?- Aber das ist so eine Sache, das mit dem Treffen Herr Nitsch. Ich glaube, ich habe es mir anders überlegt. Ich schaffe das nicht. Ich kann einfach nicht zu Ihnen kommen. Ich habe es versucht. "Ja wirklich."
So oft habe ich an der Wohnungstür gestanden. Wollte raus gehen. Aber im letzten Moment, kurz vor dem großen Schritt, da wurden meine Beine zu Gummi. Obendrein sackte mein Kreislauf ab. Ich bin halt noch nicht so weit. Für einen Moment herrschte dann Stille.
Gut Marcel, kam es wieder von der anderen Seite.
Wir werden versuchen es anders zu machen. Macel, was halten sie davon, wenn ich zu Ihnen nach Hause komme?
Zu mir??? In meine Wohnung? Unterbrach Marcel ihn.
Ja Macel. So hab ich mir das gedacht. Zu ihnen nach Hause. Ich wohne doch nicht weit von Ihnen. Quasi gegenüber.
So könnte ich, weil es eh auf meinem Heimweg liegt, doch bei Ihnen vorbei kommen. Wieder herrschte Stille. Dann..., Ich,- Weiß nicht Herr Nitsch.
Ich glaube, ich möchte das nicht. Ich hab ja auch sowieso viel zu wenig Zeit. Deswegen muss ich jetzt auch auflegen.
Warten sie Marc…, war so ziemlich das letzte was noch zu hören war. Da hatte Marcel schon aufgelegt. Endlich konnte er diesen verdammten Zombie abknallen, hinter dem er schon die ganze Zeit her war. Der, der aus dem Untergrund kam, und sich dann in dem Abbruchhaus zu verstecken versuchte.
Wo zum Henker hast du dich verkrochen. Wo bist du?
Verdammt, dieser Arsch von Doktor hat mir die Chance geraubt, den Zombie zu erwischen.
Doch dann sah er ihn doch noch.
Peng,- Peng,- Peng,- Schrie es wieder in sein Headset. Peng,- Peng,- Peng,-. Da lag der Zombie am Boden.
Die Schlacht mit dem Abschlachten der Zombies, ging also weiter. Nun aber, schellte es an der Tür.
Mühsam raffte er seinen 120kg Körper hoch, nachdem er wieder einmal auf Pause gedrückt hatte, und ging langsam an die Türe.
Pizzaduft schwebte ihm da schon durch den Briefschlitz entgegen, obwohl die Tür noch zu war.
Der junge Mann der die Pizza brachte, lächelte freundlich, Natürlich hoffte er auf ein kleines Trinkgeld. Doch da die Pizza schon über PayPal bezahlt wurde, nahm Marcel sie nur wortlos, und knallte dem Jungen die Tür vor der Nase zu. „Geizhals“, schrie es durch die geschlossene Tür. Ich hoffe du verschluckst dich an deiner Pizza. Und dann wieder, „Geizhals“.
Doch Marcel saß da schon wieder vor seinem PC. Er konnte es nicht mehrt hören.
So sah es jedenfalls aus. Mit fettigen Fingern von der Pizza, griff er nach der Maus. Da schrie es auch wieder in sein Headset.
Peng,- Peng,- Peng,-. Peng,- Peng,- Peng,-. Peng,- Peng,- Peng.

 

ES WAR DAS EINTAUSENDEINHUNDERTVIERUNDZWANZISTE

 

Ja! – Ja! – Ja! Schrie er auf, Ja! – Ja! – Ja!
Die Lanzen der Sonne schienen schon längst nicht mehr durch die Rippen der Jalousie, da stand Marcel auf, ging in die Küche, und holte sich ein Fertiggericht aus der Mikrowelle.
Makkaroni mit Käse; die mochte er besonders gerne. Davon orderte immer reichlich, bei seinem Bringdienst Flaschenpost. Dazu eine Zweiliter Flasche Diät Cola aus dem Eisfach. Das sollte fürs erste reichen.
Dass es die letzte Nahrung sein sollte, die er in dieser Wohnung zu sich nehmen würde, das wusste er da noch nicht.
Die Pinkelflasche unter seinem Schreibtisch musste auch geleert werden. So machte er sie, obwohl er es haste, und sich davor ekelte, noch schnell leer.
Dann setzte er sich wieder vor den PC. Der Stuhl knarzte unter seinem Gewicht. Doch auch das nahm er nicht wahr. Die dampfenden Makkaroni mit Käse vor sich, griff er wieder nach der Maus, nachdem er einen großen Schluck von seiner Cola genommen hatte.
Jetzt konnte es weiter gehen mit der Jagd.
Einen um den anderen Zombie knallte er noch ab. Mit jedem neuen Level das er vollendete, stieg seine Euphorie, die schon 12 Stunden anhielt, in denen er durchgehend vor seinem PC saß. So wie jeden Tag.
Die Nacht hatte sich bereits über die Stadt gelegt, und ein Gewitter begann zu toben. Blitze die über den Himmel zogen erhellten ihn. Gefolgt von einem ohrenbetäubender Donner. Doch Regnete es nicht dabei.
Marcel aber, bekam auch davon nichts mit. Blaues Licht blinkte da schon durch die Jalousierippen.
Zuerst bemerkte Marcel es nicht, und er hörte auch nicht, dass jemand gegen seine Wohnungstür hämmerte weil er das Headset auf hatte.
Doch mit einem Mal, stand jemand neben ihm, neben ihm in seiner Wohnung!
Ein Feuerwehrmann in voller Montur. Was hat Marcel sich da erschrocken.
Sie müssen raus hier, der Blitz ist eingeschlagen, das Haus brennt.
Los,-Los,-Los. Schnell Raus hier.
Der Feuerwehrmann packte Marcel am Arm um ihm hoch zu helfen. Doch Marcel riss sich wieder los. Noch einmal schrie der Feuerwehrmann, los raus hier.
Doch Marcel verstand immer noch nicht genau was da gerade passierte. Er war zu sehr damit beschäftigt, dem Feuerwehrmann zu erklären dass er nicht raus könne. Auf gar keinen Fall.
Der Feuerwehrmann, der fast die Beherrschung verlor, rief über Funk einen Kollegen zu Hilfe. Als der auch noch in der Wohnung stand, packten die beiden ihn, und trugen den sich mit Händen und Füßen währenden Marcel, aus der Wohnung bis runter vor das Haus.
Unten angekommen, stürmte Marcel wie ein Bulldozer gleich wieder auf das Haus zu, und versuchte hinein zu kommen. Doch erneut wurde er sehr schnell, sehr unsanft zurück gehalten. Nur dieses Mal von einem Polizisten, und weil er noch immer wild um sich schlug, brachte dieser ihn zu Fall und legte ihm Handschellen an.
Danach wurde er mit einer Acht um die auf den Rücken gefesselten Hände, zu seinem eigenen Schutz, in ein Polizeiauto gesetzt.
Das Gewitter war da schon weiter gezogen. Das Haus aber, es brannte Lichterloh.
Marcel Fluchte wie ein Rohrspatz, und trat mit seinen Füßen gegen den Vordersitz. Der auf dem Fahrersitz sitzende Polizist ermahnte ihn mehrfach.
Doch Marcel wollte sich einfach nicht beruhigen. Der Kindersicherung sei Dank, konnte Marcel auch nicht die Türe öffnen. So sehr er es auch versuchte.
Dann schlug er seinen Kopf gegen das Fenster, wollte es zerbrechen. Doch auch das gelang ihm nicht. Zu guter Letzt bekam Marcel eine Spritze, von einem herbei gerufenen Sanitäter. Ab dann wurde es sehr ruhig im Streifenwagen.
Marcel schaute mit nervösem Blick zu dem Haus, das bis gerade noch sein zu Hause war. Er konnte seine Fenster sehen, konnte sehen wie die Fenster barsten, und Flammen aus ihnen herausschlugen. Es war wie in einem Alptraum.
Andere Mieter aus dem Haus standen, im Morgenmantel, Nachthemd und Pyjama hinter einer Absperrung. Unmengen von Wasserfontänen wurden auf und in das Haus gesprüht.
Da gab es auf einem der Balkone eine gewaltige Explosion. Trümmer flogen durch die Luft, und die Leute vor dem Haus schrien laut auf.
Zwei Gasflaschen eines Grills, flogen mit einem lauten Knall in die Luft.
Mit offenem Mund schaute Marcel zu.
Land of Zombies, flüsterte er.
Der Beamte bekam davon nichts mit, dafür war es zu leise gesprochen.
Wissen sie wo Sie jetzt hin können? Kam es von vorne.
Doch Marcel antwortete darauf nicht. Wissen Sie wo sie jetzt hin können? Kam es erneut.
Doch auch diesmal gab Marcel keine Antwort. Er blickte nur mit offenem Mund und starrem Blick aus dem Fenster, und auf das brennende Haus.
Gut! Dann versuchen wir es mal anders. Wie heißen Sie? – Wie ist Ihr Name? – Marcel antwortete auch darauf nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Treiben vor seinem Haus zu beobachten.
Da klopfte es mit einem Mal, vorne an die Scheibe, wo der Polizist saß.
Der ließ die Scheibe runter, ein Mann mittleren Alters sprach den Beamten an. Guten Abend Herr Wachtmeister.
Mein Name ist Dr. Karl Nitsch. Der Herr hinter ihnen, ist ein Patient von mir. Er leidet an Agoraphobie. Es ist ein Wunder das er so ruhig dasitzt.
Der wurde ruhig gestellt. Hat ganz schön um sich geschlagen als er aus dem Haus getragen werden musste.
Können sie mir sagen wie der Herr heißt?
Das ist Marcel McDown. Sie müssen wissen, die Krankheit die er hat, macht es sehr schwer, ihn dazu zu bringen, das Haus zu verlassen.
Diese Menschen verlassen eigentlich niemals die Wohnung, oder gar das Haus. Macel muss unbedingt und so schnell wie möglich, in ein Heim, ein Krankenhaus oder eine andere Unterkunft, wo man sich um ihn kümmern kann, jetzt da er Obdachlos ist.
Kann er heute Nacht bei Ihnen bleiben, sie sind doch sein Arzt.
Oh nein! Das ist nicht möglich. Auf gar keinen Fall. Stellen sie sich vor er ist bei mir zu Hause, einen Menschen wie Ihn, würde man nur mit Gewalt wieder raus bekommen aus meinen vier Wänden.
Zudem bin ich sein Arzt, seine Vertrauensperson. Wenn er von mir mit Gewalt wieder vor die Türe gesetzt werden würde, was blieb dann noch von dem Vertrauen übrig, welches unter dem Einsatz vieler Mühen, entstanden ist.
Wieso sind sie überhaupt so schnell hier gewesen? Woher wussten sie von dem Hausbrand hier? Unterbrach ihn der Beamte.
Ich wohne schräg gegenüber. Ich lag schon im Bett und wurde erst wach von dem Gewitter, und als ich gerade wieder halbwegs eingeschlafen war, erneut wach. Diesmal von den Sirenen, und dem blauen Blinklicht. Ich schlafe ja immer mit geöffnetem Fenster müssen sie wissen. Als ich daraufhin aus dem Fenster guckte, sah ich das Unglück. Da bin ich so schnell, wie es mir möglich war, hier her gekommen. Ich wollte schauen ob ich helfen kann, oder sogar muss.
Aha! Also, wie sollen wir jetzt vor gehen, Herr Nitsch.
Da meldete sich Marcel plötzlich von hinten. Hey Dock. alles Senkrecht? Was machst du denn hier? Bringst du mich jetzt wieder nach Hause?
Ich muss doch die Zombies jagen.
Die Zombies jagen? Er muss die Zombies jagen? Hab ich irgendetwas verpasst? fragte der Beamte.
Er spiel da so ein Shooter-Spiel, ich glaub es heißt „Land of Zombies“ das macht er den ganzen Tag.
Und deswegen geht der nicht mehr raus?
Ja, - Nein! - So einfach ist das nicht. Es muss schon etwas sehr bezeichnendes, was Außerordentliches passiert sein, das man beschließt, nicht mehr raus zu gehen. Wir wissen aber noch nicht welchen Grund Marcel hatte. Soweit sind wir noch nicht mit unserer Diagnose. Sie findet ja auch ausschließlich über Videocall statt. Persönlicher Besuch ist leider auch nicht möglich, weder bei mir noch bei ihm, Diese Patienten gehen nicht raus und lassen niemand fremden in die Wohnung. Zudem kann es in solchen Fällen auch dazu kommen, dass sich ein Messie-Syndrom entwickelt. Weil sie nicht vor die Tür gehen.
Was genau sollen wir jetzt machen? Fragte der Polizist. Der kann ja nicht hier im Streifenwagen bleiben.
Bringen sie ihn doch in ein Krankenhaus bis man eine andere Unterkunftsmöglichkeit gefunden hat.
Das wird dann ein Krankenwagen machen müssen. Wenn sie wollen können sie mitfahren. Herr Nitsch.
Gut, so machen wir das. Ich fahre mit, und kümmere mich bis dahin um ihn.

Der Beamte rief über Funk einen Krankenwagen. Dr. Nitsch und ein Sanitäter, brachten den noch immer sehr ruhigen Marcel, zum Krankenwagen.
Im Krankenhaus jedoch wollte man ihn nicht aufnehmen. er wäre ja nicht verletzt, oder so. So mussten sie den Plan ändern.
Während Dr. Nitsch und Marcel im Warteraum der Notaufnahme saßen, wurde Telefoniert. Von diesem zu jenem, und von jenem zu diesem.
"Und dann wieder zurück."
Schließlich fand man nach zwei Stunden eine Unterkunft in einer betreuten Wohngruppe. Dort würden Menschen leben, mit demselben Problem.
Kurz darauf fuhr ein Krankenwagen Marcel und Dr. Nitsch dorthin.
dort angekommen, bekam Marcel ein Zimmer zugewiesen.
Es dauerte etwas bis sich Marcel akklimatisiert hatte in seiner neuen Umgebung. Mit der Zeit fand er sogar Freunde unter seinen Mitbewohnern.
Viele Abende hatte man seitdem zusammen gesessen und Gesellschaftsspiele gespielt. Zusammen Gegessen und Fern gesehen.
Sein geliebtes Shooter-Spiel fehlte ihm aber trotzdem noch.
Dr. Nitsch kam regelmäßig vorbei, dann wurden Gespräche geführt, und Vereinbarungen getroffen.
Marcel schaffte es in dieser Zeit sogar, über 20kg abzunehmen. Nach drei Monaten Intensiver Suche fand man ein kleines Appartement für ihn.
Aus Sozialmitteln eingerichtet mit allem was man so braucht, konnte er bald darauf einziehen. Das einleben ging erstaunlich gut.
Dr. Nitsch kam auch dort regelmäßig vorbei. Nur raus gehen wollte Marcel noch immer nicht wirklich. Nun saß er in seiner neuen Wohnung.
Bis auf einen neuen PC, hatte er alles was man so braucht. Deshalb war der Fernseher jetzt sein bester Freund.
Nicht vergleichbar mit einem PC, aber immerhin etwas zur Unterhaltung, wo er doch jetzt wieder allein für sich war. Eines Nachts, er aß wieder einmal seine geliebten Makkaroni mit Käse und schaute dabei seine neue Lieblingsserie, da erkannte er, das er seine neu gewonnenen Freunde aus der Wohngruppe, vermissten würde.
Irgendetwas war mit ihm dort passiert. Er dachte nicht mehr an seine alte Wohnung, an all das Zeug, dass, das Feuer ihm genommen hatte.
Dachte auch kaum noch an sein Shooter-Spiel. In diesem stillen Moment, da nahm er sich etwas vor.
Morgen würde er die Wohnung verlassen. Er würde raus gehen. Die Schwelle übertreten und ein neues Leben beginnen.
Ja, genau das würde er tun. Er war es Dr. Nitsch schuldig! Er war es sich selber schuldig. Einfach jedem.

Den Fernseher aus gemacht, ging er ins Bad. Er sah in den Spiegel, sah sich, sich genau an. Zweifel kamen hoch, denn er hasste den Menschen den er sah.
Fetter Körper von all der Pizza, und von all dem anderen Zeug das er in sich hinein gestopft hatte, während er stundenlang vor dem PC saß.
Fettige Haare die eine Frisur bräuchten, blasse Haut die nach etwas Sonne schrie. Das alles sah er sich sehr bewusst an. Niemand außer ihm selbst könne da etwas dran ändern. Das wurde ihm sehr schmerzlich klar.
Dann stieg er unter die Dusche. Das warme Wasser lief seinen Körper hinunter. Noch nie in seinem Leben hatte er das so intensiv gespürt.
Dann wusch er sich in dieser Nacht all die Angst, all den Kummer, und auch all die Zweifel vom Körper.
Danach ging er zu Bett. Schnell schlief er ein, und als am Morgen die ersten Lanzen der Sonne durchs Fenster fielen, erwachte er, denn sie kitzelten ihn an der Nase. So stand er auf, nahm eine Dusche, trank einen Kaffee und aß eine Scheibe Toast mit Hüttenkäse. Danach zog er sich saubere Sachen an.
Ein Basecap zum verbergen der Frisur die keine war, und ging zur Wohnungstür. Den Schlüssel in der Hand griff er nach der Türklinke. Genau in diesem Moment kamen sie hervor, kamen aus ihren Verstecken.
Engel und Teufel. Auf jeder Schulter einer. Sie stritten sich, und flüsterten beide etwas in seine Ohren.
Marcel ließ die Klinke wieder los. Reglos stand er da. Die Beine wurden ihm weich und…
Für einen kleinen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde der Teufel gewinnen. Doch da griff Marcel erneut nach der Klinke. Er drückte sie runter, öffnete die Türe und trat beherzt hinaus. Jetzt stand er im Treppenhaus.
Der Duft von Bohnerwachsduft schlug ihm entgegen. Unten auf dem Spielplatz vor dem Haus, da spielten und tobten die Kinder. Autos fuhren durch die Straßen, und Menschen saßen in der Sonne. Das war es, was Marcel sah wenn er aus dem Flurfenster schaute.
Auf diese Weise hatte er das so, noch nie gesehen. Höchstens mal im Fernseher.
Als er gerade los gehen wollte, kam aus der Nachbarwohnung eine ältere Dame mit ihrem Rollator auf den Flur getreten.
Guten Morgen Herr Nachbar. Sind sie neu hier? Ich hab sie noch nie hier gesehen.
Ja das bin ich, sechs Monate wohne ich schon hier.
Na dann gehen sie aber kaum vor die Tür, sonst hätte ich sie ja mal gesehen. Das ist richtig. Aber ab heute, da will häufiger raus gehen.
Soso. Dann können sie mir gleich mal helfen. Da vorne die Tür zum Aufzug, das schaffe ich nicht mit dem Rollator.
Ich helfe ihnen gerne. Das ist kein Problem.
Zusammen gingen sie den langen Flur runter zum Aufzug.
Marcel hielt die Türe auf, und die Dame huschte hindurch. Vor dem Aufzug aber trennte sich ihr Weg. Marcel nahm die Treppe.
Zeitgleich kamen sie unten an, so durfte Marcel auch noch die Haustür aufhalten. Nun stand er draußen vor dem Haus.
Laue Sommerwinde streichelten ihn, die Sonne küsste sein Gesicht und die Kinder auf dem Spielplatz winkten ihm freundlich zu.
Draußen stehend fragte er die alte Dame wo es hier einen Frisör gäbe. Sie bot ihm an mit ihr zu gehen da sie genau in diese Richtung gehen müsse.
Er ging mit. Je weiter er sich von seiner Wohnung entfernte umso freier fühlte er sich. Dann war der Frisör erreicht.
Mit zitterndernd erhobener Hand deutete die Alte auf den Frisör. Dann trennte sich ihr Weg.
Marcel schluckte, trat dann aber geradewegs in den Laden dessen Tür weit offen stand ein.
Er war im Moment der einzige Kunde, so wurde er gleich dran genommen.
Ein kurzes Gespräch später, begann die Frisörin auch schon mit ihrer Arbeit, und eine Stunde später kam ein neuer Marcel auf die Straße getreten.
Von Dr. Nitsch wusste er, welchen Bus er nehmen kann und an welcher Haltestelle er aussteigen müsste, um zur Wohngruppe zu kommen.
Dann saß er auch schon im Bus. An besagter Haltestelle ausgestiegen, stand er bald schon vor dem Haus in dem die Wohngruppe zu Hause war.
Wie haben sich alle gefreut als sie Marcel sahen. Sahen wie sehr er sich verändert hatte. Selbst die Betreuer wollten ihren Augen erst nicht trauen.
Aber es war wirklich wahr. Marcel jedenfalls, fühlte sich wie neu geboren. Von jetzt an, konnte es nur noch aufwärts gehen.
Am Abend als er sich auf den Weg nach Hause machte, ging die Sonne gerade unter. Jetzt erst wurde ihm so richtig bewusst, was er heute geschafft hatte.
Als er schon eine Weile zu Hause war, und sich eine Pizza bestellt hatte, klingelte es. Mit Trinkgeld in der Hand öffnete er die Türe.
Doch der Pizzajunge war es nicht der geklingelt hatte. Dr. Nitsch stand vor ihm im Treppenhaus. Wo waren sie? Ich hab mir Sorgen gemacht.
So etwas dürfen sie nicht mit mir machen. Das macht mein altes Herz nicht mit. Murmelte, der Dock.
Kommen sie doch erst einmal rein Dr. Nitsch.
Ob sie es mir glauben oder nicht, ich war DRAUSSEN! Den ganzen Tag. Und ich war beim Frisör. Und in der Wohngruppe war ich auch.
Möchten sie ein Glas Wasser? Oder vielleicht lieber einen Saft, Dr. Nitsch?
„Ein Cognac wäre jetzt besser“. Kam es vom Dock. Der konnte es nämlich nicht fassen. Sein Küken hatte die Eierschale abgeworfen, und das Nest verlassen.
Da klingelte es erneut. Und als Marcel erneut die Türe öffnete, stand da der Pizzajunge.
Es war genau derselbe, wie beim letzten Mal. Betretenes Schweigen trat ein.
Marcel sah den Jungen an und sagte, „Einen Moment bitte“ Ging ins Wohnzimmer, nahm fünf Euro aus dem Portemonnaie, ging zurück zur Tür und drückte sie dem Pizza-Jungen in die Hand während er die Pizza entgegen nahm.
Der Junge konnte es nicht glauben. Überschwänglich bedankte er sich, und entschuldigte sich gleich dafür, was er beim letzten Mal alles gesagt hatte.
Schon ok mein Freund. Alles gut. Ich war der Arsch! Pass auf dich auf wenn du mit deinem Radl durch die Stadt saust.
Das mach ich, und Danke nochmal.
Dr. Nitsch der Das alles mit angesehen hatte konnte es nicht fassen.
Wollen sie auch was von der Pizza, die ist gut. Esse ich fast nur, und sooo gerne.
Nein, - Nein,- Danke. Ich muss auch langsam gehen. Wollte sowieso nur schauen wie es ihnen geht. Wie ich sehe, geht es ihnen gut. Sie brauchen mich wohl nicht mehr. In der Stimme des Docks war Wehmut und Freude zugleich zu hören.
Deswegen dürfen sie trotzdem aber ruhig mal vorbei kommen wenn sie wollen. Auch unangemeldet.
Wieder konnte Dr. Nitsch es nicht fassen. Ich wurde gerade von einem eigentlich hoffnungslosen Fall, der jetzt nicht mehr der ist der er einmal war, eingeladen.
Und dann auch noch wann ich will. Schwirrte es in seinem Kopf umher.
Sie verabschiedeten sich voneinander und dann war Marcel wieder allein mit sich. Da klingelte es erneut. Als Marcel öffnete, stand da wieder Dr. Nitsch.
Der hielt ihm eine Tasche mit den Worten, hab ich total vergessen, unter die Nase. Was ist das? Schauen sie rein. Ist ein kleines Geschenk.
Als Marcel in die Tasche schaute, sah er einen Laptop.
Für mich??? Fragte er verwundert.
Ja, sie haben doch alles verloren, und ich habe mir gerade einen neuen gekauft. Wenn sie ihn haben möchten gehört er Ihnen.
Marcel konnte sein Glück kaum fassen.
Ja,- Ja,- Ja,. Dankeschön.
Schon gut Marcel. Den haben sich wirklich verdient.
Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich noch einmal von einander, und das Leben ging für beide weiter seinen Weg.
Jeder der jetzt aber glaubt, Marcel wäre wegen des neuen PC wieder in seine alten Muster verfallen, den muss ich leider Enttäuschen.
Denn Marcel ging von diesem Tage an jeden Tag raus, nahm noch einmal gut fünfzig Kilo ab, und arbeitet heute als Webdesinger bei einem großen Unternehmen. Der Laptop den er von Dr. Nitsch bekam, der hat die Tasche bis heute nicht verlassen. So soll es auch bleiben.

 

 

Ende.

 

 

Nachwort

 

Natürlich weiß ich, dass sich nicht immer alles so schnell, quasi über Nacht ändert. So wie ich es hier beschrieben habe, und ich möchte hier auch nichts verharmlosen. Denn Menschen die an Agoraphobie leiden, führen ein Leben wie man es sich nicht vorstellen möchte. Deswegen wünsche ich mir für Menschen mit diesem Problem, dass sie einen Weg finden, um der Hölle in der sie leben, entfliehen können.

 

 

Thomas-Otto Heiden

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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