Sokrates erzählte folgendes Gleichnis auf einem Symposium über die richtigen und optimalen Unterrichtsmethoden, auf dem die Teilnehmer, statt wissenschaftlich offen und neutral Erfahrungsberichte auszutauschen, jeweils unflexibel auf einseitigen Unterrichtsmethoden beharrten und eine neutrale Ergebnisbilanz nicht möglich war.
Sokrates: Ein bekannter Ernährungswissenschaftler wollte einmal durch einen Ernährungstest herausfinden, welche Kostform die gesündeste und zugleich die schmackhafteste wäre.
Er teilte deswegen die an diesem Versuch teilnehmende Personen in verschiedene Gruppen auf und ließ jede Gruppe sich einseitig von verschiedenen, aber vollwertigen Kostformen ernähren. Am Ende eines Jahres sollten dann alle Teilnehmer auf Gesund-heit und Wohlbefinden hin untersucht werden und daraus wollte er Empfehlungen für eine optimale Ernährung ableiten. Als einseitige, aber vollwertige Kostformen hatte er ausgewählt: Überwiegend frugale Kost, veganische Kost, lakto-vegetarische Kost, traditionelle Bauernkost, überwiegende Milch-Käse-Kost, überwiegend Fleisch-Kost, überwiegend Fisch-Kost und bestimmte asiatische Kosttypen.
Bereits nach 1 Monat, als er zu einem ersten Kontrollgespräch die Gruppen besuchte, erlebte er insofern eine Überraschung, als es bei jeder dieser einseitigen Kostformen einige Personen gab, die sich wohler fühlten als bisher und künftig bei diesem Kosttyp bleiben wollten, dass aber die Mehrheit der jeweiligen Kosttyp-Gruppe ein zunehmend quälendes Verlangen nach Abwechslung in der Ernährung bekam und sich bei ihrer jeweils einseitigen Kost, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr so wohl fühlte wie früher bei ihrer gemischten Kost.
Bereits nach 3 Monaten wurde der Versuch insofern unterlaufen, als immer mehr der Probanden heimlich oder auch ganz offen andere Kosttypen verzehrten und dadurch Abwechslung in ihre Ernährung brachten. Der Ernährungswissenschaftler brach den Versuch daraufhin ab. Er konnte als Bilanz nur Folgendes feststellen:
- Eine Minderheit von Menschen fühlt sich, aus welchen Gründen auch immer, bei einseitigen Kosttypen wohler als bei gemischter Kost und ist daher geneigt, ihren jeweils einseitigen Kosttypus als besonders optimal zu loben und andere Kostformen negativ zu beurteilen.
- Die Mehrheit der Menschen wünscht sich aber eine abwechslungsreiche Kost und fühlt sich dabei am wohlsten. Es ist nur darauf zu achten, dass diese abwechslungs-reiche Kost auch vollwertig ist.
So, liebe Teilnehmer an diesem Methoden-Symposium, ähnlich ist das auch bei der Frage nach der optimalen Unterrichtsform. Eine Minderheit von Schülern lernt bei bestimmten einseitigen Unterrichtsformen am besten, die Mehrzahl lernt bei einer Methodenvielfalt, also bei regelmäßigem Methodenwechsel, am besten. Dabei kann der Unterrichtsformen-Wechsel von Lehrer zu Lehrer an einem Schultag oder durch einen regelmäßigen Methoden-Wechsel bei den einzelnen Lehrern zustande kommen. Denn wenn eine bestimmte Unterrichtsform zu lange praktiziert wird, wirkt sie für die Mehrzahl der Schüler einseitig und langweilig und ruft den Wusch nach einer anderen Form hervor.
Jeder von Euch hat also mit seinen Ausführungen und seinen Hinweisen auf Vorteile und Nachteile bestimmter Unterrichtsformen Recht, aber nur innerhalb einer offen praktizierten Methoden-Vielfalt. Deswegen ist es auch falsch, eine Prioritätenliste, ein Ranking, aufstellen zu wollen. Denn jede Unterrichtsmethode hat ihre Vorteile und Nachteile und wird über kurz oder lang Befürworter und Ablehner haben. Es gilt die alte Einsicht: Die gute Mischung macht's - wie bei Essen.
Der Symposium-Leiter schloss daraufhin das Rundgespräch - mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung und mit einem dankbaren Blick zu Sokrates hinüber. Die Teilnehmer gingen anschließend ohne Zank und Streit, einige zwar mit einem leisen Gebrumme, aber alle nachdenklich, auseinander.
(Verfasst von discipulus Sokratis, der im Hintergrund dabei saß und sich an andere, selbst miterlebte pädagogische Diskussionen mit festgefahrenen Meinungen erinnerte)
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.05.2012.
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