Hans Raasch

Was die Griechen sonst so machen

Die Ruhe ist wieder eingekehrt – und die Besinnlichkeit. Die Touristen aus aller Herren Länder sind längst wieder abgereist. Die Einheimischen aber erinnern sich nach verdienter Verschnaufpause an ihre alten Traditionen und Gebräuche.

Heute möchte ich über eine orthodoxe Pfarrerfamilie aus einem kleinen Ort im Nordwesten Griechenlands berichten. Das Dörfchen, heute Polyneri genannt, hat etliche hundert Einwohner – die allermeisten ihrer Vorväter sind erst nach der Vertreibung der albanischen Muselmanen ende der vierziger Jahre zugezogen. Früher hatte das Dorf den albanischen Namen Kutsi, aber nachdem die ungewollten Mohammedaner weggezogen waren und griechische Leute angesiedelt wurden, suchte man wie in den meisten Dörfern im Nordwesten nach einem geeigneten griechischen Ortsnamen. Das Ende der vierhundertjährigen türkischen Unterdrückung sollte nun durch eine neue Benennung der Dörfer für eine bessere Zeit symbolisch gemacht werden. Der Name Polyneri (viele Gewässer) ergab sich aus der Tatsache, dass in der näheren Umgebung hierorts viele erschließbare Quellen vorhanden sind.
Auch zwei antike Ruinen sind in dem kleinen Bergdorf zu besichtigen. Eine aus venezue- nischer Zeit und eine sehr alte aus dem vierten Jahrhundert vor Christus.
Die fleißige Pfarrerfamilie in diesem hochgelegenen Dörfchen besteht aus dem Popen Kristos und seiner Ehefrau Eftichia samt deren vier Kindern im Alter zwischen 5 und 20 Jahren. Das Pfarrerehepaar Anfang bis Mitte der 40 kann von dem nicht gerade üppigen Lohn, den die Kirche bietet, ihre Kinder kaum großziehen. Viel Idealismus von Beiden gehört zur Ausübung dieser Berufung. Deshalb arbeitet Frau Eftichia über die ganze Saison hinweg auf einem Campingplatz in der Nähe von Igoumenitsa, wo die großen Autofähren von Italien ankommen. Ab Herbst aber – wenn die Weintrauben zur Lese reif sind – wird hier einer der besten Brände der Gegend fabriziert. Die Lizenz ist zwar auf die Ehefrau angemeldet, aber mithelfen muss jeder Erwachsene in der Familie. Nur die drei Kleineren Vasiliki , Dimitrios und die 5-jährige Marina dürfen wie alle griechischen Kinder ihre Jugend genießen. Sie stehen im Mittelpunkt der Familie. . Das Geheimnis der hohen Qualität dieses Getränks besteht aus dem erstklassigen Rohmaterial, welches die Pfarrerfamilie verwendet. Die weißen süßen Trauben werden vor dem Keltern von sämtlichen Hölzchen und Ästchen befreit, denn „das gibt Kopfweh“, wie Pappa Kristos erklärt. Heute gibt es zu diesem Arbeitsgang eine Maschine, früher war das aber eine zeitraubende Knochenarbeit. So werden nur die puren ganzen Trauben gepresst zu einer Maische vergoren. Beim späteren einmaligen Brennvorgang wird die Maische in einem Kessel erhitzt und dann in einem kompliziert anmutenden Destillationsgerät mit einem sicherlich noch komplizierteren Innenleben gekühlt. Der erste Liter jeder Marge muss weggekippt werden – wieder wegen der sonst auftretenden Kopfschmerzen. Rein chemisch entsteht durch das Holz, aber auch vor dem ersten Durchlauf Methylalkohol und der muss sorgfältig und radikal entsorgt werden. Kopfweh aber auch Blindheit wenn nicht sogar der Tod können die Folge beim Verzehren dieses Giftes sein.
Der erwachsene Teil der Familie wechselt sich im Achtstundentakt bei der Brennerei ab. Dazu zählt inzwischen auch der 20-jährige Antonios, dem ich bei der Arbeit über die Schulter schauen darf. Er erklärt mir in feinem schulenglisch den Unterschied zwischen einem italienischen Grappa, der aus Trester oder wie er sagt, aus Abfall gebrannt wird. Zwischendurch kontrolliert er die Reinheit und den Alkohohlgehalt des Brandes und leert das gefüllte Gefäß unter dem Destilliergerät in einen großen Behälter. Dort wird der Alkoholgehalt der verschiedenen Margen nochmals korrigiert.
Acht Wochen lang wird bei Pfarrers gebrannt, dann ist die Brennsaison beendet. Natürlich werde ich vom gastfreundlichen Pfarrer Kristos auf deutsch immer wieder aufgefordert, mir einen Schluck zu genehmigen. Aber ich bin mit dem Auto unterwegs und er war lange genug in Deutschland um meinen Standpunkt über Alkohol am Steuer zu verstehen. Fast das gesamte Erzeugnis seiner Brennerei wird von Wirten der nahe liegenden Hotels und Restaurants vorbestellt. Nur eine kleine Menge bleibt für den Eigenbedarf. Auch Pappa Kristos muss natürlich Alkoholsteuer an den griechischen Staat abführen.
So verabschiede ich mich von der sympathischen Pfarrersfamilie mit der Gewissheit, wieder etwas Neues dazu gelernt zu haben.

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