Jens Richter

Pech gehabt, Curly Kit

Für Curly Kit war es eine wirklich gute Beobachtungsposition.
Vom Fenster seines Hotelzimmers schaute er direkt auf die Bank.
Gerade hatte der Postkutscher einen Koffer in die Bank gebracht, offenbar angefüllt mit Dollarnoten.
Morgen kommt das Flatboot wieder an, dass die Trapper und Goldschürfer mit der Ausbeute ihrer Arbeit in die Stadt bringt.
Die Bank kaufte dann die Felle und das Gold auf, für sie ein lukratives Geschäft.
Er schätzte, dass die Bank soeben 15 bis 20.000,00 Dollar erhalten hatte.
Für ihn waren die Dollarnoten interessanter, denn sie machten nur einen Bruchteil des Gewichtes von Gold aus und waren allemal besser unter die Leute zu bringen.
Zur Mittagszeit würde er zuschlagen.
Da waren die Straßen leer und der Sheriff und sein Co-Mann, deren Office gleich neben der Bank stand, waren ausgeflogen.
Er hatte die Abläufe bereits einige Tage beobachtet.
Wer sollte ihm da in die Quere kommen?
Ein Plan war schnell gereift.
Er grinste schief.
#
Die Bank war das einzigste Backsteingebäude in der Stadt, die Fenster vergittert, im Inneren mit Schalter und Tresor ausgestattet.
Hinter dem Schalter saß der alte Summerfield.
Er döste Gedanken versunken.
Er zuckte kurz zusammen, als die Tür aufschlug und Curly Kit mit vorgehaltenem Colt eintrat.
Der warf einen Leinensack durch den Schalter.
Summerfield zitterte wie Espenlaub.
"Hole das Geld aus dem Tresor da und tue es in den Sack.", knurrte Kit. "Und schlafe mir dabei nicht ein!"
Summerfield entnahm die Banknoten aus dem Tresor und füllte sie in den Leinensack.
Anschließend reichte er die Beute über den Schalter.
Kit zischte, "Wenn du mich verpfeifst, dann..."
Dabei deutete er dem Banker an, dass er ihn dann umlegen würde.
"Verstanden?"
Summerfield nickte verängstigt.
Curly Kit verließ, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, die Bank, schritt unauffällig die Straße hinunter, um dann zwischen den Häusern hindurch, von hinten zum Stall des Hotels zu gelangen.
Im Abteil seines Pferdes hingen zwei Packtaschen, in denen er das Geld verbarg.
Gegen Abend wollte er unbemerkt die Stadt verlassen.
#
Als wäre er gerade vom Hotelzimmer hinunter gekommen, ging Kit zur Theke im Foyer und bestellte sich ein Bier.
Der Gastraum füllte sich über den Nachmittag und irgendwann kam auch Sheriff John Wagner hinzu.
In der Hand eine Papierrolle.
Er wickelte das Papier auf und heftete es mit Reißzwecken an die Hoteltür.
Kit schluckte, sein Konterfei war darauf abgebildet.
Hatte Summerfield, der alte Bastard, sich doch an den Sheriff gewandt?
Gut, auf dem Bild sah er jugendlicher aus, zehn Jahre jünger in etwa.
Aber Kit musste zugeben, dass der alte Summerfield ein gutes Erinnerungsvermögen hatte.
Zumindest was Gesichter betraf.
Um nicht erst auf sich aufmerksam zu machen, wollte sich Kit auf das Hotelzimmer zurückziehen.
Er nahm das Bierglas und stieg die Treppe hinauf zu den Zimmern.
"Halt Mister", sprach der Sheriff, "sie sind fremd in der Stadt?"
Curly Kit drehte sich nur halb um und antwortete, "Ja, ich habe einige Besorgungen in der Stadt gemacht und will morgen Früh weiter nach Topeka. Und von dort zu den Goldminen in den Nordwesten."
#

Der Sheriff überlegte einen Moment, ehe er sprach.
"Ist ein weiter Weg bis Topeka. Es gibt zwei schnelle Wege dahin. Zum Einen den alten Pfad durch das Indianergebiet, der ist aber wegen der zunehmenden Überfälle nicht zu empfehlen und die Postroute. Da gibt es auf halber Strecke eine Poststation, wo sie einen Zwischenstopp einlegen können."
Kit nickte.
Glück gehabt!
Wie es ausschaut, hatte der Sheriff keinen Verdacht geschöpft, so dachte Kit jedenfalls.
Aber da hatte er John Wagner unterschätzt.
Um auf Nummer sicher zu gehen, wollte er am späten Abend aufbrechen, sich jedoch vorher noch ein wenig aufs Ohr legen.
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In der Zwischenzeit brach Trapper Jim auf, um zum Pfad durchs Indianergebiet zu gelangen.
Er war sich sicher, dass der Bankräuber diesen Weg einschlagen würde, den der musste auf den Bluff des Sheriffs hereingefallen sein.
#
Curly Kit brach kurz vor Mitternacht auf und nahm tatsächlich den Indianerpfad.
Hatte der Sheriff wirklich geglaubt, dass er ihn zur Poststation lenken könnte, um ihm dort in einen Hinterhalt zu locken?
Er kicherte bei dem Gedanken, dass der Sheriff dort versauert.
Er hatte Glück, die Nacht war klar mit hellem Mondschein und einem mit Sternen übersäten Himmel.
#
Der Morgen dämmerte bereits.
Trapper Jim war jetzt Stunden auf dem Pferd gewesen.
Er brauchte dringend etwas Ruhe.
Deswegen schlug er ein Lager am Wegesrand an, entzündete ein kleines Feuer, um sich einen Kaffee zuzubereiten.
Und schlummerte kurz weg.
#
"Good Morning, Lederstrumpf."
Trapper Jim schreckte auf und sah einen einzelnen Reiter, der auf ihn zukam.
Er scholt mit sich.
Das hätte verdammt schief gehen können!
Einschlafen durfte man in der Prärie wirklich nicht.
Von den Indianern hatte er zwar nichts zu befürchten, denn Trapper und Indianer lebten in der Regel friedlich miteinander.
Gefahr drohte von Gaunern, Relvolverschwingern, Tramps und ehemaligen konföderierten Soldaten, die orientierungslos durch das Land streunerten und es unsicher machten.
Dieser körperliche Lapsus erinnerte Jim wieder daran, dass er nach der schweren Verletzung, die ihm der Braunbär zugefügt hatte, noch nicht hundertprozentig auf dem Posten war.
"Darf ich mich ans Feuer setzen und vielleicht etwas von dem Kaffee abhaben?"
Curly Kit grinste Jim erwartungsvoll an.
Jim nickte und bot dem Mann einen Platz am Feuer an.
Der Trapper erkannte den Mann sofort vom Steckbrief, obwohl Kit seinen Cowboyhut halb ins Gesicht gezogen hatte.
Er schwang sich von seinem Gaul, dabei bemerkte Jim dessen Colt.
Kit nahm ein Stück Kautabak aus seiner Jacke, brach es entzwei und bot Jim eine Hälfte an.
Der Trapper goss Kaffee in einen Pott und reichte ihn dem Mann.
"Der Kaffee ist eine Wohltat.", stöhnte dieser zufrieden.
Jim sprach sein Gegenüber an, "Und sie Mister, woher kommen sie?"
"Aus Saint Louis und jetzt geht es über Kansas City direkt nach Topeka."
"Das ist ein anständiger Ritt!"
Kit nickte und sprach weiter, "Ich habe mit meinem Companion Land an die Bahngesellschaft verkauft, aber der Schurke wollte mich abziehen. Jetzt liegt er auf dem Friedhof in Saint Louis."
Selbstzufrieden klopfte er dabei auf seinen Colt.
Kit, der in Jim den Co-Mann des Sheriffs aus Kansas City erkannt hatte, wollte, bevor die Situation brenzlig wurde, das Weite suchen.
#

Er trank den Kaffee aus, richtete sich auf und zog seinen Colt.
Jim griff instinktiv nach seiner Büchse.
"Los steh auf und lege dein Gewehr zur Seite.", befahl Curly Kit.
Jim war noch immer sauer auf sich, dass er sich wie ein Greenhorn benommen hatte, doch er tat erst einmal wie ihm geheißen wurde.
Jetzt musste ihm zeitnah eine gute Finte einfallen.
Er lachte plötzlich hysterisch auf.
Kit stierte ihn argwöhnisch an, "Was gibt's jetzt zu lachen?"
Jim antwortete, "Hinter dir hat sich eine Waldklapperschlange aufgerichtet. Wenn du dich nicht vorsiehst, beißt sie zu!"
"Klar, und die Erde ist eine Scheibe.", wehrte Kit kopfschüttelnd ab. „Warum rasselt sie dann nicht?"
"Das tun sie nur, wenn sie drohen. Nicht kurz bevor sie angreifen."
Sicherheitshalber drehte sich Curly Kit doch um.
Jim nutzte diesen kurzen Augenblick, pirschte zu Curly Kit vor und hämmerte ihm seine kräftige Faust direkt gegen die Schläfe.
Der Mann fiel wie ein nasser Sack zu Boden.
Der Trapper fesselte ihn und durchsuchte die beiden Packtaschen des Überwältigten.
In jeder waren einige Bündel Dollarnoten.
Auf den Banderolen stand "Bankhaus Summerfield & Sons".
#
Als Kit wieder zur Besinnung kam, versuchte er auf Jim einzuwirken.
"He, Mister, lass uns das Geld teilen und jeder geht im Anschluss seiner eigenen Wege."
Als der Trapper fragte, woher das viele Geld stammte, bekam er natürlich keine Antwort von Kit.
Darauf sprach Jim mit ruhiger Stimme, "Ich bin übrigens Trapper Jim, die rechte Hand von Sheriff Wagner aus Kansas City und du bist ein übler Bankräuber. Ich bringe dich jetzt in die Stadt zurück. Was dann aus dir wird, entscheidet ein Richter."
Er setzte Kit auf dessen Pferd, band ihm Beine und Hände und schon ritten sie los.
#
Es war ein Ritt von reichlich sieben Stunden, in der Kit Jim immer wieder umzustimmen versuchte, aber der reagierte nicht.
So erreichten sie Kansas City.
Das Bankhaus Summerfield erhielt das geraubte Geld vollständig zurück und Kit wurde im Office des Sheriffs eingelocht.
"Johnny Respekt, du hattest wirklich einen guten Riecher. Curly Kit ist auf deinen Bluff mit den beiden Wegen prompt hereingefallen.", sprach Jim anerkennend.

Ende
(C) Jens Richter

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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