Heidi Schmitt-Lermann

Abenteuerreise nach Marokko 3

Willkommen beim 3. Reisebericht.


Wir wollten uns die Stadt Fez ansehen.  Den kleinen Hof überquerend, stoperten wir über Hühner, Schafe, zwei Ziegen und eine Kuh hinweg, die alle nicht angebunden, frei herumliefen und des Besitzers ganzer Stolz waren. Man kam durch ein Tor, das abgeschlossen werden konnte. Guten Mutes gingen wir zurück, über den bekannten Olivenhain hinunter, in die Stadt. Dort kamen wir zu einer Straße, welche links und rechts beplanzt war mit 3 bis 4 Meter hohem Schilf. Es stank dort fürchterlich und überall lagen Exkremente. Fez, wurde uns entsetzt bewusst, hatte keine sanitären Anlagen, (jedenfalls damals nicht). Es war eine sogenannte Sch........Toilettenstraße und wir Glückskinder sind genau auf sie gestoßen. Die Araber verhielten sich diesbezüglich auch keineswegs genant. Nein, sie trafen sich zu diesen Verrichtungen zu einer Art Teekränzchen mit Wasserpfeife und Zigaretten. Wärend sie die allgemeinen Probleme des Alltags beschwatzten, ließen sie es laufen, wie es da kam. Die langen Gewänder verhüllten jeglichen Einblick. Man sah das Produzierte erst nach Verlassen der Örtlichkeit. Das war auch eines jener Dinge, welche ich auf unserer Reise peinsam erlernen musste, dass ich mich vor meinen eigenen Sitzungen, erst einmal vergewissern musste, dass da niemand in meiner Nähe war, weil diese Leute immer begeistert auf dich herzurannten, um mitzumachen. Immer, wenn ich jemanden in der Ferne rennen sah, verließ ich die Örtlichkeit schnellstens mit Sarkasmus im Herzen, Angst vor ungewünschter Nähe und hängenden Textilien.

In der Abenddämmerung, bei den vielen Arten der Beleuchtung, sah Fez schon aus, wie aus einem Märchen von 1001 Nacht. Die vielen Händler mit ihren Turbanen oder Käppchen und den markanten, von Wind und Wetter gegerbten Gesíchtern waren beeindruckend. An den bunten Märkte mit ihren Viktualien, die kleinen Geschäfte in den sogenannten Souks, so groß oft nur wie eine Niesche, in der sie Kleider nähten, Messinggegenstände beklopften, Schuhe bearbeiteten, kochten und backten, zogen wir im Schlenderschritt vorbei. Es wurde getöpfert, gewebt, Holz geschnitzt, gemalt und Kacheln bearbeitet. Viele mächtig bepackte, arme Eselchen standen tiefsinnig und resigniert herum. In der Innenstadt fuhren ja keine Autos. In einem Laden mit unendlich vielen, wunderschönen Teppichen und sonstigen Handarbeiten erstand ich einige Ledertaschen, besetzt mit bunten Lederstreifen und herabhängenden Fransen.( So hatte ich schon vorausschauende, exotische Weihnachtsgeschenke)

Als wir dann später wieder zu unserer netten Araberfamilie zurückkamen, standen viele Menschen vor dem Häuschen. Alle machten mir respektvoll Platz und auch als ich in die Wohnung kam, war sie gefüllt mit Menschen. Auch dort bildete sich sofort eine Schneise, durch die ich sehen konnte, dass das kranke, kleine Mädchen jetzt aufrecht stand und mir bei meinem Anblick entgegen-schwankte. Mit Entsetzten sah ich, dass diese Menschen mich jetzt für einen Wunderdoktor hielten, der ihr Kind gerettet hatte. Immer wieder hörte ich das Wort "Hakim". Auch ich hatte meinen Karl May gelesen und wusste dass das Wort "Arzt" hieß. Bevor ich mein Französisch zusammenkratzen konnte, trat mir ein anderer Pulk Menschen entgegen. Das Phänomen der Gesundung des kleinen Mädchens hatte sich in Windeseile herumgesprochen. In der Mitte der Ansammlung stand der Patrone (Bürgermeister) des Ortes. Nach französisch-arabischem Armgefuchtel erriet ich den Grund seines Redeschwalles. Der Patreone litt an rheumatischen Beschwerden. Ich musste versprechen auch ihm zu helfen. Ich wusste ja, was ich in meiner Medizinschatulle beherbergte. Dem Himmel (oder wem auch immer) sei Dank, hatte ich ein sehr starkes Schmerzmittel dabei, das ich vorsorglich, für alle Eventualfälle mitgenommen hatte.
Also ging ich in mein Zimmer und holte die Tablette, welche der Mann unter den Blicken der Anwesenden zusammen mit Pfefferminztee schluckte. Ich sagte ihm, dass er mindestens in einer Stunde von seinen Schmerzen befreit sein würde. Außerdem musste ich ihn mit viel Abrakadabra mit einer Rheumasalbe einreiben. Das waren alles Dinge, die mich doch sehr wunderten, dass ich als Ausländerin, außerdem eine Frau und Ungläubige diese Handlungsweisen ausführen durfte. Versteh einer die Moslems. Meinen Kameraden war es äußerst bluemerant zu Mute.
"Heidi, meinst du wirklich, dass das Mittel in einer Stunde wirkt?" fragten sie furchtsam. Sie hatten Fluchtgedanken.
"Eigentlich ganz sicher, wenn der Herr nicht für dieses Medikament resistent ist, müsste es schon in einer halben Stunde wirken," meinte ich beruhigend.
Nach einer dreiviertel Stunde kam wieder der Menschenpulk zu unserem Häuschen, dieses Mal lachend und strahlend. Sie trugen mich in einer kleinen selbstgebastelten Sänfte, begleitet von den Einwohnern der Örtlichkeit zum Haus des Patrones. Er kam freudestrahlend, dieses Mal aufrecht, auf mich zu und lud mich und meine Kameraden zu einem Fest uns zu Ehren ein. 
Während man das Mahl auftrug, legte er einen Gebetsteppich in Richtung Mekka aus, kniete sich hin und betete seinen Dank an Allah. Mir war das sehr peinlich, weil ich ja wusste, dass seine Schmerzen zurückkehren würden, mindestens am nächsten Tag. Bei den Moslems musste immer alles sofort helfen. Geduld kannten sie nicht. Entweder der Arzt half sofort, oder Hand ab. Deshalb gab es auch so wenig Ärzte.

Nachts bei Feuerschein und Fackeln umsaßen wir den großen Hammel, welcher sich auf einer Holzvorichtung drehte. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass er wahrscheinlich mir zu Ehren geschlachtet worden war. Ich konnte davon nichts essen vor Grausen. Es gab aber auch noch so eine Art Salate und Früchte. An diese hielt ich mich und das war mein Untergang. Montezumas Rache traf mich allgewaltig. Die ganze Nacht musste ich wegen der nicht abgekochten Früchte und dem Petroleumgestank, welche Lampen die rührenden Hausbesitzer uns zur Beleuchtung ins Zimmer gehängt hatten, alle 1/4 Stunden über alle gackernden Hühner, blöckenden Schafe und Ziegen und der aufgestörten, muhenden Kuh hinweg vor das Tor stolpernd und rennend, übergeben, als mich auch abwärts Klatteradatschartig befreien. Ich wollte gar nicht wissen, was die Hunde des Ortes, welche mich immer begeistert zu meinen nächlichen Unternehmungen
begleitet hatten, taten, nach dem ich den Ort verließ. Ich war sterbenskrank (später stellte sich heraus, dass ich eine Amoebenruhr hatte) Aus meiner Medizinschatulle entnahm ich Tabletten gegen Durchfall und Übelkeit. Ich stopfte sie in mich hinein und konnte dann doch noch eine Stunde schlafen.

Als ich am nächsten Morgen gerädert aufwachte, kam die junge Mutter mit einer Schale Kuskus in den Händen, auf mich zu und sah mich mitleidig an:" Tu est tres malade" meinte sie. "Kuskus bonne" verriet sie mit. Diese kleine Schale des Mitgefühls tat mir gut. Ich hinterließ ihr alle meine Kalk- Vitamin-Tabletten und Hühnersuppen und zeichnetet ihr genau auf, wieviel und wie oft sie das ihrem Kind geben sollte. Dann machten wir uns schleunigst davon, weil wir uns nicht der Wut und Rache des Patrones ausssetzen wollten. Immerhin hatte ich die leise Hoffnung, dass sich sein Rheuma durch die normale, uneingeschränkte Bewegung doch ein bisschen gebessert haben konnten.

Wir fuhren wieder in Richtung Fez. Dort sahen wir den Gerbern beim Färben der Lederhäute in Steinbottichen zu. Zeit ihres Lebens standen die armen Leute mit nackten Beinen in einer ätzenden Lurke, die zum Himmel stank. Schnell verließen wir den Ort, weil das auch meinem empfindlichen Magen nicht gut tat. Die große Moschee durften wir natürlich nicht besuchen. So kauften wir noch weitere Verpflegung ein und fuhren los. Von da ab habe ich mich nur noch von abgepackter Milch, Fladenbrot und Käse ernährt. Nach der Alt- und Neustadt von Fez kamen wir duch die Ville Nouvelle, die wie der Name schon erahnen lässt, auf die Kolonialherrschaft der Franzosen zurückgeht. Es gab dort die obligatorische Flaniermeile, Boulevards und Avenuen. Es ist der Teil der oberen Zehntausend von Fez. Aber der Ausblick über die grünen Hügel war doch schön.

Wir setzten unsere Reise, die ich nur hinten über unseren Koffern liegend, ertrug, fort. Wir kamen nach Quezzanne. Sie ist die heilige Stadt Marokkos. Übrigens nicht nur für Moslems, sondern auch für Juden. In der Nähe liegt die Grabstätte des Rabbiners Imram Ben Divan, der auf einer seiner Reisen von Hebron aus hier verstarb. Sowohl die Berber, als auch die Juden verehren ihn als den heiligen Mann. Es ist für beide ein Wallfahrtsort. Leider habe ich nie herausbekommen, warum er so heilig war.
Quazzane ist auch die Stadt der grünäugigen Prophetenabkömmlinge. Das ist ein Phänomen, weil sie immer schon in dieser Stadt bekannt war, die Grünäugigkeit. Die Vermischung mit Spaniern und Franzosen fand erst später statt und die grünen Augen gab es schon vor der Kolonialzeit. Seltsam ist auch der Umstand, dass König Mohammed V 1961 kurz nach seiner Reise durch Quezzane verstarb. Sein Nachfolger Hassan II hat es nach der Vergiftungsvermutung nie nach Quezzane getrieben. Auch der jetzige König Mohammed VI durchreiste das Land nach seinem Amtsantritt, aber Quezzane hat er gemieden.

Wir verließen den heiligen Ort und machten uns auf neue Fahrt.


Fortsetzung folgt

Wie ich schon erzählt habe, bei den Beni Arab, darf nichts lange dauern. Es muss gleich passieren,zum Beispiel muss eine Heilung sofort greifen, jedenfalls wenn ein Arzt beteiligt ist.(Das gilt immer für damals) Aber wenn Allah einen Menschen unbehandelt sterben ließ, war das Insch'allah und Kismet. Dass diese ganze Geschichte sehr gefährlich für uns hätte werden können, haben wir erst später begriffen. Heidi Schmitt-Lermann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.07.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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