Klaus Mattes

Lektüre 11/w: Beste Bücher, die keiner mehr kennt

 

Ich sah dem Deutschen Buchpreis hinterher. Ein vergangener Jahrgang im 21. Jahrhundert. Ernst Augustin schreibt von einem, der sein ganzes Leben lang untertauchte und wie Robinson nach dem Freitag suchte. Wolfgang Herrndorf schreibt über eine Hippiekommune 1972 in Nordafrika. Clemens Setz schreibt über Internatsschüler, die entführt werden. Ursula Krechel schreibt über einen 1947 heimgekehrten Emigranten, Richter und Juden. Stephan Thome über einen frustrierten Philosophieprofessor Ende 50. Ulf Erdmann Ziegler schreibt über eine Werbegrafikerin der achtziger Jahre, die die perfekte Schrift entwirft.

Andere Ausgezeichnete und Nominierte der letzten Jahre waren:

„Die Mittagsfrau“ von Julia Franck

„In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge

„Vorabend“ von Peter Kurzeck

„Abendland“ von Michael Köhlmeier

„Dinge, die wir heute sagten“ von Judith Zander

„An einem Tag wie diesem“ von Peter Stamm

„Der Sturz der Tage in die Nacht“ von Antje Rávic Strubel

„Menschenflug“ von Hans-Ulrich Treichel

„Die Stille“ von Reinhard Jirgl

„Die Morawische Nacht“ von Peter Handke

„Die geheimen Stunden der Nacht“ von Hanns-Josef Ortheil

„Der Mond und das Mädchen“ von Martin Mosebach

„Und ich schüttelte einen Liebling“ von Friederike Mayröcker

„Atemschaukel“ von Herta Müller

„Woraus wir gemacht sind“ von Thomas Hettche

„Der Turm“ von Uwe Tellkamp

„Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann

„Der Weltensammler“ von Ilja Trojanow

„Madalyn“ von Michael Köhlmeier

„Ein liebender Mann“ von Martin Walser

„Der einzige Mann auf dem Kontinent“ von Terézia Mora

„Vierzig Rosen“ von Thomas Hürlimann

„Eine kurze Geschichte vom Glück“ von Thommie Bayer

„Es geht uns gut“ von Arno Geiger

„Komm gehen wir“ von Arnold Stadler

„Taxi“ von Karen Duve

Kein Zahnarzt muss solche Bücher heute kennen, wie er einst Friedrich Schiller oder Dieter Dürrenmatt noch zu lesen hatte. Hingegen muss wirklich jeder, auch ein Zahnarzt, etwas über „Feuchtgebiete“ und „Shades of Grey“ zu sagen wissen. Unverzichtbar.

Von all den Büchern habe ich nur ein einziges gelesen. „Vierzig Rosen“ von Thomas Hürlimann. (Dem Sohn des Bundesrates und Brauereierben.) Lest es ihr anderen aber nicht! Nett mag es sein, belanglos auch. Wenn ihr noch nie was vom Berlin/Zuger Einsiedler gelesen habt, fangt besser bei „Die Tessinerin“ an! Das war 1981 Hürlimanns erster Erzählband, bei Ammann, Taschenbuchausgabe bei Suhrkamp. Bis heute der Band, nach dem man weiß, ob man noch was von ihm wissen will. Im Jahr 2000 ist er Professor am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig geworden. Im folgenden Jahr kam die Professur an der Universität Konstanz hinzu.

„Das het’s wirklich au no bruucht“, sagt der Schweizer.

Ach so, „Die Vermessung der Welt“ las ich inzwischen auch noch. Soweit ich mich erinnern kann, trifft es nicht wirklich zu, was Fritz J. Raddatz in seinem zweiten Tagebuchband überlieferte, das gesamte Buch wäre im Konjunktiv erzählt und dieses bilde seinen einzigen Witz. Nein, nein, es ist ganz nett. Kann man schon mal lesen. Kehlmann ist halt dieser Autor, der immer eine gewisse Gedankenkonstruktion hat und dann einen Novelle oder einen Roman drum herum wickelt, deswegen dann eben eine Art Welt und mehrere Figuren zu diesem Zweck erfabelt, als würde er Welt und Menschen tatsächlich kennen und verstehen. Also etwa so: „Wie wäre es, wenn ein Mensch ständig kluge Ratschläge von seinen Schutzengeln hören, sich aber gegen sie entscheiden würde?“ Als Gedankenspielerei ist das spannend, hat aber mit der gegenwärtigen Menschheit nichts zu tun. Die gegenwärtige Menschheit ist eine, die glaubt, die Naturgesetze des Globus müssten es einsehen, dass sie nur einer von mehreren Playern sind und eines Tages dann schon noch Kompromisse mit den Erfordernissen von Politik und Ökonomie schließen wie Xaver Putin mit den deutschen Friedensschützern. Kehlmann sagte mal, sein erster Roman „Beerholms Vorstellung“ (den ich damals komischerweise auch gelesen und als Meisterwerk verkannt hatte) wäre von so dermaßen wenigen Menschen wahrgenommen worden und es gebe ihm nach wie vor Glücksmomente, wenn anlässlich einer Lesung jemand den Standpunkt vertrete, das beste aller Kehlmann'scher Werke bleibe nach wie vor „Beerholms Vorstellung“. Dem ist wenig hinzuzufügen.


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.08.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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