Karl-Konrad Knooshood

Deutschsprachige Musikwunder 48 - Buchstabe R 475 bis R 486

 


 

 

  1. RAMMSTEIN – "Deutschland" (2019)

Fällt mir, ehrlich gesagt, schwer, etwas über dieses durchaus unschmeichelhafte Lied zu schreiben! Es ist nicht zwangsläufig "deutschlandfeindlich", nicht mal "deutschenfeindlich", hat jedoch einen Impetus und einen dazugehörigen Duktus, die zu denken geben und schaudern lassen. Der musikalische Teil des Songs wird in sämtlichen Medien ein wenig mit "Our Darkness", einem Synthi-Pop- und New-oder eher Dark-Wave-Stampfer mit einer eher "shoutenden" als singenden Sängerin namens ANNE CLARK aus dem Jahre 1984 (ein Remix von 1997 liegt mir vor und wird als Einbalsamierungssoundtrack bei meiner Totenzeremonie nach altägyptischem Brauch fungieren.

Doch das ist alles scheißegal. Auch das Musikvideo, in dem die fiktive Göttinnengestalt der GERMANIA, der sozusagen "germanische/deutsche Gründungsmythos" (vergleiche auch die ähnlich angelegte Figur der französischen Kultur, die MARIANNE), nicht blond und weiß ist, sondern pechschwarz. Alles nur Petitessen.

Es ist die katastrophale Einfallslosigkeit der Band RAMMSTEIN und ihres Sängers, Texters TILL LINDEMANN, die hier ihr Übriges tut: Nach all den Jahren, nach 10 Jahren ohne neues Studioalbum, war dies das erste neue Lied, das vor dem Album kam – und wiederum: Nichts anderes fällt den Herrschaften dazu ein, in der komplizierten aktuellen Realität wenigstens eine mittlere Position einzunehmen? Ihnen fiel nichts weiter ein, als im Lied, sowohl textlich als auch im Musikvideo fast ausschließlich auf den Holocaust, die Nazis, das Dritte Reich zu verweisen – und, von dortaus ausgehend, in dieselbe Zeitgeistkerbe zu schlagen, wie es die linksgrüne Mainstream-Schickeria tut, die das Overton-Fenster katastrophal nach links verschoben hat, sodass selbst legitime konservative Positionen jetzt bereits als inakzeptable "rechtspopulistische" "Hassrede" gelten und ihre Äußerer direkt mit den genozidalen Arschgesichtern rund um den Mann mit dem schmalen schwarzen Oberlippenbart und dessen Mordbrennerei gleichgesetzt werden?! Mehr kann man nicht erwarten?

 

Gut, dass RAMMSTEIN selbst im Verdacht stand, rechtsextrem oder "Nazi" zu sein, ist bekannt: Sie kokettierten mit gefährlichem Image, spileten mit Nazi- und NS-Symbolik und –Ästhetik – und das gerollte R erschien ebenfalls schwer "verdächtig". Denn in Deutschland kann man nicht unterscheiden zwischen Parodie durch Lächerlichmachung und wahrer Verehrung für beschissene Ideologien. Seit jeher nicht. Was wir aus unserer Geschichte gelernt haben, ist nämlich ein untertäniger Selbstverleugnungs- und Selbsthass-Geist, der einen Großteil von uns dazu veranlasst, im Sinne von "Hauptsache nie wieder", jeden Mist mitzumachen, den das MERKEL-Regime für unser schönes Ländchen vorsieht.

Nun, dass RAMMSTEIN also eher "links" sind, machten sie längst mit "Links 2, 3, 4" klar, einem Lied von ihrem dritten Studioalbum "Mutter" (2001). Dass man entsprechend nicht erwarten kann, dass sie auch nur im Entferntesten Patrioten (nicht mal beim Fußball) sind, selbst wenn diese Vaterlandsliebe eben nicht bedeutet, dass man alle anderen Nationalitäten verachtet! Nationalchauvinismus, wie man dieses Phänomen nennen würde, ist nicht drin. Dennoch: Man fühlt sich doch seinem eigenen Land verbunden!

Wie sie dann über Deutschland wie über eine geschundene Person, vielleicht wie über eine gepeinigte Frau, sprechen, wäre zunächst als Mitleid und Zuneigung interpretierbar, doch schon im nächsten Halbsatz wird alles zunichtegemacht: "kann dich nicht lieben". Dass man Deutschland "hassen muss", wird zwar ironisch gebrochen, man merkt an dieser Stelle, dass die Deutschlandhasser und "Deutschland verrecke"-Antifanten plus Anhang genauso wenig Zuspruch von RAMMSTEIN zu erwarten haben wie die engagierten Patrioten, denen ständig pauschal von linker Seite unterstellt wird, sie hätten was gegen die Demokratie – was natürlich nicht stimmt.

Insofern nimmt RAMMSTEIN hier nun doch eine Mittelfeldposition ein, die aller Ehren wert ist.

 

Was auch immer sie damit auslösen wollten: Nicht nur, dass das auf insgesamt knapp 10 Minuten ausgedehnte, kurzfilmartige Musikvideo auf dem neuesten Stand modernster Effekt- und Tricktechnik, besten CGI ohne Augenkrebs erzeugende Elemente ist, geradezu episch. Nein, zum anderen ist es provozierend für beide Seiten des politischen Spektrums. RAMMSTEIN kommt wiedermal das große Verdienst zu, beide Seiten des großen politischen Schismas in Deutschland gegen sich aufgebracht zu haben: Unsereiner und viel überzeugtere Vollblutpatrioten sahen darin einen Affront. Eines dieser typischen Lieder, die wiedermal die Ablehnung Deutschlands dokumentieren und dabei jegliche Liebe und Zuneigung zu Deutschland mit deutschen Großreich- und (Welt-)Eroberungsphantasien verwechselt – und die Deutschland auf die fürchterliche Vergangenheit vor Gründung der heutigen, zivilen Bundesrepublik (und nur auf diese, nicht etwa im Osten die SED-Diktatur) reduzieren.

Linke und linksextreme Zeitgenossen regten sich hingegen über zweierlei auf: Das Lied sei zum einen nicht "deutschlandkritisch" (vulgo: deutschlandhassend) genug, zum anderen wurde sich über das Video mokiert, da es in ihm, in einem kurzen Streifzug durch die bewegte, jahrhundertealte deutsche Geschichte, selbstverständlich auch einen Abstecher zum Holocaust gab, mit den Bandmitgliedern in KZ-Häftlingskleidung inklusive Hinrichtungsszene.

Dabei war das Video immerhin noch etwas weniger einseitig mit der deutschen Geschichte…

 

Somit gelang es den RAMMSTEIN-Herren meisterhaft, beide Seiten gegen sich aufzubringen. Ob es was gebracht hat? Nun, sie waren wieder im Gespräch. Das neue Album, unbetitelt, aber man könnte es schlicht "Rammstein" nennen, nur mit einem Streichholz mit rotem Zündstoffkopf auf dem Cover, vor weißem Hintergrund, war sogleich im Gespräch, enthielt aber, außer "Radio" (siehe etwas weiter unten) kaum Höhepunkte, vielleicht von "Puppe" abgesehen. Ob die Wortspiele verzweifelte Kreativitätsbankrotterklärungen sind, ob "Deutschland, Deutschland, über allen", als schwebte es, auf den verbotenen Teil des Deutschlandliedes anspielend, über all den um und gegen es Kämpfenden, das "Richtige" ist für ein Lied: Das muss irgendeine ferne Zukunft klären. Doch das langsame Siechen und Sterben Deutschlands, das in "Deutschland! Dein Atem so kalt – so jung und doch so alt!", ist reichlich abstoßend. Da leben Totgesagte vielleicht doch ein wenig länger. Auch das wider jede Spaltung argumentierende: "Im Geist getrennt – im Herz vereint" ist eine mit der jetzigen Wirklichkeit kaum noch zu vereinbarende Wunschdenken-Nebelkerze. Auch die Reihungen mit "über" wollen nicht mehr so recht in das moderne Deutschland-Bild passen. Da bewegt man sich in längst brackig gewordenen Fahrwässern und auf extrem ausgelatschten Pfaden. Das Gegenteil ist der Fall, "unter", man unterwirft sich, das ist unser Land 2015 ff. Alles für das Fremde, die Fremde(n), nichts für sich selbst, im letzten verbliebenen Größenwahn – nämlich dem, die ganze Welt im Alleingang retten zu wollen…Auch sonst gilt: Die Herren RAMMSTEIN machen es sich hier entsetzlich einfach. Als harte Abrechnung ist es musikalisch natürlich eine Wucht. Wenn man den Text halbwegs ignorieren kann. Oder man ihn anders interpretiert…Natürlich sind der Interpretationen viele möglich…Nur: Wer ein positives Lied über Deutschland will, wird höchstens noch bei DIE PRINZEN fündig (siehe sehr viel weiter oben). Immerhin!

 

  1. RAMMSTEIN – "Donaukinder" (2009) 

Nur auf der Extended-Version des Albums "Liebe ist für alle da" enthalten, bei der sich auf einer zweiten CD fünf zusätzliche Songs, eigentlich B-Seiten, befanden, einer davon eine opulente Orchestral-Version des finale Albumsongs "Roter Sand", ist dies ein gemächliches Lied, in dem ein Kinderchor vorkommt, ansonsten TILL LINDEMANN aber eine wahre Geschichte besingt, die irgendwann im späten Mittelalter, eventuell der frühen Neuzeit, stattgefunden hatte: Die Donau, dieser lange, schöne Fluss, trug eine gefährliche Krankheit mit sich, durch die das Vieh erkrankte, als es vom Wasser trank, die Menschen erkrankten, die das Vieh aßen oder dessen Milch tranken und immer so weiter.

Eine Seuchengeschichte in Zeiten von Corona? Nein, das Lied kam 2009, erblickte das Licht der Welt, als man sich noch nicht völlig übertrieben irremachte wegen eines grippeähnlichen Virus. Als man noch nicht die Bürger zu übertriebenen Maßnahmen zwang und praktisch das ganze Land ohne wirkliche Not dichtmachte und wirtschaftlich in die Jauche fuhr.

Nein, der Liedinhalt spielt zu einer Zeit, als die Menschheit sicherlich noch nicht mal von der Existenz dieser winzig kleinen Krankheitserreger und jegliche Arten von Bakterien wussten. Und es ist eine historische Schilderung, wenn man so will. Dass viele Kinder dabei draufgingen, ist ein unangenehmer Begleiteffekt, der in der im Lied immer wieder aufgeworfenen Frage "Wo sind die Kinder" (die auch vom Kinderchor mitgesungen wird) bearbeitet wird.

 

  1. RAMMSTEIN – "Du hast" (1997)

Ich weiß es noch wie gestern, obwohl es fast 24 Jahre her ist, wie die erste Reaktion meiner Mutter auf diesen bekanntesten Song von RAMMSTEIN bis dato war. Er war so ziemlich die zweite Single überhaupt, die RAMMSTEIN aus ihrem damals zweiten Album "Sehnsucht" auskoppelten, nach dem überraschenden kommerziellen Durchbruch mit "Engel" (siehe etwas weiter unten). Das reizvolle, auf Doppeldeutigkeit abzielende Wortspiel im sonst für RAMMSTEIN-Verhältnisse wortkargen Lied zwischen der zweiten Person Singular des Verbs "haben" und dem Gleichklang der zweiten Person Einzahl des Tuworts "hassen" haben es mir besonders angetan.

Während also meine Mutter verstört bis schockiert über das Lied erschien und es für eine Ausgeburt einer ihr immer degenerierter und kränker vorkommenden Welt bizarrer Obszönitäten, die sich auditiv und audiovisuell im Medium Fernsehen (das Internet war noch längst nicht so verbreitet und so ausgebaut wie heute, Sozialnetzwerke gab es noch nicht) hielt, war mein Vater auf morbide Weise fasziniert. Zumindest nicht von vornherein ablehnend. Der Sound mag ihm gefallen haben oder nicht, ich weiß nicht. Mir gefiel das Musikvideo dazu auf Anhieb, der Text war auch geil, fand ich. Wir saßen bei meiner Oma, ich hatte den Musiksender VIVA angeschaltet, den wir zu der Zeit daheim nicht empfangen konnten. Es war eine Offenbarung. Ein Heiratsantrag, der berühmte Heirats-Treueschwur, erfahren hier beide eine deutliche Absage: "Nein!" brüllt LINDEMANN aus voll überzeugter Brust, als er klassisch gefragt wird: "Willst du, bis der Tod euch scheidet, treu ihr sein für alle Tage?". Und immer wieder das berühmte "Du – du hast – du hast mich…" – "Du, du hast, du hast mich – du hast mich gefragt – und ich hab nichts gesagt!" INDUSTRIAL- bzw. NEUE-DEUTSCHE-HÄRTE-Rock vom Feinsten! Wer ein Beispiel für diese Musikrichtung braucht, eines, das noch Melodie und Harmonien hat und nicht einfach nur hohles Draufgekloppe ist, insbesondere wie es im SPEED- und DOOM-METAL oft praktiziert wird, der möge sich das hier des Öfteren reinziehen! Aber Vorsicht: Der typische RAMMSTEIN-Sound der ersten Jahre dieser Band macht innerhalb kürzester Zeit süchtig auf viel, viel mehr!

 

  1. RAMMSTEIN – "Du riechst so gut" (1995)

Was hab ich gesagt über die autobiografische Aussage der meisten Lieder? Sie ist gleich null! Nur selten werden in den wirklich guten Songs (zwangsläufig) eigene Erlebnisse, Erfahrungen 1:1 und ohne Schönfärberei oder klar fiktionale Elemente/Anreicherungen die eigenen Lebensgeschehnisse verarbeitet. Dass Texter, Liedermacher und andere Poesieschaffende (auch) eigene Erfahrungen verarbeiten und autobiografisch Angehauchtes schaffen, ist klar. Ob dies bei diesem Lied der Fall ist, ist fraglich. Ein amerikanischer Psychologe, der des Deutschen mächtig zu sein scheint, attestierte ferndiagnostisch einen "Ödipus-Komplex" bei RAMMSTEIN-Sänger und Frontmann TILL LINDEMANN. Ich halte das für relativ weit an den Haaren herbeigezogen. Die wenigen Sänger, die bereits über Kinderschänderei und Kindesmissbrauch geschrieben und gesungen haben, taten das auch nicht aus erster Hand und eigener Erfahrung – jedenfalls kann ich das bei einem hohen Prozentsatz nur hoffen.

Hier geht es um die "Jagd" nach einer Frau, den "Jagdinstinkt" der (virilen) wolfsartigen Bestie, die in einem Song, der die Wildheit eines in der Wildnis lebenden Tieres als klassisches Motiv für eine letzten Endes, wenn auch übergriffige, Eroberung verwendet, verarbeitet wird. Der Song, der auf dem noch weitestgehend unbeachteten Erstalbums "Herzeleid" (1995) war, wurde 1997, nach den Erfolgen von "Engel" und "Du hast", als Remix ("Du riechst so gut '97") neuveröffentlicht und konnte größeren Erfolg einfahren. Die Metaphern sind stimmig und spannend und das Lied hat eine bedrohliche Atmosphäre, was durch den extrem harten Brachialsound noch unterstützt wird. Sehr geilomat.

       

  1. RAMMSTEIN – "Engel" (1997)

Auch bei diesem Lied war es der klassische Härtefall bei mir: Als mein Klassenkamerad CHRISTIAN MAIER, der selbst aus dem Osten Deutschlands kam, diese Band empfahl, mich darauf aufmerksam machte, dass bei der damals, am 30. Mai 1997 veröffentlichten 17. Folge der CD-Sampler-Reihe BRAVO-HITS auf CD 2 von 2 weit hinten das Lied sich "versteckte" und wie unheimlich cool es sei, gab's kein Halten mehr. Ich legte die CD also in meinen mitgeführten Discman (ein tragbarer kleiner CD-Player), als wir auf der Klassenfahrt in Lingen waren – und wurde wuchtig in die Magengrube gehauen, meine Ohren wurden vom ungewöhnlichen Brachialsound regelrecht durchgeprügelt – und ich roch sofort rockige Lunte! Zwar waren mir die harten Musikrichtungen der 90er bekannt, GRUNGE und NU METAL, jedenfalls teilweise, doch in den deutschen Charts, die weniger vom ALTERNATIVE-ROCK und HARDROCK als vielmehr verträglichem Dancepop und Hip-Hop dominiert waren, unterbrochen von gefälligen Popballaden und allerlei Ohrwürmern, war dies ein Novum der Sonderspitzenklasse! Das Pfeifen zu Anfang des Liedes war besonders markant, auch wenn ich bereits am Ende von ROXETTEs "Joyride" (Song und gleichnamiges Album von 1991) ein melodisches Pfeifen gehört hatte und auch ROGER WHITTAKERs diversen "Whistler"-Versionen bekannt waren, war das labial erzeugte Geräusch in Verbindung mit dem extrem heftigen INDUSTRIAL- oder NDH-Rock eine wahre Erscheinung, etwas gänzlich Integres, ja, die Frische einer neuen Ära blies um die Ecke! Der wahre "Wind Of Change"! 

Zwar verwirrte mich der Textinhalt, die wie ein rosa Elefant im Raum stehende Grundsatzfrage: "Was wollen mir die Künstler mit diesem Liedtext sagen?" blieb bestehen. Warum sang man über Engel, die man angeblich sehen könne, aber "erst wenn die Wolken schlafen gehen"? Wieso haben sie "Angst und sind allein"? – "Gott, ich weiß, ich will kein Engel sein!" Nun, in den goldenen 90ern konnte man sich oftmals kopfkratzend fragen: "Was will mir dieser Song(Text) sagen?" Vieles war kryptisch, Manches war bedeutungs- und sinnfreier Trash, vieles verstand man einfach nicht – oder erst später. Wie dem allen auch sei: Song und Musikvideo (in dem man sich stilistisch und ästhetisch-visuell stark am Stile des Horrorstreifens "From Dusk Till Dawn" (1996) orientierte) sind spitze, irgendwie geil – die Bedeutung mag sich erschließen oder nicht. Besser als die gleichnamige, weichkeksige Popnummer eines gewissen BEN von 2002 ist der Song allemal.

 

  1. RAMMSTEIN – "Haifisch" (2009)

Von Zeit zu Zeit gibt es bei jeder guten, vernünftigen Musikgruppe auch die Augenblicke tieferer Einsicht, dass sie ohne ihre Fans nicht da stünden, wo sie stehen. Der kommerzielle Erfolg und auch die süße Droge der Aufmerksamkeit wären nicht mehr da, wenn nicht eine gewisse Fan-Basis da wäre. Zwar haben RAMMSTEIN mehrere selbstdefinierende Lieder geschrieben (fast bei jedem Album eins, angefangen mit "Rammstein" bei "Herzeleid" und später etwa "Rammlied" bei "Liebe ist für alle da"), doch wenige direkt an die Fans gerichtete. "Ein Lied" (auf "Rosenrot", 2005) gehört dazu – und dieses hier – auf "Liebe ist für alle da". In einer textlichen Hommage auf BERTHOLD BRECHTs "Dreigroschenoper" und den dortigen Antagonisten MECKIE MESSER heißt es im Refrain: "Und der Haifisch, der hat Tränen – und die laufen vom Gesicht – doch der Haifisch lebt im Wasser – so die Tränen sieht man nicht!" Die Strophen bestehen aus einer langen und logisch stringenten Aneinanderreihung der diversen Bedeutungen und (Rede-/Sprach-)Wendungen des Verbs "halten", die es in der deutschen Sprache gibt. Während man im Englischen (im Internet findet sich eine Übersetzung des Songs ins Englische) für "halten" je nach Wendung und Bedeutungsabsicht zig verschiedene Wörter hat ("to keep", "to hold" etc. sind mitunter sehr verschieden), bedarf es im Deutschen nur eines. Eine sehr wirksame Sprache haben wir! Aber das ist nicht das, was das Lied ausmacht.

Der Sound ist geradezu klassisch RAMMSTEIN – zwar etwas Midtempo und längst nicht so hart wie ihre heftigsten Werke, aber insofern kaum aufregend. Auch die Verwendung des Wortes "Zähre" als altmodischen und praktisch nie mehr verwendeten Ausdruck für "Träne" ist nicht das Spezielle. Wie die Band sich hier darüber auslässt, dass sie durchaus darunter leide, so kommt es rüber, wie die Presse und Medien sie wahrnehmen und/oder ihre Texte und Musikvideos interpretieren (wenn sie zum Beispiel in ihrer Coverversion des DEPECHE-MODE-Klassikers "Stripped" im Musikvideo einige LENI-RIEFENSTAHL-Filmausschnitte verwenden, zwar mit herausgeschnittenen Hakenkreuzen und so, aber doch, kommt das nicht zwangsläufig gut an)! Wie die Band den Zusammenhalt untereinander (unter den immerhin sechs Bandmitgliedern) zelebriert und mit dem zwischen ihnen und den Fans verknüpfen – das ist das große Kino in diesem Song. Apropos Kino: Im sehr unterhaltsamen aber typisch bizarren Musikvideo wird Sänger TILL LINDEMANN "umgebracht" – von "jedem" der anderen fünf Bandmitglieder, jedenfalls erinnert sich jedes daran, ihn "umgebracht" zu haben – das Ganze angelehnt an einige der Tötungsarten im US-Thriller "Sieben" (1995) von DAVID FINCHER, wo der Killer "JOHN DOE" (KEVIN SPACEY) seine Opfer umbringt, auf die Weise, wie sie die 7 Todsünden begehen. Eine Zeitlang mein Lieblingslied von RAMMSTEIN. Für eingefleischte Fans besonders geeignet. Warum klingt das normale Wörtchen "eingefleischt" im Zusammenhang mit RAMMSTEIN und ihrer Musik immer so bizarr? Naja, ordentliches INDUSTRIAL-Brachial-Brett!

       

  1. RAMMSTEIN – "Ich will" (2001)

Wie ein Zeremonienmeister tritt der Liedprotagonist auf, der in diesem Fall fast Sänger TILL LINDEMANN sein kann. Was ungewöhnlich war für diese Band. Den Fans sozusagen "Anweisungen" zu geben, die beim Konzert vor der Bühne stehen und einen anhimmeln, das kannte man von RAMMSTEIN bis dato nicht. Auf ihrem dritten Studioalbum "Mutter" von 2001 ist dieses einer der treibenden Songs. "Ich will, dass ihr mir vertraut – ich will, dass ihr mir alles glaubt", singt LINDEMANN immer wieder, als sei es eine kryptische Botschaft ans Fan-Unterbewusstsein, vielleicht (auch) als Parodie auf Sektengurus, die ja auch immer wieder in repetetiver Weise ihre Mantras allen Anhängern einhämmern, in einer Art Gehirnwäsche. "Ich will", immer und immer wieder – und dazu antwortet ein Fanchor auf jedes Stichwort: "'Könnt ihr mich hören?' – 'Wir hören dich!'" zum Beispiel.

 

  1. RAMMSTEIN – "Mein Land" (2011)

Jedes Land hat doch das Recht, seine Grenzen zu schützen. Und nicht jeden hineinzulassen. Also: Keine Ahnung, inwiefern das Lied noch in unsere Zeit passt. Seit der großen Grenzöffnung bzw. der Nichtschließung von 2015, als man jeden einfach so ins Land ließ, der "Asyl" sagen konnte, egal, ob er nun einen "Fluchtgrund" hatte oder nicht, als man eine Migration ermöglichte, die von Anfang an, wie sich erst später herausstellte, vorgesehen war, um Leute hierherzulocken, die gar nicht wieder weggehen würden nach einer Phase des Schutzes durch Asyl, bin ich nicht als Einziger skeptisch geworden. Dieses Lied, das 2011, also vor 10 Jahren, noch lang genug vor dieser Einwanderungswelle auch und vor allem aus sicheren Drittstaaten, entstand dieses Lied, das davon handelt, dass jemand barsch und rigoros konstatiert: "Du bist hier in meinem Land!", mit dem unausgesprochenen Zusatz: "Du hast hier nichts verloren!" Dass dem auch so sein kann, dass man in anderen Ländern nichts verloren hat (schon gar nicht ohne Pass oder irgendwelche Papiere, ferner ohne Sprachkenntnisse), was ja für Unsereinen als deutschen Staatsangehörigen genauso anderswo gilt (man kann sich schon vorstellen, dass wenn ich illegal in die Türkei einreise, bei Ertapptwerden direkt abgeschoben würde), steht nicht zur Debatte. Nicht in diesem Lied, das natürlich vollkommen pro Asyl ist und Vertreibung, Flucht und anderweitige Kleinigkeiten andeutet und so tut, als sei es herzlos, jemanden, der laut Gesetz nicht dazu berechtigt ist, nicht in "mein" Land zu lassen. Klar, damals sah ich das auch noch so, doch inzwischen ist Einiges komplizierter geworden. Asyl bedeutete: Schutz auf Zeit. Jetzt steht es für: Dauerhafte Einwanderung. Was nicht okay ist. Und diese Feststellung hat nichts, aber auch gar nichts mit Ausländerfeindlichkeit oder solcherlei Schwachsinn zu tun, der einem alle Nase lang unterstellt wird, wenn man nicht für die komplette Auflösung des Grenzschutzes, die Aufgabe/Streichung der Asylgesetze und die Nicht-mehr-Durchführung von Abschiebungen nicht Aufenthaltsberechtigter und die Neuansiedlung großer Teile der problematischen islamischen Teile der Dritten Welt ist. Nun, RAMMSTEIN sind eben eine Band, die, im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, hier eine klar einseitige Position einnehmen. Kein Problem, ein treibendes, schönes Typisch-RAMMSTEIN-Lied der Extraklasse. Zum Teil sollte es auch zu denken geben. Aber, aber, aber – einfach wunderschön prächtig krachend! Ja, Heimatlosigkeit mag schlimm sein – und nirgendwo willkommen zu sein auch. Es geht nun mal nicht immer.

 

  1. RAMMSTEIN – "Mein Teil" (2004)

Den Mannen um TILL LINDEMANN fiel es nie sonderlich schwer, Tabubrüche zu begehen und jegliche Gürtellinien sowie sämtliche verfügbaren Grenzen weit zu unterschreiten. Niveau ist relativ im RAMMSTEIN-Kosmos, was man ja bereits am Bandnamen merkt. Dieser leitet sich bekanntermaßen vom Orte RAMSTEIN (mit nur einem M) ab, in dem eine fürchterliche Flugshow-Katastrophe stattfand. Beim 2020 erschienenen Solo-Album Nummer 2 des Sängers TILL LINDEMANN (der auch dichtet, siehe LESESTOFF/BÜCHER), "M & F", ist es nicht anders. So liegt der Fall auch beim vom realen Kriminalfall des Menschenfressers ARMIN MEIWES, von dem das Lied hier inspiriert ist. Der Scheiß, der sich da mitten in Deutschland, in einem halbwegs unauffälligen Ort namens "Rothenburg" abspielte, ist derartig krank, dass dem Ganzen ein musikalisches Denkmal gesetzt werden musste. Dieses stellt einen wichtigen Teil dessen dar, das eben auch zu einem modernen westlichen Land gehören kann. Menschenfresserei (nicht, dass es die in den Dritte-Welt-Shitholes des Planeten nicht gäbe, sie wird nur nicht als abnormer Teil der menschlichen Sexualität und der menschlichen Essenskultur bewertet) war bis dahin ein relatives Novum. Ein Tabu: Man sprach nicht drüber, man machte es nicht. Basta. Dass MEIWES, der formal ein sympathischer Herr mittleren Alters war, in Internetforen, in denen Menschenfresser (!) unterwegs sind, gezielt nach einem freiwilligen (!) Opfer für seine kannibalischen Gelüste suchte, ist verstörend. Bis in alle Zeiten, solang hier noch Zivilisation ist. Der Liedtitel bezieht sich indes auf den bizarrsten, abartigsten Teil des Zusammentreffens des Kannibalen mit seiner menschlichen Speise in Spe, dem sich verzehren lassen wollenden Diplom-Ingenieur BERND JÜRGEN BRANDES: Letzterer war bereit, als erste Speise, noch lebend, seinen Schwanz mit allem Drum & Dran zur Verfügung zu stellen. Dazu musste das Ding, Teil, der Dödel, Pimmel, Penis, Schwanz, Lurchi abgehackt werden. Allein die Vorstellung verursacht mir Brechreiz. Nicht so TILL LINDEMANN, der routiniert diesen Text schrieb. Musikalisch ist die Sache typisch für die Musikrichtung der Neuen Deutschen Härte, einer Mischung aus schwerfälligem Heavy-Metal und Industrial-Rock und Elektronikspielereien DEPECHE-MODE-artiger oder düsterer Art (etwa wie JOY DIVISION): Nach einem unheimlichen Geräusch-Intro (das es aber nicht in der Album-Version gibt) erklingt ein Intro, in dem der Wortlaut der im Internet auf einem Kannibalen-Forum (dass es sowas gibt, sollte zutiefst beunruhigen) veröffentlichten Annonce MEIWES' mit fieser Stimmlage wiedergegeben wird, ehe sich die gewaltige Rock-Wand aus schwerstgestimmten Gitarren und härtestem Schlagzeug, gemischt mit verhärmten, unheilvollen Chören, aufbaut und zunächst alles unter sich begräbt. Jäh geht das Ganze über in eine abgeschwächte Elektronikpampe mit verhärmtem Rockgeräusch im Hintergrund, einem dumpfen elektronischen Pochen und derselben schnarrenden Stimme, die denn doch an den BATMAN-Schurken PENGUIN/PINGUIN erinnert, wie er eigentlich sich anhören sollte. "Heute treff ich einen Herrn – der hat mich zum Fressen gern! – Weiche Teile – und auch harte – stehen auf der Speisekarte", hebt LINDEMANN da an, schnarrend, schnatternd und doch grollend. Schon beim Hören dessen ist man unangenehm berührt, spürt kein gutes Gefühl in gewissen Körperregionen unterhalb der Brust und stellt doch (beglückt?) fest, dass sich RAMMSTEIN noch in ihrer Derbheit steigern konnten. Der abartige Vorgang wird dann in einigen pikanten Details geschildert, ohne jedoch allzu genau auf weitere Hintergründe einzugehen (zu denen der SCHATTENMACHER längst ein ausführliches YOUTUBE-Video gemacht hat).

Der Mittelteil, der kryptisch etwas von Engelsscharen erzählt, durch die sich etwas schneidet, von "Federfleisch", das "vom Wolkendach" fällt ("mit Gekreisch"), auf die Kindheit des Herrn MEIWES. Seine abscheuliche Tat ohne Präzedenzfall in der deutschen Kriminalgeschichte lässt sich vielleicht nicht (nur) durch eine verkorkste Kindheit erklären. Sie kann natürlich dennoch eine Rolle spielen.

Wem noch nicht schlecht geworden ist, der gebe sich die plastisch erfahrbaren Textzeilen wie diese: "Ist doch so gut gewürzt und so schön flambiert – und so liebevoll – auf Porzellan serviert – dazu ein guter Wein – und zarter Kerzenschein – Ja, da lass ich mir Zeit – etwas Kultur muss sein". Auch das bizarre "Du bist, was du isst", eine alte Weisheit, wird hier pervertiert.

Nicht unbedingt der geschmackvollste Song der deutschsprachigen Musikgeschichte, doch auch diese absolute Tabuunterschreitung gehört mit zur Vollständigkeit des deutschen Gesamtwerks, das eben nicht nur aus blumigen Wellness-Versen bestehen kann. Weiter unten folgt noch die Punkband VICKI VOMIT mit "Wohin mit Omas Leiche?" – ein ebenfalls extrem makabres Lied, von RAMMSTEIN kriegen wir weiter unten noch "Wiener Blut" serviert, das auf den Fall des JOSEF FRITZL anspielt, ihn beschreibt, ohne Namen zu nennen. Beide Lieder sind in ihrer, verglichen mit diesem, Harmlosigkeit schon fast normal zu nennen. RAMMSTEINs Kannibalen-Song also. Nun, MEIWES sitzt nach wie vor sicher verwahrt in einer forensischen Psychiatrie, geschlossen also, und tut jetzt so, als sei er ganz von seinem großen Plan abgerückt, Menschen verspeisen zu wollen. Ob seine Wandlung zum Vegetarier (!) und zum Vorsitzenden der Knast-GRÜNEN (!) nachvollziehbar und entsprechend glaubwürdig ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Dazu müsste man in diesen doch etwas abseitigen Charakter hineinschauen können.

 

  1. RAMMSTEIN – "Pussy" (2009)

Gegen "Mein Teil" ist dieser wohl bekannteste RAMMSTEIN-Song über deutschen Sextourismus eine regelrecht familientaugliche Nummer. Die üblichen Klischees alter, dicker, geiler Säcke aus Deutschland, die sich irgendwo in der Dritten Welt "fickbares Material" suchen, da sie in ihrem eigenen Land nix geschissen kriegen und die jungen Damen nicht auf alte Fettsäcke abfahren (würden). Sie werden garniert mit schlechtem Englisch, gespickt mit den Germanismen, die man im englischsprachigen Ausland kennt ("Bratwurst", "Sauerkraut"), das alles in einer mittelprächtig rockenden und stark synthesizerlastigen Nummer, für RAMMSTEIN-Verhältnisse beinah ein Werkstück, Massenware der Standard-Provokation – und dennoch: Ein typisch deutsches Lied zu einem typisch deutschen Thema, das allerdings auch oft tabuisiert wird. TILL LINDEMANN, Leadsänger und Texter der Band, hat wiederum etwas durchaus Hervorstechendes geschaffen. Deutsch-englischer Mischmasch für den Connaisseur.

 

  1. RAMMSTEIN – "Radio" (2019)

Die Unfreiheit einer jeden sozialistischen Diktatur ist etwas Grausames, Schreckliches, da bildet die DDR gewiss keine Ausnahme. Deutsche aus dem Osten des Landes haben einen Sensus dafür, was abgeht und sehen und riechen die Gefahren anschwellenden Sozi-Sanges und ansteigender Unfreiheiten, selbst wenn die Beschneidung von Grundrechten und ihre namentliche Umetikettierung in "Privilegien" und "Sonderrechte" gerade in Corona-Zeiten in Salami-Taktik daherkommt. Schleichend aber doch. In einem unfreien Staat ist sämtliches nicht frei. Etwa der mittlerweile als veraltet geltende Fernsehfunk, aber auch der Rundfunk, kurz: Radio. Dass sämtliche öffentlich-rechtlichen Radiosender ähnliches Hardcore-Framing und Re-Naming betreiben, ist längst offensichtlich, was für die TV-Sender gleichermaßen gilt. Man weicht aus auf ausländische Presse- und TV-Organe oder versucht, sich aus den wenigen alternativen, konservativen Medien Informationen zu beschaffen. Von Letzteren gibt es durchaus einige seriöse, nur sind sie insgesamt einfach wenige.

LINDEMANN, Sänger und Textmacher von RAMMSTEIN, versetzt sich hier in die Perspektive einer in der DDR aufwachsenden Person der Vergangenheit. Ob autobiografisch gefärbt oder nicht, spielt keine Rolle, ist jedoch fraglich.

Wie einige Bürger im Dritten Reich es heimlich taten, nämlich "Feindsender" wie die BBC zu hören (was unter strenger Strafe stand), dürften auch einige DDR-Bürger nicht nur "Westfernsehen", sondern auch "Westfunk" gehört haben. So wird es brillant beschrieben, wie Ohren zu Augen werden und man sich  von der Magie des Radios einnehmen lässt und schöne, "fremde Noten" hört, die "verboten" sind. Nun, Radio ist nicht mehr das, was es mal war: Abgesehen von den eingangs erwähnten Öffentlich-Rechtlichen-Radiostationen, die den Frequenzbereich unseres Landes klar dominieren, gibt es inzwischen längst Internetradio, doch auch das ist nur noch etwas für Leute, für die Musik und Informationen (Letztere zu Infos verkürzt) inflationär sind, ähnlich wie bei Audio-Streamingdiensten wie DEEZER. Für den Liedprotagonisten ist das Radio alles, die einzige Verbindung zur Außenwelt, also der um das große Freiluftgefängnis herum, das sein Land, die DDR, darstellt. Internet gab es noch nicht (und wenn, wäre es in der DDR gewiss ähnlich intensiv zensiert gewesen wie heute in China und Nordkorea), andere Möglichkeiten, mit Menschen oder wenigstens Informationen ohne Framing in Kontakt zu kommen, waren ebenfalls nicht gegeben. Ein Grund, warum vom EU-Parlament, auch der Bundesregierung und anderen Beteiligten, unter Schützenhilfe der ihnen willfährig diesbezüglich dienenden Sozial-Netzwerke, versuchen, die Wirkung des Internets zu begrenzen (mittels neuer Gesetzesverschärfungen, Zensurmaßnahmen, Canceling, Sperrungen, digitalen Säuberungswellen): Das Internet begünstigte, dass jeder Zugang zu Informationen und ein Tor zur Welt erhielt. Man kann mit ihm so viel tun. Sehr viel mehr, als Herrschenden lieb sein kann, die ein Ende von (wirkungsvoller) Demokratie, Freiheit und menschlicher Entfaltung anstreben.

Vielleicht kann man dieses Lied auch als Warnung vor dem Ende der Freiheit verstehen. Und als Feststellung, wie sehr Menschen nach Wegen zur Freiheit suchen werden und sich ewig danach sehnen – "stille heimlich fernes Weh" – genial.

 

  1. RAMMSTEIN – "Wiener Blut" (2009)

Eines der RAMMSTEIN-Lieder, die sich an wahren Begebenheiten orientieren. Um ein Maximum harmloser zwar als das plastisch äußerst bizarre "Mein Teil", gibt es hier jedoch einen Einblick in weitere Abgründe, die tatsächlich stattgefunden haben. Im Jahre 2008 damals kam etwas Erschreckendes ans Licht, im sonst so gemütlichen kleinen südlichen Nachbarland Deutschlands, Österreich. Im kleinen Ort Amstetten, einem beschaulichen Idyll in einem auch sonst als brav und gelegentlich bieder geltenden Land, kam eine Tragödie und Schandtat gleichermaßen ans Licht der entsetzten Weltöffentlichkeit: Ein gewisser alter Lüstling und Mörder, der sich JOSEF FRITZL nannte, ein nach außen hin bieder-angepasster, höchstens gelegentlich jähzorniger und dominanter Charakter, Familienvater, hatte den Keller seines Wohnhauses heimlich weiter ausgebaut. Ein nichtunterkellerter Part des Hauses wurde von ihm umgewandelt in eine Art Sexstube, ein bizarres "Liebesnest", in dem er seine perfiden, perversen Phantasien und seinen sexuellen Überdruck abbauen und seinen Frust beseitigen konnte: Ausgerechnet an seiner eigenen Tochter (über die er seiner Ehefrau gegenüber die Räuberpistole auftischte, sie habe sich einer Sekte angeschlossen und sei spurlos in den Fängen derselben verschwunden) verging er sich tausendfach in unverzeihlicher Weise – und zeugte, besonders maximal ekelhaft, in inzestuöser Weise mehrere Kinder mit ihr, von denen eines durch unterlassene Hilfeleistung starb. Von Zeit zu Zeit legte er dann das Kind mit einer seiner Tochter abgepressten Nachricht vor der eigenen Haustür ab, das er und seine Ehefrau dann "adoptierten" und selbst großzogen. Letzteres natürlich oben, im gutbürgerlichen Haus. Der Kerl, der als absolutes Monster in die Österreichische Geschichte einging, wurde schließlich, völlig zu Recht, mit lebenslänglicher Haftstrafe bedacht und bleibt hoffentlich für immer weggesperrt. Das Lied RAMMSTEINs hat bereits im Titel einen kleinen Fehler: Es ist im Grunde kein "Wiener" Blut vergossen wurden, sondern Amstetter. Letzteres klingt allerdings nicht so hübsch. Deshalb verlegte man den Titel nach Wien. Man könnte dafür argumentieren, dass "Wiener Blut" passt, denn an den Anfang des Liedes wird eine stark verfremdete Tonaufnahme des berühmten Wiener Walzers gespielt, die dann in den typischen Neue-Deutsche-Härte-Brachial-Industrial-Sound übergeht, für den diese Band bekannt ist. Es wird mit Metaphern und Symbolik von Dunkelheit, Hölle und Leid bis Verderben gespielt, "unter dem Haus ein Liebesnest", all die kranke Show, die leider real war. Nun, der Fall FRITZL ist vielfach referenziert worden, historisch war er eine Zäsur, einen ähnlich ausgeprägten Inzest- und Vielfach-Vergewaltigungsfall hat es selten bis nie gegeben im deutschsprachigen Bereich der Welt. Und das Lied kann als, zwar in seiner Darreichungsform fiktiv, doch auf etwas Reales sich beziehend, in die Geschichte mit eingehen. Als Teil der Abgründe, die es eben auch in der Ersten, Zweiten und Dritten Welt gibt (nur weil in Letzterer nicht viel über solche Fälle bekannt ist, heißt es nicht, dass dort alles besser liefe, im Gegenteil: Wer weiß, wie viele Leichen dort noch liegen). Nun, tauchen wir ein in eine bizarre Dunkelwelt, in die Unterwelt des Grauens.



Deutsche Sprache – schwere aber wunderschöne Sprache! So könnte man sagen. Eine der schönsten
überhaupt. Mir gefällt zwar, um ehrlich zu sein, das Französische noch besser und das Englische,
Italienische, Spanische – sie alle klingen, je nach Genre, wundervoll und harmonisch. Da ich als Patriot
(selbstverständlich mit kritischer Distanz zu dunklen Zeiten) zwar den Löwenanteil internationaler, meist
auf Englisch gesungener Musik bevorzuge, steht mir der Sinn zurzeit danach, ab und zu meine
Muttersprache zu hören. Im Gesang, um genau zu sein. Da ich mein Geburts- und Heimatland mag, ist mir
dies eine besondere Freude: Ich präsentiere deutschsprachige Musik aus den deutschsprachigen
Ländern Europas, namentlich, dem Alphabet nach, Deutschland, Liechtenstein, Österreich und die
Schweiz. Die mich geprägt haben. Doch nicht nur mich, sondern viele Generationen von Menschen.
Obgleich der Hauptteil im 20. Jahrhundert, speziell der zweiten Hälfte, liegt, warten hier sogar manche
Überraschungen auf. Manche Lieder sind es, die jeder kennt, manche, die eher "Special Interest" sind
(kein Schweinkram).

Es handelt sich hier um einen kunterbunten, kreativen Reigen verschiedenster Musikstile. Diverse
Themen werden verhandelt, die Texte handeln von Liebe, Eifersucht, der Beziehung der Geschlechter, von
Männern, Frauen und Diversen, Hoffnung, Trauer, Verzweiflung und Pessimismus. Es gibt
kapitalismuskritische und antisozialistische Texte ebenso wie unpolitische Lyrics, poetisch Hochwertiges
und Banales, Plattes und Primitives und einfach nur Doofes zum schlichten Blödeln. Einzigartig und
facettenreich, wie das Leben eben ist. Es wird gesungen, geträllert, gegrölt, gebrüllt, geschmachtet und
gesprochen: Mal wütend, mal nörgelnd, mal furchtbar albern oder lustig und lebensfroh, mal depressiv
und hoffnungslos. Philosophisch, tiefschürfend, langatmig und kurz-bündig, aus vielen und wenigen
Worten bestehend, mit und ohne Herz: Das ist deutsche Musik, aus allen Zeiten (von denen
Aufzeichnungen bestehen) und Genres.

Die Lieder sind nach dem Alphabet geordnet, genauer nach dem "Vornamen" des Künstlers. Egal, ob
Künstlername oder echter bürgerlicher Name, alles ist nach genanntem Prinzip angeordnet, nicht nach
Qualität, Charterfolg oder gewonnenen Musikpreisen oder gar Goldenen Schallplatten. Besagte Qualität
kann unterschiedlich ausfallen, doch bei sämtlichen hier aufgeführten Meisterwerken handelt es sich um
durchweg hörenswerte Lieder (aus meiner persönlichen Sicht), die eine bedeutende Rolle spielen, gerne
und gerade im musikhistorischen Kontext. Jeder Song ist mit der Jahresangabe des Erscheinens in
Klammern dahinter vermerkt. Verknüpfungen und Erwähnungen der Songs untereinander gibt es
ebenfalls, sowie gelegentliche Verweise auf nicht in der Topliste vorhandene Lieder. Es wird also ein
interaktiver Bezug aufgebaut. Wenn in Klammern Sätze wie "siehe weiter unten/oben" stehen, ist dies auf
die Originaldatei zurückzuführen. Dort steht alles der Reihe nach, was hier in mehrere Dateien unterteilt
ist, um den Rahmen nicht zu sprengen und den Lesefluss sowie Lesegenuss zu steigern.
Da ich die Texte der Lieder offenbar nicht abbilden/unter den Texten vollständig abdrucken darf, habe ich
sie aus meiner Originaldatei entfernt.
Sie müssten, wie wohl auch die Lieder selbst, überwiegend im Internet auffindbar sein, bis auf sehr
wenige Ausnahmen.

Da man an jeder Ecke unseres heutigen "besten Deutschlands aller Zeiten" immer wieder mit
linkskonnotierten Agenden und Legenden behelligt wird und vielfach eine neue (nicht nur
Pandemie-)Propaganda verzapft, kann es auch bei mir zu entsprechend bissigen Kommentaren zum
Zeitgeschehen kommen. In Zeiten, in denen jeder Lebensbereich politisch ist oder sein soll, sind
gelegentliche Ausflüge in dieses Fach unvermeidlich. Dennoch habe ich versucht, viel Spaß mit
einzubringen, nicht nur die ernsten Töne. Als Rebell, der sich gegen den Zeitgeist und jeglichen
Mainstream, egal, von welcher Seite, stellt, komme ich nicht umhin, dies zu tun. Meine Weltsicht kann und
wird auch in die Texte einfließen. Doch nicht ausschließlich, sondern nur dort, wo es (mir/meines
Erachtens) passt.

Diese Topliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – für jeden Geschmack ist jedoch etwas
Passendes dabei. Wer alle aufgeführten Lieder hören will, vielleicht eine Ergänzung seiner Sammlung
oder seines Repertoires anstrebt, kann sämtliche Songs mittlerweile leicht im Internet finden, auf
YOUTUBE, BITCHUTE und MYVIDEO müsste sich jede Menge davon finden lassen. Bei AMAZON, JVC
und vielen anderen kann man sich, gegen eine kleine Gebühr, versteht sich, auch einzelne Songs
herunterladen. Internetradiosender sowie Musikstreaming-Plattformen wie DEEZER oder SPOTIFY dürften
ebenfalls so gut wie alle Songs in ihrem Fundus haben. Wer über eine ausgeprägte Schallplatten-
und/oder CD-Sammlung wie ich verfügt und für viele Stile offen ist, wird gewiss ebenfalls zumindest einen
Großteil des hier Aufgeführten finden.

Ich wünsche allen potenziellen Lesern viel Spaß und eine außergewöhnliche Entdeckungsreise durch die
Klanglandschaften deutschsprachiger Musik.
Karl-Konrad Knooshood, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.06.2021. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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