Klaus-Peter Behrens

Der Kater und der wilde Norden, 16

-11 -

„Die ist Ok“, miaute Mikesch, die Pfote an eine gut und gern dreißig Fuß hohe Tanne gelehnt. Ich seufzte und fällte zum dritten Mal an diesem frühen Morgen mithilfe eines kleinen Zauberspruchs einen stattlichen Baum, der mit dumpfem Getöse zu Boden ging. Von unseren Gegnern war glücklicherweise nichts zu sehen oder zu hören. Zwar hatten mit Porky und Grumbatz versichert, dass tagsüber noch nie etwas passiert war, weil die Kreaturen der Finsternis da schliefen, überzeugt war ich trotzdem nicht so ganz. Auch der gesündeste Tiefschlaf dürfte gegen den Lärm, den wir veranstalteten, keine Chance haben. Doch erstaulicherweise blieben wir unbehelligt. Kein Nachtelb und auch kein Werwolf erschien, um sich über die Störung ihres Schönheitsschlafs zu beschweren.

Das war allerdings auch schon das einzig Erfreuliche.

Die Frist lief ab und ich fragte mich, ob das Ausführen eines Plans, der im Kopf des Katers entstanden war, die richtige Wahl war, um mit dem Problem umzugehen. Ein Katapult zu bauen und an der Stelle zu vergraben, an der der Dunkelelb uns in Empfang nehmen wollte, hielt ich gelinde gesagt für Wahnsinn. Da dieser von der Genialität mitunter nicht weit entfernt war, hatte Grumbatz der Idee zugestimmt. Also hatte ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht und meine Holzfällerkluft angezogen, um Bäume für das Gerüst zu fällen.

Inzwischen turnte Mikesch quietsch vergnügt auf dem gefällten Baum herum und wies die Dorfbewohner an, was sie zu tun hatten. Der Kater war in seinem Element. Andere herumzuscheuchen hob seine Laune beträchtlich. Das war nicht zu übersehen.

„Nun mal nicht so lahm dahinten. Ihr werdet doch wohl noch diesen niedlichen Weihnachtsbaum zerlegen und zum Dorf schleppen können. Kostenloses Fitnessprogramm genießen und sich beschweren. Das geht ja gar nicht“, miaute er aus vollem Herzen und zog sich das Murren der Dorfbewohner zu. Doch sie taten, was er verlangte. Immerhin ging es auch um Ihr Überleben.

Ich ließ ihm seinen Spaß und begab mich zum Dorf hinüber. Dort hatte der andere Teil der Dorfbewohner mit tatkräftiger Unterstützung der beiden Trolle eine beachtliche Grube an der Stelle ausgehoben, an der der Dunkelelb uns abzuholen gedachte. Das Katapult sollte hier vergraben und scharf gemacht werden. Von dort würde ein vergrabenes Schilfrohr auf die andere Seite der Palisade führen, das als Führung für ein dünnes, aber stabiles Seil dienen würden, mit dem man vom Dorf aus das Katapult würde auslösen können. Abgedeckt würde die Grube mit einem tragfähigen Konstrukt aus geflochtenen Ästen. Stabil genug, um den Dunkelelb zu tragen, aber kein Hindernis für den ausschlagenden Katapultarm. Würde alles nach Plan verlaufen, könnten wir vom Wehrgang aus unsere Show abziehen und dann den Dunkelelb auf den Mond schießen, so der Kater. Mikesch ging davon aus, dass dies die Werwölfe dermaßen erschrecken würde, dass sie von weiteren Aktivitäten absehen würden. Immerhin könnten ja noch mehr Fallen auf sie lauern, die ihnen ein ähnliches Schicksal bereiten würden.

Das Prinzip der Abschreckung funktioniert immer. Vertrau mir, hatte Mikesch meine Einwände beiseite gewischt. Die Idee war sicher nicht schlecht, hatte für meinen Geschmack aber zu viele Unbekannte, die man im Voraus nicht berechnen konnte. Und dann gab es da ja auch noch die Elfe, die mitten in der Nacht eine Botschaft zu verkünden hatte. Vetter Grumbatz zog jedes Mal, wenn die Elfe ihn umschwirrte ein noch düsteres Gesicht, als er es ohnehin schon tat.

Irgendetwas war noch im Busch. Das fühlte selbst der Kater in der Schwanzspitze, wie er mir heute Morgen mitgeteilt hatte.

Doch ich sah davon ab, nachzufragen. Einstweilen genügte der Ärger, von dem ich wußte, vollauf, um mir die Laune zu verderben. Außerdem würde ich es ohnehin vermutlich früher oder später erfahren. Also ignorierte ich einstweilen die umtriebige Elfe.

 

Der Abend war nicht mehr weit entfernt, als wir die letzten Verbindungen des Katapults festzurrten. Es hatte Schweiß, Blut und Tränen gekostet, es so in der Grube zu platzieren, dass es tief genug und in der Waage stand. Schließlich war es bereit für einen ersten Test. Mehrere Männer mühten sich ab, den Katapultarm über zwei hölzerner Drehräder zu spannen, bis der Arm vernehmbar einrastete. Am Ende des Arms war die Wurfschale befestigt. Sie wurde so dicht unter der Oberfläche positioniert, dass der Dunkelelb, sollte alles nach Plan verlaufen, quasi auf ihr stehen würde. Gorgus wuchtete einen Felsbrocken hinein, der dem Gewicht des Dunkelelben entsprechen sollte. Dann entfernten wir uns alle ein gutes Stück, bevor Vetter Grumbatz den Auslöser per Seilzug betätigte.

„Feuer frei“, maunzte Mikesch. Im nächsten Augenblick schoss der Katapultarm in die Höhe und beförderte den Felsbrocken in die Erdumlaufbahn.

Jedenfalls sah es für mich so aus.

Tatsächlich schlug er nach einer bewundernswerten Flugbahn mit viel Getöse in den Wald ein.

Begeistertes Applaudieren begleitete diesen Testflug, und zum ersten Mal verspürte ich ein wenig Zuversicht, was den Plan des Katers anbelangte. Allerdings hielt das nur so lange an, bis Mikesch mir den zweiten Teil seines Plans erläuterte.

„Wie willst du es erreichen, dass der Dunkelelb tatsächlich genau hier steht und nicht einen Meter weiter links, rechts, davor oder dahinter?“ wandte ich mich an Mikesch, der mich daraufhin auf eine Art und Weise ansah, die mir gar nicht gefallen wollte.

„Wir brauchen einen Lockvogel“, miaute er vergnügt.

-12 -

Die Abendsonne am Horizont ließ den Himmel blutrot leuchten. Ich stand auf dem Wehrgang, die Arme auf die hölzerne Palisade gestützt und fragte mich, ob das ein gutes Zeichen war. Zumindest musste ich einräumen, dass von unserer Falle nichts zu sehen war. Die Dorfbewohner hatten ganze Arbeit geleistet. Die Stelle, an der die Wurfschale unter dem Geflecht verborgen war, zierte ein einsames Buschröschen, das der Kater kurzerhand dahin hatte verpflanzen lassen.

So weit so gut.

Nur der Rest des Plans behagte mir überhaupt nicht. Im Geiste ging ich den Ablauf immer und immer wieder durch und übte die Zaubersprüche ein, die mir für die Show sinnvoll erschienen.

„Das ist wie bei den Illusionisten meiner Heimat“, hatte Mikesch mir erklärt. „Man macht Allerlei außergewöhnliche Dinge mit der rechten Hand, um von der linken Hand abzulenken, die den eigentlichen Trick ausführt. Vertrau mir.“

Das war leicht gesagt.

Der Kater musste sich ja auch nicht ganz allein einer Horde hungriger Werwölfe und einem Dunkelelben stellen. Mein Blick fiel auf ein Bündel vielfarbiger Stricke, die gut sichtbar an einem hölzernen Gerüst befestigt waren, damit man sie von unten auch erkennen konnte. Nur ein Strick war tatsächlich mit einer Falle verbunden. Die anderen waren reines Blendwerk. Auch hier setzte der Kater auf Illusion. „Sie müssen nur glauben, dass die echt sind. Dafür müssen wir eine gute Show liefern“, hatte der Kater mir diesen Teil des Plans erklärt. Anders ausgedrückt, wir spielten mit einem Blatt voller Nieten und einem Joker um den Jackpot. Wenn ich hätte wetten können, hätte ich mein letztes Hemd auf die Werwölfe gesetzt.

„Wird Zeit,“, erklang eine düstere Stimme hinter meinem Rücken, die an eine abgehende Gerölllawine erinnerte. Ich drehte mich um und nickte Vetter Grumbatz resigniert zu. Dann straffte ich die Schultern und begab mich zum Dorf Tor, wo ich bereits erwartet wurde. Inzwischen war die Sonne untergegangen. Das fahle Licht der Abenddämmerung ließ den Waldesrand jenseits des Dorftores wie ein finsteres Bollwerk erscheinen. Es war die Zeit, zu der die finsteren Kreaturen der Nacht erwachten und sich über leichtsinnige Beute freuten. Fast glaubte ich, ihre hungrigen Blicke auf mir zu spüren, als ich am Dorf Tor anhielt und meinen Blick schweifen ließ.

„Keine Sorge, wir werden dir n Rettungsschirm verpassen“, versuchte Mikesch mich aufzuheitern, als Porky mit einem dünnen, aber stabilen Seil erschien, das er um meinen Körper schlang. Das Seil führte von meinem Rücken über eine Rolle oben auf der Palisade. Sobald ich auf der anderen Seite war und die Brücke hochgezogen wurde, würde nur noch ein schmales Brett über den Graben führen. Im Ernstfall war dies meine letzte Fluchtoption. Sollte ich lebend die andere Seite erreichen, würden mich die Trolle am Seil über die Palisade in Sicherheit ziehen. Vermutlich gemeinsam mit einer Handvoll Werwölfe, die fröhlich an mir knabberten, ging es mir durch den Kopf.

„Du mutig“, bekundete Gorgus beeindruckt.

„Geisteskrank trifft es eher“, murmelte ich beklommen. Doch jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Das dünne Seil hinter mir herziehend, begleitet von guten Wünschen überquerte ich den Graben und ging bis zu der Stelle, die wir vorher für diesen Zweck markiert hatten. Hinter mir verkündete ein dumpfer Schlag, dass das Dorf Tor hochgezogen und befestigt war.

Nun war ich auf mich allein gestellt.

Die Finsternis senkte sich schnell über das Land, und schon bald erklang in der Ferne ein unheimliches Heulen, das meine Nackenhaare Spalier stehen ließ.

„Im Wald tut sich was“, vernahm ich Mikesch Stimme, der über die beste Nachtsicht verfügte und von der Palisade aus den Wald musterte. Gerne hätte ich auf diese Information verzichtet.

Das Heulen klang nun näher und damit bedrohlicher, bis es abrupt aufhörte. Die darauf einsetzende Stille war fast noch bedrohlicher. Mein Herz hämmerte in meiner Brust vor Angst. Dann sah ich den Dunkelelben.

Wie ein Geist trat er aus den Schatten des Waldes ins Freie und blieb dort abwartend stehen. Ich glaubte seine begehrlichen Blicke selbst auf diese Entfernung zu spüren. Rechts und links gesellten sich nun die Schatten der Werwölfe hinzu. Die Bedrohung, die von ihnen ausging, raubte mir den Atem, obwohl ich wusste, dass der Dunkelelb der Gefährlichste von allen war. Gegen die Werwölfe konnte ich notfalls meine spärlichen Magiekenntnisse anwenden, gegen den Dunkelelb war ich machtlos. Mach ihn glauben, dass er sich irrt, hatte mir Mikesch eingebläut. Das redete ich mir unentwegt ein, als der Dunkelelb nun gemessenen Schrittes auf mich zukam.

Die Werwölfe folgten mit hundert Schritt Abstand und verteilten sich im Halbkreis um den Ort des Geschehens. Außerhalb der Bogenreichweite blieben sie stehen. Ihr tiefes Grollen war gleichwohl zu vernehmen. Der Dunkelelb hingegen hielt unbeirrt sein Ziel bei. Wachsam musterte er mich und die hinter mir befindliche Palisade. Dutzende Bewaffnete drängten sich dort auf dem Wehrgang und starrten voll finsterer Erwartung dem Ankömmling entgegen. Als der Dunkelelb nur noch wenige Schritte von der Falle entfernt war, hob ich gebieterisch beide Arme, krähte ein klägliches Halt und ließ zwischen uns für einen Augenblick eine Feuerwand in die Höhe schießen, ehe sie wieder in sich zusammenfiel. Eine reine Illusion, aber wirkungsvoll. Das Grollen der Werwölfe klang plötzlich beunruhigter. Nur der Dunkelelb musterte mich spöttisch.

„Ich bin gegen jeden Zauber immun. Aber das weißt du ja“, eröffnete er selbstgefällig das Gespräch. Ich nickte und schluckte, denn leider hatte ich meinen Auftritt um einen winzigen Augenblick zu früh gestartet. Der Mummenschanz hatte den Dunkelelben zwar wie beabsichtigt zum Stehen gebracht. Leider aber zwei Schritte zu früh.

Du hältst dich nicht an die Abmachung“, stellte er fest, wobei er misstrauisch die Umgebung musterte als würde er eine Falle wittern. Ich musste mir schleunigst etwas einfallen lassen, um ihn davon abzuhalten, den Boden genauer anzusehen.

„Nun...“, hub ich an und versuchte möglichst lässig zu wirken, „...ich dachte, ich gebe dir noch eine Chance mit deinen haarigen Freunden unbeschadet von hier zu verschwinden.“

Ein zischendes Lachen war die Antwort.

Ich war beleidigt.

Wirkte ich so harmlos?

Trotz der Feuerwand.

Aber immerhin hatte ich jetzt seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Siehst du diese Rose?“

Damit wies ich auf ein Buschröschen, das genau die Stelle markierte, unter der der Teller des Katapultarms lauerte.

„Dieser Ausdruck blühender Schönheit markiert die Grenze, die finstere Kreaturen wie du nicht zu übertreten haben. Ist das klar.“

Der Dunkelelb knurrte verärgert.

„Ich zeige Dir, was ich von Grenzen halte“, fauchte er mich an, trat zwei Schritte vor und zermahlte das Buschröschen unter seinen Füßen.Was sagst du jetzt?

„Guten Flug“, erwiderte ich und hob meinen linken Arm, als vereinbartes Zeichen, das Katapult auszulösen. Im selben Moment, in dem ich den Arm hob, wurde dem Dunkelelben klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber für eine Reaktion hatte er keine Zeit mehr. Keine Sekunde nach dem ich den Arm gehoben hatte, schoss der Katapultarm bereits wie die Klaue eines urzeitlichen Ungetüms aus der Erde, ergriff den Dunkelelb und katapultierte ihn mit unglaublicher Kraft in den Himmel hinauf, begleitet von dem begeisterten Johlen der Dorfbewohner und den lautstarken Anmerkungen des Katers, der es sich nicht nehmen ließ, das Ereignis auf seine Weise zu kommentieren.

Und da geht er auch schon ab, meine Damen und Herren“ maunzte Mikesch fröhlich, „Ein sagenhafter Senkrechtstart. So was schafft nur Evel Kneevel, auch wenn die rudernden Arme und Beine auf einen gewissen Kontrollverlust hin deuten erreicht er trotzdem sauber den höchsten Punkt der Flugbahn. Ist das hoch. Fast auf dem Mond.  Und schon geht es mit beängstigendem Tempo wieder in die Landephase über, mitten hinein in die hundertjährigen Eichen.

Das hat noch keiner gewagt.

Das ist nackter Wahnsinn.

Das ist...“

Ein dumpfes Klatschen aus dem fernen Wald unterbrach den Live-Bericht des Katers.

„...wohl nicht so rund gelaufen. Aber keine Sorge meine lieben, zotteligen Freunde...“, rief er den paradoxen Werwölfen zu. „...wir können das ja noch mal probieren. Glücklicherweise haben wir noch mehr Überraschungen für euch parat. Also, wer will der nächste sein? “

Niemand verspürte Neigung dem Dunkelelben nachzueifern. Der unerwartete Abgang hatte unsere pelzigen Gegner ratlos und nervös gemacht. Sollten sie angreifen oder fliehen?

Mikesch half ihnen, die richtige Entscheidung zu treffen.

„Sieh mal den da“, maunzte er vergnügt, wobei er mit der Pfote auf einen Werwolf deutete, der sich beängstigend nahe an den Graben und damit an mich herangeschlichen hatte und nun irritiert den Kater anstarrte. „Der steht optimal. Gorgus, mein Großer, zieh am grünen Seil.“

Mit einem erschrockenen Knurren angesichts dieser Ankündigung sprang der Werwolf zurück, als würde er auf einer glühenden Ofenplatte stehen, während Gorgus enttäuscht den gut sichtbaren grünen Strick in der Hand hielt und „Spielverderber“ brüllte.

Derweilen hielt ich es für ratsam, den Rücktritt anzutreten, nicht aber ohne dem Werwolf noch mit einem kleinen Energieblitz den Pelz anzusengen. Man wusste ja, was sich gehört. Dann hastete ich über das dünne Brett in fragliche Sicherheit.

Bei den Werwölfen herrschte hingegen Panik. Mikesch erteilte fröhlich Befehle, welche farbige Schnur zu ziehen sei und die Werwölfe tanzten dazu Ballett, um nicht aus Versehen ebenfalls einen Start wie der Dunkelelb hinzulegen. Schließlich heulten sie frustriert auf und flohen auf allen Vieren in den Wald. Der Letzte verschwand gerade in den Schatten, als ich mit Gorgus Hilfe über die Palisade kletterte. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie nah ich dem Tod gewesen war und welches unglaubliche Glück ich gehabt hatte.

„Das war klasse, müssen wir unbedingt einmal wiederholen“, jubelte der Kater, der auf mich zugestürzt kam und seinen dicken Kopf an meinen Beinen rieb. Bevor ich antworten konnte, hob Gorgus mich hoch und setzte mich auf seine Schultern. Unter dem Jubelgeschrei der Dorfbewohner wurde ich auf den Dorfplatz getragen. Dort abgesetzt wurde mir von allen Seiten auf die Schultern geklopft. Ich schüttelte unzählige Hände und fühlte mich zum ersten Mal im Leben als Held. Schließlich ragte ein Berg vor mir auf, der verdächtig nach Vetter Grumbatz roch. Ich hob den Kopf und sah den Giganten zum ersten Mal lächeln.

„Das mutig“, stellte er fest. „Wir reden in Haus. Gibt Nachrichten. Wachen werden für Sicherheit sorgen. Ich nicht glauben, Werwolf kommt heute wieder. Du mitkommen.“

Ich nickte und rief nach meinen Gefährten. Gemeinsam folgten wir Vetter Grumbatz zu seiner Behausung. Kaum hatten wir die erstaunlich geräumige und ordentliche Hütte betreten, surrte auch schon die Elfe wie eine wild gewordene Hummel durch die Tür.

„Glück gehabt“, zirpte sie. „Braucht man auch bei einem Plan von diesem pelzigen Unhold.“

Wütend starrte sie Mikesch an, doch der streckte sich nur ausgiebig und ignorierte die Kritik.

Deutlich entspannter als bei unserem ersten Gespräch ließen wir uns nieder. Die Anspannung der letzten Stunden war einer starken Müdigkeit gewichen. Ich konnte das Gähnen kaum unterdrücken und sehnte mich nach meiner Schlafstelle. Was konnte es so Wichtiges geben, dass es jetzt direkt nach unserem Sieg über die Werwölfe besprochen werden musste.

„Also Kumpel, was liegt an?“, sprach Mikesch mir aus der Seele.

Schlimme Geschichte. Elisal wird erzählen“, verkündete Vetter Gorgus.

„Was ist denn das für ein Name? Klingt wie n Bodenreiniger“, feixte der Kater, doch diesmal war es an der Elfe, ihn zu ignorieren. Schnell und effizient lieferte sie ihren Bericht ab und sorgte für lange Gesichter bei ihren Zuhörern. Im Ergebnis lief es auf eine Schilderung hinaus, wie wir sie schon von Bärbeiß zu hören bekommen hatten, nur war diese Version deutlich schlimmer. Sehr viel schlimmer um genau zu sein. Nur Lebensmüde würden sich danach in den Norden wagen.

„Ich will zurück in meinen Turm!“, verkündete Mikesch, kaum dass Elisal ihren Bericht zuende gebracht hatte.

Ich war auch nicht gerade erfreut.

Eine Armee der Finsternis schien sich im Norden zu rüsten, um die Südlande zu unterwerfen. Diejenigen, die noch nicht getötet worden waren, befanden sich auf der Flucht oder versteckten sich. Alle hofften auf Hilfe aus dem Süden und schickten Boten, doch die wurden in der Regel abgefangen.

Und was wollt ihr im Norden?, wandte sich Elisal an uns.

„Ich will in den Süden und er muss Schulden abarbeiten“, antwortete der Kater bevor ich den Mund aufmachen konnte.

„Ich dachte, du suchst auch was im Norden“, hielt ich Mikesch vor.

„Ach weisste Kumpel, manche Dinge werden echt überbewertet.“

Ich seufzte.

Würde ich mich etwa allein auf den weiteren Weg machen müssen?

Doch da kam mir Elisal unverhofft zur Hilfe.

„Ich habe vor ein paar Tagen ein weibliches Exemplar deiner Gattung und ihren Begleiter gesehen. Ein schönes, stattliches Tier. Sie sind auf der Suche nach einem mächtigen Magier, der ihnen gegen die Bedrohung beistehen soll“, zwitscherte sie mitteilsam, worauf Mikesch plötzlich aussah, als hätte ich ihm eine Ladung extra scharfe Peperoni ins Abendessen gemischt.

„Du hast eine hübsche Katze hier in der Gegend gesehen?“, miaute er, während er aufgeregt herum hüpfte wie ein geisteskrankes Kaninchen.

„Die einen mächtigen Magier sucht“, ergänzte Elisal spitz.

Das brachte Mikesch auf den Boden der Tatsachen zurück.

„So ein Pech, warum bin ich nur immer in der falschen Gesellschaft unterwegs?“, beschwerte er sich bei mir. Fast hätte ich mich entschuldigt, so vorwurfsvoll sah Mikesch mich an.

„Du kommst also weiter mit in den Norden“, stellte ich fest. In den Augen des Katers konnte ich die Hoffnung lesen, unterwegs auf besagte Katze zu stoßen.

„Hmmm. Wir müssen aber noch an deinem Image feilen. Von einem mächtigen Magier bist du weiter entfernt als ich von Australien.“

„Was ihr wollt dort?“, fragte Vetter Grumbatz erstaunt.

„In Australien? Nun, da gibt es Kängurus, Bumerang Kurse, ne geile Oper und..“

„Er meint den Norden“, unterbrach ich den Kater. „Das ist eine lange Geschichte und fing mit Kohl an...“, fuhr ich fort und erzählte das, was ich bisher noch ausgelassen hatte. Ich schloss mit der Hoffnung, an der Mine der Zwerge auf Bärbeiß und seine Zwergentruppe zu stoßen. Wenn ich diese Truppe hinter mir oder besser vor mir wüsste, könnte man sich ganz in den Norden wagen, um dort aufzuräumen.

Darauf herrschte erst einmal betretenes Schweigen, wie nach einer besonders erschütternden Trauerrede.

„Du so gut wie tot“, stellte Vetter Grumbatz nüchtern fest. Ich dankte ihm für diese aufmunternden Worte, während Mikesch dies vorsorglich zum Anlass nahm, nach einer ominösen Busverbindung in den Süden zu fragen. Da ich leider keine Ahnung hatte, wie ich zu dieser Mine gelangen sollte, fragte ich Vetter Grumbatz, der ja schließlich schon einmal da gewesen war. Die Antwort war allerdings alles andere als hilfreich.

„Wir müssen zurück zum Staudamm, um das Gebirge am anderen Seeufer zu überwinden?“, fragte ich ungläubig nach.

„Mit den Werwölfen einen heben gehen und anschließend bei den alten Kumpels am Damm vorbeischauen“, miaute Mikesch. „Klingt nach ner super Reiseroute, die...

„Wir können nicht zurück“, unterbrach ich das Gejaule des Katers.

„Dann müsst ihr den zweiten Weg nehmen“, flüsterte Elisal mit furchtsamer Stimme.

Ich war irritiert. Irgendetwas sagte mir, dass das gar keine gute Idee wäre.

„Du besser einen trinken gehen mit alten Kumpels am Damm“, riet Vetter Grumbatz mir wohlwollend und bestätigte damit meine Befürchtungen. „Anderer Weg führt durch verfluchtes Land. Niemand freiwillig geht dahin, keiner jemals zurückgekommen.“

„Wahrscheinlich weil's das reinste Paradies ist, wo keiner wieder weg will“, vermutete Mikesch sarkastisch. „Das Land wo Milch und Honig fließt. Gute Reise und schreib mal ne Karte oder schick ne What's up.“

Ich ignorierte den Kater und fragte nach dem Grund für die Schrecken dieses Landstrichs. Die Antwort war ein Mix aus Fakten, Legenden und Mythen, die einem prima die Haare zu Berge stehen lassen konnten.

„Eine gigantische uralte Stadt also, mit Gefahren auf jedem Schritt“, wiederholte ich nachdenklich die Schilderung Elisals. Die nickte und führte ihre Hände zum Mund, bevor sie weitererzählte, als würde sie befürchten, von unerwünschten Zuhörern belauscht zu werden. Tatsächlich sah sie sich zweimal um, bevor sie weiter ausführte.

„Die Stadt ist eine einzige Falle“, wisperte sie hinter vorgehaltenen Händen. „Überall soll es unterirdische Hallen und Stollen geben, in die man leicht fallen und umkommen kann, weil der Untergrund trügerisch ist. Die Gebäude sind überwiegend nur noch Trümmerhaufen und die wenigen, die noch stehen, sollen von grauenhaften Kreaturen bewohnt sein. Manche Bereiche sollen verseucht sein. Wer sie betritt, lebt nicht mehr lange.“

Mikesch sträubte sich das Fell.

„Klingt nach 'nem Stadtteil in Hamburg, von dem meine Dosenöffnerin immer am Telefon erzählt hat“, bekundete er. „Wenn man da nachts durch muss...“

„Sie dich da gefunden“, vermutete Gorgus.

„Ja, ich wurde verhaftet, weil ich gerade einen dummen Troll gerissen hatte.“

„Könntet ihr mit dem Unsinn mal aufhören! Wir besprechen hier unsere Reiseroute.“

„Jawohl Kapitän Odysseus“, maunzte Mikesch. „Aber ich will die Sirenen hören. So viel Zeit muss sein.“

„Mal angenommen, wir kommen da durch. Wie geht es dann weiter?“

„Wendet euch nach Nordwesten. Am Fuß der Nebelberge liegt Murksheim. Eine riesige Burganlage, die den Pass über die Berge bewacht und mehr Gesindel beherbergt, als du es dir vorstellen kannst. Zwerge gibt es auch ein paar dort. Frag nach einem Führer, aber sei auf der Hut. Du kannst dort niemanden trauen.“

„Kein Wunder, dass denen niemand zu Hilfe eilt, so wie die hier drauf sind“, miaute Mikesch.

Meine Entscheidung stand fest.

„Morgen früh breche ich auf. Ich hoffe, nicht allein“, sagte ich mit belegter Stimme. Dann erhob ich mich, bedankte mich für die Gastfreundschaft und verließ Vetter Grumbatz Hütte, um mir einen Schlafplatz zu suchen. Zumindest sollte ich gut ausgeruht sein, wenn ich mich in dieses gefährliche Terrain wagte. Hinter mir hörte ich den Kater sagen:

„...und morgen nehme ich doch den Bus.“

Wird fortgesetzt.....

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-Peter Behrens).
Der Beitrag wurde von Klaus-Peter Behrens auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-Peter Behrens als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Notizen aus der Vergangenheit. Verweht? von Elfie Nadolny



Anthologie des Inselchen-Forums.
Unsere Gedichte und Geschichten

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-Peter Behrens

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Kater und sein Magier, 16 von Klaus-Peter Behrens (Fantasy)
Halloween von Rüdiger Nazar (Fantasy)
Elina, kein Tag wie jeder andere von Adalbert Nagele (Weihnachten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen