Erik Müller

Instagram- oder auch die einfachste Art Komplimente zu machen

Meine Oma betrat letztens wegen eines Besuches mein Haus, sah mich an und fragte mich ernsthaft, warum ich denn kein Modell sei. Beim nächsten Treffen beschwerte sie sich, genauso ernst wie beim ersten Mal, warum sie denn nicht nochmal jung sein könnte. Aber nicht, weil man dann mehr machen könne oder weil das Leben ja jetzt bald zu Ende sei. Nein, sie sagte zu mir: "Warum kann ich denn nicht nochmal jung sein, dann könnte ich mit dir ausgehen."

Diese Sätze haben mich auf irgendeiner Weise geprägt und auch irgendwie stolz gemacht. Natürlich kommen die meisten Großeltern nicht rein und fragen, warum man denn nicht bei dem Hässlichkeitswettbewerb in China mitmacht, und ja den gibt es wirklich, sondern machen eher Komplimente. Aber weil meine Oma nicht mit Komplimenten um sich wirft, sondern vergleichsweise sparsam damit umgeht, hat mich das doch irgendwie berührt.

Wir Jugendlichen leben gerade leider in einer Welt, in der wir Komplimente eher anders rüber bringen und zwar ohne die Ernsthaftigkeit und der Seltenheit meiner Oma, sondern eher mal so eben und das dann nicht mal von Angesicht zu Angesicht, sondern meistens eher über Instagram und dessen Kommentarfunktion und wie diese vermeintlichen "Komplimente" aussehen und wo die Gründe für diese Kommentare liegen, möchte ich ihnen kurz schildern.

"OMG sooo hübsch", "Ich liebe dich so mein Schätzelein", "Wie kann man nur soooo toll sein?"

An was dachten sie, als sie diese Sätze hörten? Vielleicht an die Reaktion von Frauen bei der Präsentation der neuen Make-up Kollektion von Maybelin New York, die eher Make-down heißen sollte, oder an eine Person, die den Partner bewundert und liebt, oder vielleicht doch an betrunkene Nachrichten von dem Ex?

Nein, es ist der Kommentarbereich von Instagram bzw. der von den weiblichen Nutzern zwischen zwölf und 18 Jahren. Es läuft immer gleich ab. Ein Mädchen postet ein Bild, ein anderes Mädchen, oder gegeben falls der feste Freund, kommentiert darunter mit den oben erwähnten Sätzen wie: "Hübscheste aller Hübschen", "Alter du Modell, ich fall grad in Ohnmacht" etc. etc. und dann antwortet das Mädchen, die das Bild gepostete hat mit Sachen wie: "OMG nein du bist viel hübscher" oder "Sagst grad du" und so geht das unter jedem dieser Bilder ab. Posten, Kommentieren, Kommentar kommentieren.

Als Junge geht man da allgemein meistens eher lehr aus. Die einzigen Kommentare unter Bildern von heterosexuellen Jungs in dem Alter sind Sachen wie: "Hey die Frau im Hintergrund sieht echt gut aus" oder "Schwöre Gott bist du hässlich xDDDD" Das ist ein bisschen so wie im Kunst Unterricht. Bei den Mädchen einen Haufen von Komplimenten und den daraus folgenden Selbstzweifel und bei den Jungs der Wettbewerb, welches Bild denn am Ende das hässlichsten ist. Die Kunstnoten, die daraus folgen, lassen wir mal lieber aus Acht.

Ich frage mich beim Lesen dieser Kommentare immer, ob die Personen denn Kommentare wie: "OMG Hübscheste", überhaupt ernst nehmen, wenn der Kommentar noch unter Bildern von drei weiteren Mädchen steht und dabei von derselben Person verfasst wurde. Aber vielleicht sollte man doch einfach nochmal Steigerungsformen in Deutsch durchnehmen, dann würden bestimmte Personen vielleicht merken, dass es nur eine "Hübscheste" geben kann.

Aber das beste was ich letztens gesehen habe war ernsthaft der Satz: "Wie kannst du denn nur so ein schönes Gesicht haben" unter einem Bild auf dem jeglich der Brustbereich zu sehen war. Aber keine Sorge, ich verwechsle auch ständig Brüste und Gesicht, ist bei Testosteron-gesteuerten-Jungs glaube ich keine Seltenheit. Vor allem beim normalen Blickkontakt.

Wenn ich so Kommentare lese, denke ich auch immer über den Sinn dieser Kommentare nach und über die Zeit, die man dadurch verschwendet. Obwohl ich, wie ich zugeben muss, gerade ja nicht besser bin. Ich lese sie ja gerade sogar noch alle durch. Obwohl ich dafür woanders spare, ich kürze zum Beispiel die Abkürzung von "Okay" ab. Sie glauben gar nicht, was man alles mit der halben Sekunde machen kann, weil man statt "Okay" nicht "OK" geschrieben hat, sondern nur ein einfach "K".

Aber ich bin zu einem Entschluss gekommen, was denn die Kommentare bringen für die Gesamtheit. Man kann zum Beispiel in ein paar Fällen merken, wie intelligent oder wie schlau die Kommentarschreiber sind. Wer auf "OMG du bist einfach perfekt", mit "Neeein du bist perfekter" antwortet, der hat die Deutsche Sprache vielleicht doch noch nicht ganz verstanden.

Aber um doch einmal auf die Gründe dieser Kommentare zu kommen. Weil der Grund leider nicht ist den Mitmenschen öffentlich zu zeigen, wie scheiße denn seine eigene Deutschkenntnisse sind, muss er ja woanders liegen. Aber wo?

Vielleicht um echt Leuten Komplimente zu machen und vielleicht sind es nur so viele, weil unsere Generation überfreundlich ist. Oder vielleicht, weil man ganz gerne ein Kompliment zurück haben möchte weil sein eigenes Selbstbewusstsein vernachlässigt ist.

Oder einfach, weil es die Menschen gerne schnell, effizient und in großen Mengen haben wollen und weil es aber leider sehr komisch rüber kommt, wenn man im echten Leben alle zehn Minuten einer anderen Person sagt, dass sie die Schönste ist, muss man es halt über Instagram machen. Das gute hierbei ist, kein anderer, außer der Schreiber und der Empfänger, liest sich die Kommentare durch. Also fällt es auch gar nicht auf, wenn man jeglichen Leuten in seinem sozialen Umfeld so Komplimente macht. Jeder liest nur seine eigenen und jeder fühlt sich damit gut und vielleicht auch ein bisschen Stolz.

Da haben wir ja vielleicht den Grund dieser Kommentare. Man will sich "special" fühlen und weil man leider keine Komplimente bekommt, wenn man keine macht, macht man halt selber bei allen so viele, wie es nur geht. Das Resultat: man bekommt selber ganz viele Kommentare und weil man nur seinen eigenen Kommentarbereich wirklich ansieht, fühlt man sich gut und special. Win Win situation.

Im Grunde ist das ja gut, jeder fühlt sich gut und schön. Außer und da liegt vielleicht ein Problem, die Leute, die kein Instagram haben und einfach keine Kommentare bekommen, weil sie sich zum Beispiel lieber aus dem Mainstream Zeug heraushalten wollen, diese Leute müssen halt leider auf die Komplimente von der Oma zurückgreifen. Oder warum denn zurückgreifen, auch wenn ich 100 Instagram Kommentare bekommen würde, würden sie mir trotzdem nicht wichtig sein.

Dies vielleicht, weil einfach nur die seltenen und ernsten Komplimente, die man im echten Leben bekommt hängenbleibe. Für die Übergangszeit, bis man wieder so ein Kommentar bekommt, muss halt Instagram hinhalten.

Aber an alle, die sich nur nach diesen Kommentaren definieren und sich so richtig schön special fühlen;

Remember, everyone is special.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.06.2018. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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