Burckhardt Fischer

Vom Umpuffen

Einmal zogen mein gutsbester Freund und ich hinaus in die Berliner Nacht, um die Gaststätten unserer gerade verflossenen Studentenzeit heimzusuchen, und da meine unglückliche Liebe anderes vor hatte.

Wir landeten, da es im Schlüter zu zugig und im Polkwitz wie auch im Schalander zu voll, im Wirtshaus Wuppke, und ergatterten ein jeder einen Hocker an der Theke, geradewegs am Eingang. Da trat – verglichen mit der sonstigen Klientel an nämlichem Ort, die bis heute gleich geblieben, und sind es nur wenige noch: gebeugt vom Alter, in den Gesprächen hoffnungslos, die Revolution ist ausgeblieben – es trat also ein absonderlicher Gesell herein: eine Ballonmütze aus schwarzem Leder, die vielleicht noch für Thälmann durchgegangen, jedoch auch in schwarzer Lederjacke und Stiefeln, und als solcher sicher nicht unserer Szene zugehörig, und er wandte sich gleich an mich. Warum nur, bin ich doch zarten Gemüts und vom Pazifismus beseelt – wer nach Auschwitz noch eine Waffe anfasst, dem soll die Hand abfallen! Warum sah er, dieser Feind meiner Klasse, nur mir in die Seele, die Abgründe dort, die Verzweiflung, Verlorenheit?

Er bot uns, mir an den Kauf einer Waffe. Da ich indigniert abwehrte, geschockt, gab er mir auf den Weg: …falls doch, fände ich ihn am Bahnhof Zoo, meistens…, bevor mein Freund ihm harsch in die Parade fuhr, und er verschwand im Hinterzimmer.

 

Nun war es jedoch so, dass meine Liebe eine sehr unglückliche war, schon lange, und sind Überzeugungen, Freiheit zu gewähren, keine Ansprüche zu haben, Freuden nicht zu fordern der Zeit gemäß, sondern nur im Glücke zu empfangen wie auch zu geben, sind diese schwer auf Dauer auszuhalten, wenn Dein Mädchen solchen Glauben nicht teilt, nimmt, was ihr geboten wird, aber nicht ehrlich gibt, was zu Deinem Leben, zum Überleben mindestens erforderlich. Hatte ich die Nebenbuhlerinnen für sie verstoßen, das Nest bereitet, meine Zeiten auf sie eingestellt, wie sie es forderte: sie achtete es nicht, wenn es ihr nicht passte, stören könnte ihre Kreise, ihre Freiheiten, und war darüber nicht zu reden, nicht zu handeln, denn versuchte ich mich umzustellen, hängte streitbar sie den Haussegen schief, warf mir vor, in meiner Liebe nachzulassen, Mißtrauen ihr zu hegen, das gänzlich unberechtigt sei und unsere Beziehung gefährden müsse so. Nun waren dies auch meine Überzeugungen: entscheidend ist, WAS MAN TUT, aber wenn Wort und Tat nicht zusammen fallen, ist es schwer, und wenn die Freunde verstummen, weil man das Elend sieht zwischen uns, und schließlich nur noch verstummen bei mir, weil nicht mehr wissend, wie damit umzugehen, und ist es UNANGENEHM, und daher nicht mehr auszuhalten für mich, alleine, von allen getrennt..

 

Es war da jedoch ein Galan, der liebte nicht sie, sondern ihre Schönheit, seine Macht über sie, und streichelte sie seine Eitelkeit, da er ein Narziss gewesen zuvörderst, und noch heute, wenn ich ihn angelegentlich treffe in einer heruntergekommenen Kneipe, da die Zeit stehen geblieben und der Muff, wo er spielt Karten mit seinen Kumpanen, da wirft er nekisch den Kopf, setzt sich in Pose, kaum dass er meine Blicke vermutet, immer noch, da die Zeit verrinnt, verronnen ist, quirlend im immer gleichen engen Sumpf.

Dieser Freund also meiner Geliebten, von ihm erfuhr ich durch Zufall, aber mit Häme, dass er sich mit ihr verabredet habe an nämlichen Abend, den sie doch mir versprochen, und als die Zeit verging, die Dämmerung anbrach, keine Nachricht mich erreichte, ich allein war mit meinem Schmerz, meiner Wut, meiner Enttäuschung, da fuhr ich, los, reinen Tisch zu machen, mich zu befreien aus der Fesselung, handlungsfähig zu werden nach Möglichkeit. Ich fuhr zum Axpax, wo ich beide vermuten durfte, der hippen Szene halber, später zum Dschungel, zu Ihrer Wohnung, seiner: NICHTS.

Da fuhr ich zum Zoo, ging um einige Ecken nur, stieg über Beine, Pisselachen und fand ihn, den schmutzigen Gesellen, der nicht verwundert schien, abließ von seinen Kumpanen, mich durch den Regen, die Nacht zu einer Stelle leitete, da er aus einer Decke eine Knarre wickelt, nicht groß, aber dafür schwer, hatte ich solches zum ersten Male in der Hand, fragte nicht nach Sicherung und Munition, da ich sie wohl geladen vermutete in solchen Kreisen.

Die 400 geforderten Mark gab ich ihm, alles, blieb keine Erfordernis für eine Zeit danach, und verschwand in der Dunkelheit.

Waren sie aber weiterhin leer, die Wohnungen, die Kneipen, fand ich nicht das elendige Paar, wiewohl ich durch die Nacht fuhr, hin und her, zu schnell, auf regenglatter Straße, zitternd vor Wut, Haß, Nässe, vor Kälte, da mein Auto einen kaputten Auspuff hatte und ich ihn mehrfach verlor, er auf dem Asphalt schepperte und schleifte, und musste ich mich unter das Auto zwängen bei Nacht, im Rinnstein, den Draht wieder binden, der alles zusammenhielt, und wurde nass und nässer, dreckiger, mutlos, wutlos, mit verbrannten Fingern.

Fuhr ich zum Kanal und versenkte die Waffe, die ich erst Stunden zuvor gekauft. Da gab es nur noch Spagetti dann, für eine Zeit, was Leichtigkeit nicht beförderte.

Die unglückliche Liebe jedoch, die dauerte noch eine Weile und schwärte, und schmerzte mein Herz.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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