Burckhardt Fischer

Kaninchen und Vogel

Des Morgens, wenn ich die Pferde hinaus brachte – erst Taurus, dann Tacitus, Amora und Color, die geliebten, schließlich Traumi und Tartüff – ging ich den Plattenweg von unserem Grundstück entlang den Koppeln, Richtung Lindenberg, mit den Hengsten jeweils alleine, die Pärchen von Wallach und Stute folgend immer rechts und links von mir: ein aus Erfahrung gewachsenes System zur Vermeidung von Irritationen, Aufregung, Streß, abgestellt auf den Charakter und die Ängste des jeweiligen Tieres. Es war ein harter Beginn des Tagwerks, denn ich bin ein Langschläfer, die Tiere aber forderten Frühstück von mir im wahrsten Sinne des Wortes.

Beschweren kann und will ich mich nicht, noch heute nicht, wo ich darob alles verloren habe, zuvörderst die Tiere selbst. Denn sie sind mir so wichtig geworden: als Abenteuer zunächst, als überreicher Quell, als Anlaß von schönen Bildern, als Freunde in der Not. Noch heute danke ich Color dem Unbezähmbaren, dem herrlichen, dem wilden, für das zärtliche zarte Prusten an meinem Nacken, seitlich, von rechts, wo er geführt wurde seines toten linken Auges der Mondkrankheit wegen, jeden Morgen doch unerwartet und neu – eine Berührung, die mir Kraft gab und Hoffnung für den ganzen schrecklichen neuen Tag in endloser Folge, nach dem Unfall, folgend dem Niedergang, chancenlos, ein Spiel gegen die Zeit.

Und heute als Erinnerung, in der ich versinke.
 

Eines Tages gingen wir weit hinaus, fast bis zum Lindenberg, der Pflege der Koppeln wegen. Nicht die nahe beim Haus, sondern die entfernten, jenseits der Wallhecke, die quasi ein Tor bildete zwischen unserem Gelände und dem hinzu gepachteten Land.

Ein weiter Weg.

Am Ende, ganz am Lindenberg, sah ich, als ich die letzte Biegung des Weges erreichte hatte und nur die Strecke hinaus vor uns lag, da sah ich eine Bewegung, anhaltend, im Sonnenschein, ganz am Ende. Im Schreiten, blinzelnd, starrend, erkannte ich ein Häschen, das – vom Lindenberg aus – endlos den Weg entlang hoppelte die ganze lange Strecke direkt auf uns zu.

Auch die Pferde hatten es erkannt, irritiert zunächst, dann aber – da ich wacker weiter ausschritt – es als naturgegeben, belanglos hinnehmend im gleichmäßigen Trott, Color mit seinem Prusten. Da, in diesem Moment, schon nur noch wenige Schritte vor uns, erkannte das Häschen, was ihm entgegentrat von unserer Seite. Es hielt inne, sicherte kurz, machte auf dem Absatz kehrt und hoppelte geradwegs zurück, diesen langen Weg.

Wir aber mussten links abbiegen, des Koppelzugangs wegen.


Ein ander Mal, im ersten Frühjahrssonnenscheine, Bäume und Büsche noch kahl nach langem, dunklem Frost, sah ich in einiger Entfernung schon auf dem absonderlichen Busch rechts des Weges, vor dem Zugang zu den Hengstkoppeln, einen Trupp mir unbekannter Vögel herumturnen, hüpfen, die mir – da ich sie eben noch niemals gesehen – wegen ihrer besonderen Schönheit, ihrer Eleganz ins Auge stachen: nur Sperlingsgroß, jedoch Insektenfresser mir schlankem Schnabel, ein helles grau in allen Schattierungen: wunderbar. Da ich die Pferde führte, näherten wir uns rasch, stetig, und schon war es zum Tor nicht mehr weit, der Busch zu passieren. Die Schar flog auf.

Einer jedoch, der mir nächste, mit den anderen im Abflug vereint, bekam so recht die Kurve nicht: während sie dahin stoben schwebte er mir entgegen in einem wunderbaren Gleitflug, geradewegs, so daß ich nun darauf bedacht war, meinerseits auszuweichen. Da jedoch fiel er mir vor die Füße, wie ein Stein, und es blieb mir nur, ihn aufzuheben. Tot, warm noch im frostigen Morgen.

Taurus wartete geduldig.

Er hat ein Ehrengrab bekommen, gerade vorne links am Eingang, mit weitem Blick übers Land.

Bild zu Kaninchen und Vogel

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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