Burckhardt Fischer

3 Schwestern

1.
Eine verflossene Liebe hinterließ mir Kasimir. Es war eine sehr unglückselige Beziehung gewesen, wiewohl leidenschaftlich – oder eben gerade darum, und umso mehr ließ ich es zu, dass der Kater bei mir blieb, während M. nun um die Häuser zog. Ein fixer Stern so in meinem Leben, mit weichem Fell und vollem Schnurren, dieweil unter meinen Füßen der Boden zerbarst.

Kasimir war über die Maßen fett, groß, und eigensinnig. Das Fett haben wir weggehungert, und er war mir erkennbar gram darob, lange.

Eines Abends hatte ich noch einen Termin, und da ich zu dieser Zeit in Kochkünsten mich delektierte, auch Fleisch noch zu mir nahm, beschloss ich, ein großes Stück Rindfleisch, dass ich im Sonderangebot erstanden hatte, aus dem Gefrierschrank zu nehmen und es aufzutauen, um nach absolviertem Gespräch mich an einem Schmorbraten erstmals zu versuchen.
Ich kehrte viel später zurück als erwartet, nur noch bedacht zu ruhen, stellte in der Küche den sauberen Teller in den Schrank zurück, der auf dem Tische verblieben, und begab mich auf die Suche nach dem Kater, der – entgegen seiner Gewohnheit – nicht in der Nähe der Tür gestanden bei meinem Eintritt, sich nicht das Fell gerieben an der Türleibung, nicht mit seinem kehligen Schnurren und Schmeicheln mir ein Begrüßungskraulen abverlangte, nicht, kaum dass meine Schritte in Richtung Futterplatz sich wenden könnten, mir eilfertig voraus sprang.

Ich fand das Tier, auf einem der Zeichentische im Büro, auf der Seite liegend, unfähig, den Kopf zu heben, nur die Schwanzspitze verhieß einen Rest Leben, zuckend, sich kringelnd.
Kasimirs Bauch war von einer unnatürlichen, gewaltigen Wölbung.
Hatte er das ganze Rindfleisch gefressen, fast Kindskopfgroß, und den Teller, darauf es zum Auftauen gelegen, noch so sauber geleckt, dass für unbenutzt ich ihn gehalten.

2.
Die Zeit heilt die Wunden. Mit neuem Mut suchte ich neuerlich anzubandeln, und wurde daraus ein munterer Reigen, da ich mein Herz nicht, noch nicht weit öffnen konnte, und ist dieses nicht zu verbergen auf Dauer, und stirbt daran die größte Liebe.

Kasimir missbilligte mein Treiben, offenkundig, denn, sei es, dass er M. nur billigen wollte in meinem Bette, oder jeweils eine Konkurrentin witterte, die ihm seinen Platz streitig machen könnte: so sehr ich ihn auch mit Zuwendung überhäufte, ruhte er nicht, bis er eine jede neue Freundin, mit der ich Zärtlichkeiten tauschte, überfallartig in den großen Zeh gebissen, zwei rote Punkte oben, zwei unten, und sei das Schlafgemach noch so gut verschlossen. Danach war Frieden möglich. Manche aber zogen klagend von dannen.

3.
Eines Tages war uns ein Kätzchen zugelaufen, noch jung, und wunderbar dreifarbig gezeichnet. Kasimir, der sonst keinerlei Konkurrenz seiner Art duldete ob männlich oder weiblich, hat sie vom ersten Augenblick ins Herz geschlossen, und U. konnte sie so knuddeln und liebkosen als Kindersatz, da sich die Besitzer von Bibi nicht meldeten.

K. ließ sie gewähren, die beiden, mit halbgeschlossenen Augen, als Pascha die Szenerie sich betrachtend. Nur die Schwanzspitze peitschte zuweilen.


Nun reiste ich häufig nach O., meiner Mutter das Haus zu besorgen und den Garten, das Grab des Vaters zu hegen, heimzukehren, und nunmehr 2 Katzen, die fuhren mit mir.
Dort stromerten sie im Garten, dem angrenzenden Wäldchen und Park, und waren pünktlich zugegen, zum Futtern und zur Abfahrt. Im Vertrauen darauf ließ ich, wenn die Witterung es erlaubte, die Tür einen Spalt weit offen des Nachts, dass sie vielleicht ein Abenteuer hätten, welches in der Großstadtwohnung nicht möglich wäre.

Eines frühen Sommermorgens, das Licht war, wiewohl wenig später ein strahlender Sonnentag daraus erwuchs, grau noch, schummerig, weckte mich ein gellender Schrei, so voller Inbrunst und Schmerz, dass an der Nornen Schnitt es gemahnte, M. sei eingedenk.
Ich stürmte die Treppe hinunter, sah Kasimir dort, der geschriehen, zitternd, fauchend, klagend, dieweil Bibi etwas verlegen vielleicht, wiewohl zuvörderst unbeteiligt, schaute, sich räkelte, putzte, und ihren schwarzglänzend Kater, der durch den Türspalt zu entkommen suchte, demonstrativ nicht achtete. Kasimir jedoch war außer sich.


Bibi wuchs in ihrer Rolle als Mutter, leibhaftig, und gebar – streng nach Mendel`schem Gesetz: die Mutter Tricolor, der Vater, den ich bei neuerlichen Hausbesuchsversuchen sichten konnten als glänzenden, sehnigen Perser – zwei rote Kater, einen schwarzen wie Papa, mit 3 weißen Brusthaaren nur, und ein Schildplatkätzchen, das nicht trinken wollte an der Mutter Brust, ich habe es wohl hundert Male ansetzen müssen, bis es von alleine ging.

Das uns eigene Drama, das an den Hacken uns klebt wie ein Stück Hundescheiße, in welche man auf der Gasse getreten, erwuchs uns ob eines genetischen Defektes, der nur roten Katern zu eigen wie auch den Romanows, dass eben sie die Tragstarre nicht annehmen wie jene das Bluten, und bringt die Mutter sie aus dem Wochenbett beißt sie sie tot darob, da sie zappeln, und ist es ein kleines Stück nur zwischen Tragen, Liebesknieper und Beutefang.
Habe ihn nicht retten können, und war er doch der kräftigste von allen: BibibabyNamenlos.

So blieben uns Sidka, wie der rotblonde Fußballtrainer meiner lokalen Liebe, Lavazzl in tiefschwarz, mit drei kleinen Härchen auf der Brust eben, und Gysi, mehrfarbig, zäh um Ihren Platz ringend nunmehr.
Waren wir eine große Familie jetzt, und Kasimir ein huldvoller Patron.

4.
Vielleicht ein gut Jahr später hatte ich meiner Mutter versprochen, die Küche zu renovieren, und musste alle Katzen mit mir nehmen, da U. sich weigerte zu helfen.

Da Bibi mir rollig erschien, achtete ich streng darauf, die Türen geschlossen zu halten, doch mein Bruder, der auch bei der Zuarbeit eher hinderlich gewesen, achtete dies nicht, und so begegnete ich nämlichem schwarzen Kater erneut, wie um die Ecke er fegte, da er zu Besuch gewesen.
Aus jener Liaison erwuchsen uns 5 weitere Katzen: ein wunderbarer roter, zärtlicher Kater Sansibar, der es liebte, wie ein Schal sich mir um den Hals zu legen auf meinen Schultern, drei Tricolor-Schwestern Zoey, Chloe, und Aimée, sowie eine weitere Schildplat-Katze ohne Weiß, ein kleiner dunkler Kobold. Sie fiel beim Toben uns vom Balkon in der 3. Etage und musste mühsam zusammengeflickt werden, hat sich aber fast am längsten gehalten, vielleicht eben darum, der Schonung und Pflege halber. Salome.

Diese Horde bevölkerte das Büro, mit Bibi und Kasimir, da die älteren Geschwister auf unseren Hof verzogen.

5.
Nun hatten uns jedoch einige Schicksalsschläge getroffen, und blieb kaum Zeit zwischen der Büroarbeit in höchster Anspannung und vielfachen Krankenhausbesuchen, die Tiere zu versorgen, Hilfen zu chartern, und düste zwischen Hof und Wohnung mit 160 Sachen. So verpasste ich, meinem Sansisbar, dem zärtlichen, bei dem ich gezögert hatte die notwendige Kastration zu besorgen, und er beglückte seine Mutter, bevor ich die Gefahr erkannte.

Aus diesem Akt entsprangen drei rote Kater: Fips, Fido, Fridolin. Der Inzest hätte vermieden werden müssen: zwei waren schmal, der dritte dicklich, aber trotzdem von schwacher Konstitution.

Die Mutter, sichtlich genervt, kümmerte sich nicht.

Ich wusste nicht, wie drei kleine schwache Katzen retten, zwischen Büro und Krankenhaus, und Pferden und Hunden, mit 160 Sachen. Da sah ich, wie die drei Schwestern, die Tanten, eine jede sich auserwählte eines der Babys, sie leckten und putzten, zwischen den Pfoten bargen, und es schwollen ihnen die Zitzen und sie nährten die Kleinen, eine jede ihr Geschöpf.
Sansibar aber wachte über allen, voller Stolz.
 

Nun sage mir, wo solche Zuneigung sich findet unter Menschen, dass den Frauen die Brüste schwellen und sie sich teilen die Brut, wo doch in Konkurrenz wir stehen allzumal.

 

Die 3 säugenden Schwestern Zoey, Aimée, Chloé, mit den Katzenbabies Fips, Fridolin und Fido, daneben Katzenvater und Bruder Sansibar. Die Mutter absent.

Bild zu 3 Schwestern

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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